Ulrich Wegener feierte seinen 86. Geburtstag

Ein Leben im Kampf gegen den Terror

Der „Held von Mogadischu“ blickt auf die Geschichte der GSG 9 zurück und beurteilte die aktuelle Lage

25.08.2015 - 17:32

Kreis Neuwied. Der „Held von Mogadischu“, wie der Chef der Grenzschutzgruppe GSG 9, Ulrich Wegener, nach der Befreiung aller Geiseln aus der von palästinensischen Terroristen entführten Lufthansamaschine „Landshut“, in der Presse genannt wurde, feierte am Wochenende Geburtstag „Nicht so groß wie voriges Jahr meinen 85. in Linz, sondern nur im Kreis der Familie“, erklärt er während eines Gesprächs mit BLICK aktuell. Zu dieser „Familie“ zählen seine beiden Töchter Susanne und Simone, aber auch die Führungsriege seiner ehemaligen Einheit um Kommandant Jerome Fuchs, die der rüstige Sicherheits-Fachmann weiterhin einmal pro Woche in Hangelar besucht. „Die aktuelle Situation des zunehmenden internationalen Terrorismus stellt nicht nur die GSG 9 vor immer neue Herausforderungen. Technische und taktische Maßnahmen stellen sich heute ganz anders dar als in den 70er-Jahren“, so der Ex-General und international anerkannte Sicherheitsexperte, dessen Rat nicht nur bei der GSG-9-Führungsriege weiterhin gefragt ist.

„Ich habe nahezu zwei Jahrzehnte die legendäre Anti-Terror-Truppe nach dem Prinzip ‚geführt wird von vorne‘ kommandiert. Ins Leben gerufen worden war sie, nachdem die Geiselnahme der israelischen Olympiamannschaft 1972 in München durch palästinensische Terroristen einen so katastrophalen Ausgang genommen hatte“, erinnert sich Wegener. Der damalige Oberstleutnant des Bundesgrenzschutzes war seit zwei Jahren Verbindungsoffizier im Innenministerium unter Hans-Dietrich Genscher und hatte die Ohmmacht der bayrischen Landespolizei hautnah erlebt. Schon vor dem Überfall habe er die Sicherheitsmaßnahmen im olympischen Dorf als völlig unzureichend kritisiert, etwa dass die Polizei dort keine Waffen tragen durfte. „Unmittelbar nach dem Tod der Israelis auf dem Flughafen Fürstenfeldbruck habe ich den Innenminister angesichts der total überforderten Einsatzleitung und der mangelnden Erfahrung der Polizisten aufgefordert, sich für die Gründung einer Spezialeinheit einzusetzen, und nach der Kabinettssitzung in München nur zwei Wochen später wurde ein entsprechender Beschluss gefasst.“ Der damals 43-jährige Oberstleutnant hatte sich durchgesetzt und erhielt den Auftrag, eine einsprechende Einheit aufzubauen.


Vorbilder im Ausland


„Mit war natürlich klar, dass eine schnelle Einsatztruppe ganz anders aufgebaut sein muss als konventionellen Einheiten, wenn sie vor allem hinsichtlich ihrer Schlagkraft effektiv sein soll“, führt Wegener aus. Er nahm Kontakt nicht nur zum britischen „Special Air Service“, sondern vor allem mit dem Land auf, das umfangreiche Erfahrungen mit Anti-Terroreinsätzen gesammelt hatte, mit Israel, speziell mit der Eliteeinheit Sayeret Matkal, um Erfahrungen zu sammeln. Der Empfang sei zunächst kühl gewesen, dann hätten ihn die Israelis ausgezeichnet beraten, und inzwischen habe er ein sehr gutes Verhältnis aufgebaut, so der General a.D. Entscheidend sei aber gewesen, dass Hans Dietrich Genscher nicht nur für ausreichende finanzielle Grundlagen gesorgt, sondern erfolgreich auch eine Gesetzlage durchgesetzt habe, nach der die GSG 9 nicht der Kontrolle des Parlaments, sondern nur dem Innenminister beziehungsweise Kanzleramt untersteht und nicht, wie von einigen Politikern präferiert, zur Polizei, sondern zum Bundesgrenzschutz gehörte, was Auslandseinsätze erst möglich machte. „Ich habe dann mit 60 Mann angefangen, wobei ich bei der Rekrutierung auf die psychische Konstitution und die intellektuelle Auffassungsgabe, vor allem aber auf die Teamfähigkeit Wert gelegt habe, Eigenschaften, die für den Erfolg angesichts außergewöhnlicher Anforderungen unerlässlich sind“, erklärt er.


Die „Feuertaufe“ der GSG 9


Nachdem er jahrelang mit seiner Truppe Geiselbefreiungen in allen erdenklichen Szenarien trainiert hatte, bekommt die GSG 9 1977 Gelegenheit sich zu beweisen. Bereits im April hatten RAF-Terroristen Siegfried Buback und im August Jürgen Ponto ermordet sowie im September den Arbeitgeberpräsidenten Hanns-Martin Schleyer entführt. Am 13. Oktober schließlich entführten vier Palästinenser die Lufthansa-Maschine „Landshut“, nicht zuletzt um die Freilassung der in Stammheim inhaftierten RAF-Terroristen zu erpressen. „Damit war unsere Zeit als ‚Ausbildungseinheit‘ vorbei. Wir konnten zeigen, was wir gelernt hatten“, resümiert Wegener. Jede Bewegung des nach dem Start in Palma entführten Flugzeugs über Rom und Larnaka bis nach Dubai wurde überwacht. „Wir hatten uns schon auf einen Angriff vorbereitet, als die Maschine weiterflog, um schließlich aus Treibstoffmangel im Südjemen und dann nach einem 108-stündigen Irrflug am 17. Oktober in Mogadischu landete“, so der Ex-General. Der hatte da bereits von seinem Adjutanten erfahren, dass seine Einheit die Maschine bestens kannte, hatte sie doch schon an ihr geübt. „Immer wenn ein Flugzeug ungenutzt im Hangar stand, sind wir hingefahren, um die Erstürmung zu trainieren“, berichtet Wegener.

Längst hatte Bundeskanzler Helmut Schmidt seinem Vertrauten Hans-Jürgen Wischnewski die politische Leitung vor Ort übertragen, während die Bundesregierung - um Zeit zu gewinnen - den Terroristen zugesagt hatte, die „Stammheimer“ nach Mogadischu zu bringen, woraufhin das Ultimatum bis zum 18. Oktober verlängert wurde. Am frühen Morgen zischten dann vom britischen SAS gezündete Blendgranaten auf dem hermetisch abgeschirmten Flughafen hoch. Durch alle Eingänge drangen die sechs GSG-9-Sturmtrupps in die Maschine vor. „Eine Tür war durch Müll versperrt, sodass sie sich nur einen Spalt öffnen ließ, durch den der Truppführer einen der Terroristen erschoss“, weiß Wegener noch heute. Dasselbe Schicksal erleiden zwei weitere Geiselnehmer, nur Suhaila Sayeh überlebt schwer verletzt. Schon sieben Minuten später konnte „Ben Wisch“ berichten, dass die „Operation „Feuerzauber“ ohne Gegenwehr beendet worden sei und alle Geiseln in Sicherheit seien.


Eine Einheit wird zum Mythos


Der Mythos der von Ulrich Wegener aufgebauten Spezialeinheit des Bundesgrenzschutzes, die heute zur Bundespolizei gehört, war geboren und ist immer noch ungebrochen. Seit 1977 rückte die GSG 9, die zum Modell für viele Einheiten im Ausland geworden ist, zu rund 1700 Einsätzen aus, bei denen es nur fünf Mal zu Schusswechseln kam. Bei internationalen Wettbewerben von Spezial-Einheiten belegt die deutsche Truppe meist den ersten Platz „Heute umfasst die GSG 9 rund 600 Mann in unterschiedlichen Spezialeinheiten, die ganz intensiv mit Anti-Terror-Spezialeinheiten anderer Länder zusammenarbeiten, wie etwa seit 2009 mit israelischen Eliteeinheiten“, so Wegener. Diese Kooperation auch mit Nachrichtendiensten sei unerlässlich, wenn man nicht vor dem zunehmenden internationalen Terrorismus kapitulieren wolle.


Internationale Auszeichnungen


Dass es absolute Sicherheit vor Terroranschlägen nicht geben kann, ist spätestens seit dem 11. September 2001 jedem klar. „Die Bedrohung hat Dimensionen erreicht, die wir uns damals gar nicht vorstellen konnten. Sie übersteigt einfach die Fantasie normaler Menschen“, erklärt Wegener auf dem Weg in sein Arbeitszimmer, in dem signierte Fotos mit Widmung von Helmut Schmidt, Hans-Dietrich Genscher, Helmut Kohl und Hans-Jürgen Wischnewski die Wände füllen ebenso wie von der Übergabe des Orden „Legion of Merit“ durch den USA-Botschafter Richard Burt oder die „Paddel“-Auszeichnung der Navy Seals. „Ohne die Vernetzung von Kompetenzen und einen umfassenden Informationsaustausch haben wir gegen den heutigen Terrorismus kaum eine Chance. Die größte Gefahr sehe ich ganz klar im radikalen Islamismus. Von daher kann ich es nicht verstehen, dass einige Länder diese Bedrohung nicht wirklich ernst nehmen und dass die Türkei immer noch die PKK als Staatsfeind Nummer 1 betrachtet anstatt die IS-Terroristen“, wundert sich Ulrich Wegener abschließend.

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