Trinkwasserverunreinigung in der Grafschaft und Teilen der Kreisstadt

Wasser muss weiterhin abgekocht werden

Wasser muss weiterhin abgekocht werden

Foto: pixabay

Wasser muss weiterhin abgekocht werden

Der brandneue Hochbehälter Birresdorf ist einer von mehreren Hochbehältern in der Gemeinde Grafschaft und der Stadt Bad Neuenahr-Ahrweiler, die in den vergangenen Tagen mit Kolibakterien verunreinigt waren. Mittlerweile sind hier die Messwerte angeblich wieder normal. -JOST-

Kreisstadt/Grafschaft. Die Vorsichtsmaßnahmen wegen der Trinkwasserverunreinigung in der gesamten Gemeinde Grafschaft und den östlichen Stadtgebieten von Bad Neuenahr-Ahrweiler bleiben weiterhin bestehen. Das Gesundheitsamt der Kreisverwaltung Ahrweiler hat bis Redaktionsschluss keine Entwarnung gegeben. Vor Ende der Woche werde dies wahrscheinlich auch nicht der Fall sein, hieß es aus gut informierten Kreisen, denn auch am Montag seien noch Kolibakterien in einzelnen Wasserproben nachgewiesen worden.

Nach Angaben des Gesundheitsamtes wurden bis Montagnachmittag 261 Proben des Trinkwassers an 28 verschiedenen Messpunkten gezogen. Die Proben würden in Laboren in Bonn und Neuwied ausgewertet, was aber jeweils zwischen 24 und 28 Stunden dauere. Diese Auswertungen seien daher noch nicht vollständig abgeschlossen. Die eingehenden Ergebnisse habe man im Gesundheitsamt täglich, auch am Samstag und Sonntag, bewertet. Immerhin gebe es eine erfreuliche Tendenz, denn die Zahl der Grenzwertüberschreitungen sei mittlerweile rückläufig. „Dennoch ist eine Aussage über die Gesamtsituation sowie deren Ursache und die weitere Prognose für die nächsten Tage noch nicht möglich“, heißt es in einer Pressemitteilung der Kreisverwaltung.

Das Trinkwasser darf demnach nach wie vor nur in abgekochtem Zustand zum Trinken, für die Mundhygiene und zur Nahrungszubereitung verwendet werden. Sobald diese Vorsichtsmaßnahme beendet werden könne, informiere die Kreisverwaltung die Bevölkerung umgehend. Mehr Infos, auch zu den betroffenen Gebieten, gibt es im Internet unter

www.kreis-ahrweiler.de.

Neu verlegte Leitung zum Hochbehälter Kirchdaun

Bei der Sondersitzung des Stadtrats von Bad Neuenahr-Ahrweiler hatte derweil Walter Kochhan von der Energieversorgung Mittelrhein (EVM), die das Wasserwerk der Stadt Bad Neuenahr-Ahrweiler betreibt, Auskunft über den Stand der Dinge gegeben. Demnach habe man vor 14 Tagen eine neue Leitung zum Hochbehälter Kirchdaun verlegt, die man am vergangenen Dienstag vor der Inbetriebnahme desinfizieren wollte. Doch es sei trotz zahlreicher Versuche nicht gelungen, die Leitung keimfrei zu bekommen. Deshalb habe man das Wasser, mit dem man die Leitung gespült habe, untersucht und dabei festgestellt, dass die Verkeimung schon in diesem vorhanden war.

Sofort sei das Gesundheitsamt eingeschaltet worden, das als Sofortmaßnahme beschlossen habe, die Chlorung in den Hochbehältern Trischtkopf und Birresdorf zu erhöhen, um die Bakterien abzutöten. Es seien sofort zahlreiche Proben im gesamten Stadtgebiet gezogen worden, wobei man festgestellt habe, dass es in Ahrweiler keine Beeinträchtigung gebe. Das Leitungsnetz in Bad Neuenahr jedoch sei stellenweise kontaminiert gewesen, so dass als reine Vorsichtsmaßnahme und aus Sicherheitsgründen am Mittwoch das Abkochgebot für die östlichen Stadtteile erlassen worden sei, dass dann am Donnerstag auf die gesamte Gemeinde Grafschaft ausgeweitet wurde.

Keine Baustellen oder Leitungsschäden bekannt

Seither sei man fieberhaft auf der Suche nach dem Grund für die Kontaminierung mit coliformen Keimen, habe aber noch keine Ergebnisse vorzuweisen. Derzeit könne niemand sagen, wie das Naturprodukt Wasser mit den eigentlich ganz natürlichen Keimen, die allerdings in den menschlichen Darm und nicht ins Wasser gehörten, in Verbindung gekommen sei. Zumal keinerlei Baustellen oder Leitungsschäden im Gebiet der Stadt und der benachbarten Grafschaft bekannt seien. Auch eine Wassergewinnung gebe es in beiden Körperschaften nicht, das betroffene Leitungsnetz werde von der Wahnbachtalsperre und aus Tiefbrunnen der Stadt Bonn gespeist. Nach Ansicht von Experten sei eine Verunreinigung durch das Ausbringen von Gülle auf den Feldern nach derzeitigem Stand der Dinge auszuschließen.

Mittlerweile tendiere man zu der Ansicht, dass schon die Transportleitungen zum Hochbehälter Birresdorf, die vom Hochbehälter Wachtberg aus gespeist werden, von den Verunreinigungen betroffen sein könnten. Allerdings seien keine erhöhten Werte mehr am Hochbehälter Wachtberg festzustellen. „Es sieht immer besser aus, wir sind auf einem guten Weg, die Verkeimung zu beseitigen“, beruhigte Kochhan die Ratsmitglieder.

Bürgerinitiative stellt massenhaft Gülletransporte fest

Derweil betrachtet die Grafschafter „Bürgerinitiative gegen Industrielles Güllelager und Massentierhaltung in Wohnortnähe“ die Trinkwasserverunreinigung mit großer Sorge. Diese gesundheitsgefährdenden Keime stammten schließlich aus Fäkalien menschlichen oder tierischen Ursprungs. Sehr beunruhigend ist für den Vorsitzenden Reinhold Hermann, dass auch in der Gülle aus landwirtschaftlicher Tierhaltung per se Kolibakterien enthalten seien. Jährlich würden Hunderttausende Liter Gülle in die Grafschaft importiert. So stelle die Bürgerinitiative seit einigen Wochen wieder massenhaft Gülletransporte aus den Niederlanden fest.

„Die Bürgerinitiative hat in vielen Veröffentlichungen seit 2013 über die von Gülle ausgehenden Gesundheitsgefahren neben der überhöhten Nitratbelastung für das Grundwasser gewarnt und ist stark an der Ursachenforschung für die jetzige Gefahrenlage interessiert“, so Hermann. Aus ihrer Sicht müssen sich die Verantwortlichen folgenden Fragen stellen: Um welchen Bakterienstamm und Serotypen handelt es sich bei den festgestellten Keimen genau? Kann ein Zusammenhang zwischen der Trinkwasserverunreinigung mit Kolibakterien und der Gülleausbringung definitiv ausgeschlossen werden? Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass Wasserversorgungsanlagen und Trinkwasserspeicher durch die zahlreichen Starkregenereignisse der letzten Wochen durch mit Gülle vermischtem Oberflächenwasser verunreinigt worden sind?

Lückenlose Aufklärung wird erwartet

Die Bürgerinitiative erwarte von den Verantwortlichen eine lückenlose Aufklärung, so Hermann weiter. Auch das Kontroll- und Meldesystem der Betreiber der Trinkwasseranlagen und des Leitungsnetzes sowie des Wasserlieferanten müsste auf den öffentlichen Prüfstand. „Es wäre für alle betroffenen Bürger hilfreich zu wissen, an welchen und wie vielen Stellen des Leitungsnetzes und in welchen Zeitabständen Stichproben der für unseren Lebensalltag so wichtigen Ressource Trinkwasser genommen und ausgewertet werden. Wie viel Zeit vergeht zwischen der Feststellung einer Grenzwerteüberschreitung bis zur Warnung der Bevölkerung?

Weitere Informationen gibt es im Internet unter www.guellesee-grafschaft.de.