Bräuche und Lieder zur Weihnachtszeit

„Et jeit op hellig Ovend aan“

„Et jeit op hellig Ovend aan“

Günter Leitner (l.) und Thomas Cieslik begeisterten ihr Publikum mit Erklärungen, Erzählungen und Liedern zum Advent. Rü

Sinzig. Diese Mischung stimmte: Kölsche Tön mit Schmunzelpotenzial, vor allem aber besinnlich und gänzlich ohne Klamauk, bescherten Gitarrist Thomas Cieslik, Exil-Kölner vom Niederrhein, und der Kölner Kunsthistoriker Günter Leitner. „Wir versuchen, Sie an Weihnachten heranzuführen, ohne Weihnachten zu feiern“, gab er als Motto für den stillvergnüglichen Abend im Sinziger Schloss aus.

Hervorragend ergänzt sich dieses Duo, wie gut 50 Gäste, die bei strömenden Regen ins Schloss gefunden hatten, feststellten. Leitner, versierter Stadtführer seiner Heimatstadt und vertraut mit deren Bräuchen, trug Gedichte und Verzällcher im Zungenschlag der Domstadt vor. Er unterstrich ihren Gehalt noch, indem er sie ins Kirchenjahr einband und früher praktizierte Bräuche schilderte. Ehemals gab es im Advent, der auch die endzeitliche Erwartung Christi einschließt, eine Fastenzeit, und zwar nach Martini, ein alter Zahltermin von Pacht und Löhnen, zudem ein Termin für „Heischegänge“, gebilligte Betteltouren armer Leute. Einige Gäste kannten noch den Refrain des Heischeliedes, das Berufsmusiker Cieslik anstimmte: vom reichen Mann, der geben soll, auf dass er lange lebe und selig sterbe. „Wichtig ist, den Eindruck zu vermitteln, dass man so lange singt, bis man etwas kriegt,“ erklärte der Gitarrist, der einen Bibi auf dem Kopf trug.

Krippen ohne Jesuskind

In der adventlichen Fastenzeit setzten sich Fastenbrechtage durch, als größter der dritte Adventsonntag „Gaudete“, daneben etwa der 25. November, Festtag der heiligen Katharina, die gerädert werden sollte, weshalb an dem Tag keine Fuhrwerke bewegt werden durften. „Die Fuhrleute aber aßen und tranken“. Eine Art „Heiratsorakel“ galt für die Andreasnacht, die Nacht zum 30. November, Todestag des heiligen Andreas. Ledige Frauen baten „Zint Andreas schick mir ne Kerl“. Hatte das nicht geholfen, konnten sie die Bitte noch einmal an den heiligen Thomas, den Ungläubigen (21. Dezember), richten, um den gewünschten künftigen Ehemann kennenzulernen.

Kern des Advents

Der Kern des Advents, „die Christen gedenken der Geburt Jesu und bereiten sich darauf vor“, klingt in den Liedzeilen Henner Berzaus an. Beginnend mit „Sid höösch, leev Lück sid stell - et kann net jeder maache wat hä well!“, heißt es später, „Putz de Wohnung, äwer putz och et Jewesse“. Leitner ergänzte aus dem Volksglauben: „Es wurde geputzt, damit die Geister aus den Ecken herauskamen“. In der Zeit der Erwartung stellt man die Krippen auf - (noch) ohne Jesuskind. Leitner erwischte im Kölner Dom einmal den rechten Augenblick, um Zeuge folgender Begebenheit zu werden. Er bemerkte, wie eine Fotografin aus dem Gebiet der ehemaligen DDR in der Krippe das Christkind vermisste und sich deshalb fragend an den Kirchenschweitzer wandte. Dessen echt Kölsche Antwort lautete: „Wollte me he en Frühjeburt usläje?“

Licht in der Dunkelheit

Kein Advent, ohne Adventskranz, kam auch dieser im Ursprung protestantische Brauch zur Sprache. Johann Heinrich Wichern erfand ihn um 1838. Im Sinne der Heilserwartung nimmt das Licht in Richtung Weihnachten zu, auch wenn aus zunächst 24 Kerzen vier wurden. „Adventskätzje“ bringen überdies im gleichnamigen Lied von Dichter Hans Knipp, Verfasser vieler Kölsch-Klassiker, „die Kinderzick zurück un och dä Draum vun mingem kleine Jlöck“. Stets wechselten der nachdenkliche Leitner und der zugewandte singende Gitarrenspieler Cieslik ausgewogen zwischen gesprochenem und gesungenem Wort. Mit lehrreichen Erklärungen zu Historie und Brauch, zu Herzen gehenden Mundart-Gedichten und -Liedern, thematisierten sie im Verlauf des Abends weitere Adventsheilige, wie Barbara, Nikolaus und Luzia und die mit ihnen verbundenen Bräuche. Es ging ebenso ums Plätzchenbacken und um Wunschzettel - ein besonders schön formulierter entsprang der Feder von Lis Böhle. Weihnachtsbäume, krumme, wie gerade kamen aufs Tapet sowie das „Bravsein“ und die Raunächte zwischen Weihnachten und Neujahr. Mit zwei Zugaben und dem Lied „Kutt jot heim“ entließen die Darsteller ihr hoch zufriedenes Publikum.