DRK-Mitarbeiter Thorsten Trütgen nahm am einwöchigen Grundlehrgang der Seenotretter teil

In einer Rettungsinsel gefangen

In einer Rettungsinsel gefangen

Nach dem Auslösen der halbautomatischen Rettungsweste klettern Thorsten Trütgen und die weiteren Lehrgangsteilnehmer erneut in die Rettungsinsel. Mit aufgeblasener Rettungsweste ist der Einstieg in die Rettungsinsel durch die kleine Zugangsöffnung deutlich schwieriger. Horst Kagel

Kreis Ahrweiler / Neustadt. Die Wellen schlagen einen Meter hoch, die Brandung peitscht. Eine Rettungsinsel für Schiffbrüchige taumelt im Takt der Wellen. In der aufblasbaren Insel befinden sich 16 Personen. Unter dem Schutzdach ist es dunkel. Licht fällt nur durch die schmalen Ritzen der beiden verschlossenen Eingänge. Der Wassereintritt durch die Wellen muss so gering wie möglich gehalten werden. Die Luft ist stickig, fast zum Durchschneiden. Thorsten Trütgen aus Remagen ist einer der Insassen. Glücklicherweise treibt die Rettungsinsel nicht im offenen Meer, sondern im Trainingsbecken des Einsatz-Ausbildungszentrums Schadensabwehr (EAZS) der Marinekaserne in Neustadt in Holstein. Die Deutsche Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger (DGzRS) nutzt die Möglichkeiten der Marine zur Ausbildung ihrer Seenotretter.

Thorsten Trütgen, eigentlich Landra(e)tte(r) beim Deutschen Roten Kreuz (DRK) im Ahrkreis und als freier Fachjournalist für bundesweite Fachmagazine des Rettungswesens tätig, hatte die Möglichkeit, am einwöchigen Grundlehrgang der Seenotretter teilzunehmen, um aus Teilnehmersicht darüber berichten zu können.

Rettungsübung bei

simuliertem Seegang

„Obwohl es sich nur um eine Ausbildungsübung handelt, ist es schon ein beklemmendes Gefühl, in dieser Rettungsinsel bei dem simulierten Seegang auszuharren. Man sieht nicht, was draußen passiert“, beschreibt Trütgen seine Eindrücke. Nach einer Viertelstunde dann die Rettung. „An einem etwa fünf Meter hohen Trainingsturm, der einen Teil eines Schiffsrumpfs darstellen soll, konnten wir über ein davor hängendes Rettungsnetz die Insel an der imaginären Bordwand verlassen“, beschreibt Trütgen den weiteren Verlauf dieses Ausbildungsschrittes. Barfuß muss man nun „an Bord“ klettern. Die Seile drücken unangenehm in den Fußsohlen, die Arme sind zur Entlastung der Füße gefordert. Oben angekommen gibt es nur eine kleine Verschnaufpause. Nach wenigen Minuten erfolgt ein Sprung vom Übungsturm in das Wellenbecken. Nun muss die halbautomatische Rettungsweste ausgelöst werden. Mit aufgeblasener Weste schwimmen die angehenden Seenotretter im Wellenbecken wieder zurück zur Rettungsinsel. Das Hineinsteigen mit aufgeblasener Weste durch die kleine Öffnung ist eine Herausforderung. Insgesamt dauern die Übungen im Ausbildungsbecken eine Stunde. Eine Stunde, die den Körper sportliche Leistungen abverlangt.

Für mögliche Notfälle

sensibilisiert

„Das Ziel dieser Übung ist es, die angehenden Seenotretter mit ihren vorhandenen Materialien vertraut zu machen, sie selbst für mögliche Notfälle zu sensibilisieren und vorzubereiten und das Gefühl zu vermitteln, welche Erfahrungen Schiffbrüchige gemacht haben könnten. Nach der nur einstündigen Übung kann man sich sehr gut in diese Lage hineinversetzen und den Geretteten auch psychologisch besser zur Seite stehen“, beschreibt Trütgen das Ausbildungsziel, das nur eines von vielen praktischen Übungen darstellt.

Übungen auf dem offenen Meer

Ähnliche Erfahrungen sammelten die angehenden Seenotretter zuvor bereits in einem offenen Rettungsfloß in der Ostsee. Mit Überlebensanzügen ausgestattet mussten dort in zwei Stunden verschiedene Übungen auf dem offenen Meer bewältigt werden. Die Rettung erfolgte durch die Ausbildungsschiffe „Siegfried Boysen“ und der „Eduard Nebelthau“, beides altersbedingt außer Dienst gestellte Seenotrettungboote, sowie dem Seenotkreuzer „Hans Hackmack“ und dessen Tochterboot „Emmi“ der DGzRS. Weitere Bestandteile der Seenotretter-Grundausbildung im „Sicherheitslehrgang“ sind die Arbeitssicherheit beim Umgang mit Leinen, Grundlagen der Brandbekämpfung sowie der Schadensabwehr und Leckabdichtung, der fachgerechte Einsatz pyrotechnischer Signalmittel mit Sachkundeprüfung und das Abbergen von Verletzten von Schiffen unter Einsatz der auf den Seenotrettungsbooten und -kreuzern vorhandenen Schaufeltragen und Bordtragen. Mit „Abbergen“ bezeichnen die Seenotretter das, was Landretter gemeinhin als „Rettung“ bezeichnen. Vor jeder praktischen Übung gibt es eine gründliche theoretische Unterweisung. Insgesamt dauert der Sicherheitslehrgang, der zusammen mit einem erweiterten Erste Hilfe-Kurs die Grundausbildung aller Seenotretter der DGzRS darstellt, fünf Tage. Die Inhalte entsprechen den internationalen Standards der International Maritime Rescue Federation (IMRF).

Lehrkräfte sind

als Freiwillige tätig

Die Lehrkräfte der DGzRS-Ausbildungsstation Neustadt sind durchweg pensionierte Marinesoldaten unterschiedlichster Fachbereiche und als Freiwillige tätig. Die jahrelange Berufserfahrung jedes einzelnen Ausbilders sichert die fachliche Qualität und den Praxisbezug der Ausbildung. Die realitätsnahen Übungsmöglichkeiten im benachbarten EASZ der Marine runden den Ausbildungsumfang ab. Dadurch können die rund 800 freiwilligen und 180 festangestellten Seenotretter bestmöglichst auf ihre Aufgaben vorbereitet werden.

Die DGzRS finanziert ihre Arbeit, dazu gehört auch der Betrieb der Ausbildungsstation, ausschließlich durch Spenden und Mitgliedsbeiträge. Als Havarist oder Schiffbrüchiger in den Gewässern der deutschen Nord- und Ostsee kann man froh sein, wenn am Horizont die orange-weißen Rettungsboote oder -kreuzer der Seenotretter erscheinen: Dann ist qualifizierte und fachgerechte Hilfe garantiert.

Wer die Seenotretter mit einer Spende unterstützen möchte, findet vielfältige Spendeninformationen auf der Internetseite der Seenotretter unter www.seenotretter.de. Möglich sind Fördermitgliedschaften, Einzelspenden und auch die gezielte Finanzierung einzelner Ausrüstungsgegenstände.