Ein Beitrag zur Heimatgeschichte

Getreideernte gestern und heute

Getreideernte gestern und heute

Johann Josef Mies aus Ramersbach (Jahrgang 1864) mit seiner Frau Gertrud bei der Getreideernte von Hand. Im Hintergrund sind schon aufgestellte Garben als „Kaaste“ zu sehen. Vorne liegen noch die Garben die mit einem Strohbüschel von Hand gebunden sind.privat

Bad Neuenahr-Ahrweiler. Zur Getreideernte bestaunen auch heute noch Kinderaugen die Mähdrescher, wenn die Halme mit den gefüllten Ähren zitternd abgemäht werden, nach hinten fallen und im stählernen Bauch der Maschine die Ähren dann die teure Last der Körner verlieren. Wogten in vergangenen Tagen noch die goldenen Ährenfelder wie die Wellen des Meeres im Wind, so bleiben hinter der Dreschmaschine nur die mit Stroh, welches in Rundballen gepresst wird, zurück.

Am Anfang war die Sense

Bis die ersten Mähmaschinen und Mähdrescher durch die Eifel-Äcker rollten, wurde das Getreide mit der Sense gemäht. Allerdings war die Sense eine andere als die, die beim Grasmähen benutzt wurde. Am hölzernen Sensenwurf war unten vor dem Ende der Sense ein halbkreisförmiger Bügel aus Holz oder Metall angebracht, der mit einem Holzgitter oder Fliegendraht versehen oder mit einem festen Tuch bespannt war. Damit wurde erreicht, dass bei jedem Einschlagen die abgeschnittenen, fallenden Ähren gegen das noch stehende Getreide angelehnt wurden und nicht wie bei einem Mikadospiel auseinanderfielen.

„Ausraffen“ war Frauenarbeit

„Ausraffen“ nannte man die Arbeit, die meist von Frauen verrichtet wurde. Das hieß, die Frau ging rückwärts hinter dem Schnitter her und nahm mit der Sichel in der rechten Hand die abgeschnittenen, leicht schräg stehenden Halme an die noch stehenden Ähren auf. In der linken Armbeuge sammelte die Frau die Halme büschelweise und legte sie zu Garben zusammen.

Mit Strohbändeln, kleinen Büscheln von längeren Halmen, wurden die Garben gebunden und zum Trocknen auf „Kaaste“ aufgestellt. „Kaaste“ waren zusammengestellte Garbenhaufen. Zuerst wurden drei oder vier Garben schräg mit den Ähren nach oben zusammengestellt, dann kamen in die Lücken wieder Garben zu stehen und zum Schluss noch mal drei oder vier. So konnten Halme und Ähren von Wind und Sonne schnell getrocknet werden, und kürzere Regenfälle richteten wenig Schaden an. Das hört sich alles sehr einfach und leicht an, aber es war harte Arbeit.

Von früh bis spät

mit höchstens drei Pausen

Von früh morgens bis zur Dämmerung mit höchstens drei Pausen zog sich die Arbeit wochenlang hin. Im Getreide gab es häufig Disteln und sonstige stachelige Unkräuter, die aussortiert werden mussten und die Frauenhände gewiss nicht verwöhnten. Schutzhandschuhe kannte man nicht. Aber es wäre auch niemand auf die Idee gekommen, im Hochsommer Handschuhe zu tragen.

Für die Kinder gab es in der Fruchternte nicht viel Zeit zum Spielen. Ältere Kinder halfen beim „Ausraffen“ oder beim Garbenbinden. Die Jüngeren mussten die einzelnen heruntergefallenen Ähren sammeln.

Der Einsatz von

Mähmaschine und Mähbinder

Der nächste Fortschritt war die Mähmaschine, zuerst von einem oder mehreren kräftigen Pferden gezogen, bis später der Traktor als Zugmaschine diente.

Die Mähmaschine war für Gras und ebenso für Getreide geeignet. Beim Getreidemähen war am Mähbalken zusätzlich die Ablegevorrichtung angebracht. Das war ein beweglicher Lattenrost. Dieses konnte durch einen zweiten Mann von einem Sitz auf der Maschine per Fußhebel nach oben und unten bewegt werden. Bei langsamer Fahrt wurde der Rost hochgehalten, bis sich die Menge Getreide ansammelte, die eine Garbe ausmachte. Dann wurde der Fußhebel losgelassen, und die gesammelten Halme fielen als fertige Garbe säuberlich nach hinten weg. Sie brauchte nur noch gebunden zu werden. Die Klappe ging wieder hoch und sammelte Ähren für die nächste Garbe und so weiter.

Bald gab es dann die ersten Mähbinder, die hinter einem Traktor hergezogen wurden. Ein Mähbinder arbeitete im Grunde wie die Mähmaschine, jedoch wurden die Garben mit einer festen Kordel fertig gebunden.

Der Mähdrescher

Ende der fünfziger, Anfang der sechziger Jahre fuhren in der Eifel auch die ersten Mähdrescher. Heute kann man sich eine Ernte ohne Mähdrescher nicht mehr vorstellen.

Bei gutem Wetter liefen die Dreschmaschinen während der Ernte morgens vom Abklingen des Frühtaues bis in die späten Abendstunden, wenn sich die Feuchtigkeit wieder auf die Frucht legte. Die Körner wurden entweder in Säcke gefüllt oder lose auf den Anhänger geblasen und abtransportiert. Das Stroh wurde in handliche eckige Bündel gebunden und diente im Winter teil als Futter und teils als Streu für das Vieh. Heute sind es große gepresste Rundballen, die dem gleichen Zweck dienen.

Werner Schüller