Frauennotruf Koblenz kämpft für Rechte vergewaltigter Frauen und Mädchen

„Was Ihnen widerfahren ist,ist in Deutschland nicht strafbar“

Koblenz/Region. Seit 22 Jahren unterstützt die Koblenzer Fach- und Beratungsstelle Frauen und Mädchen, wenn sie von sexualisierter Gewalt betroffen sind: Mit ihrem Angebot der psychosozialen Prozessbegleitung stärken sie die Betroffenen vor, während und nach möglichen Gerichtsverfahren. Sie unterstützen sie natürlich auch unabhängig von einer Strafanzeige. Und sie kämpfen darum, dass die bestehenden Schutzlücken in der deutschen Rechtsprechung endlich geschlossen werden. Noch enden in Deutschland viele Gerichtsverfahren mit einem Freispruch des Täters/ der Täter, obwohl die Betroffene offensichtlich vergewaltigt wurde. Hierzu legt der Bundesverband Frauennotrufe und Frauenberatungsstellen (bff) jetzt eine ausführliche Fallanalyse vor, die den Titel trägt: „Was Ihnen widerfahren ist, ist in Deutschland nicht strafbar“. Hierin werden über 100 angezeigte Fälle sexualisierter Gewalt ausgewertet, in denen der Täter/die Täter nicht verurteilt wurden. Dies bestätigt, was die Mitarbeiterinnen des Koblenzer Frauennotrufs in ihrem Beratungsalltag immer wieder erfahren: Nur die wenigsten sexuellen Übergriffe werden in Deutschland strafrechtlich geahndet. Bevor es zu einer Anklage kommt, werden die meisten Verfahren bereits von der Staatsanwaltschaft eingestellt. Viele Betroffene, die sich zu einer Anzeige durchgerungen haben, müssen dann in den Einstellungsschreiben Sätze lesen wie, „Ihr Fall ist nicht strafbar“. „Ein „Nein“ als abweisendes Signal der Frau oder des Mädchens reicht für eine spätere Verurteilung des Täters nicht aus. Strafbar ist eine sexuelle Handlung in Deutschland nur dann, wenn Gewalt angewendet wird, mit Gewalt gedroht wird oder eine sogenannte schutzlose Lage ausgenutzt wird“, erklärt Martina Steinseifer vom Koblenzer Frauennotruf. „In Deutschland ist eine sexuelle Handlung gegen den ausdrücklichen Willen einer Person nicht immer strafbar. Täter dürfen sich wissentlich über den erklärten Willen der Betroffenen hinwegsetzen,“ ergänzt ihre Kollegin Franziska Godlewsky. Mit der nun vorliegenden Analyse des bff konnten typische Fallkonstellationen herausgearbeitet werden, in denen die Strafverfolgung in Deutschland regelmäßig an der bestehenden Gesetzeslage scheitert. „Die Art und Weise, in welcher Form sich Mädchen und Frauen wehren, entscheidet in unserem Land darüber, ob eine Handlung strafbar ist. Die Verantwortung wird damit nicht dem Täter, sondern dem Opfer übertragen,“ meinen die Mitarbeiterinnen des Koblenzer Frauennotrufs.

„Wir müssen feststellen, dass die sexuelle Selbstbestimmung in Deutschland nicht voraussetzungslos geschützt ist. Sie muss aktiv verteidigt werden,“ ergänzen die beiden Fachfrauen. Und fahren fort: „Wenn mir aber jemand das Portemonnaie entreißt und ich erstarrt dem Täter hinter herschaue, wie er damit fortläuft, gilt dies als strafbarer Diebstahl, auch wenn ich mich nicht mit Gegengewalt gewehrt habe. Eigentum ist in Deutschland geschützt. Sexuelle Selbstbestimmung nicht.“ Nun ist in der vergangenen Woche die „Istanbul-Konvention“ des Europarates in kraft getreten. Sie verlangt, dass alle nicht-einverständlichen sexuellen Handlungen strafbar sind und dass eine effektive Strafverfolgung stattfindet. Die aktuelle deutsche Rechtslage steht in einem klaren Widerspruch zu dieser menschenrechtlichen Anforderung. Dass aktuell im Bundesjustizministerium ein Gesetzentwurf zur „Umsetzung europäischer Vorgaben zum Sexualstrafrecht“ diskutiert wird, passt da sehr gut. „Diese Chance müssen die politisch Verantwortlichen nutzen, um die faktische Straflosigkeit sexueller Übergriffe in Deutschland endlich zu beenden,“ fordern die Vertreterinnen des Frauennotrufs.

Frauennotruf Koblenz/ Tel.: 0261 35 000