Naturfreunde fordern ein Verbot von Neonikotinoid-Insektiziden

Insektensterben nimmtbedrohliche Ausmaße an

Region. Es kann keinen Zweifel mehr geben, dass das „Insektensterben“ von großer Tragweite ist, für die Landwirtschaft, für die Ökosysteme und die Biodiversität im Land, und nicht zuletzt für alle, die sich einen Frühling ohne Schmetterlinge nicht vorstellen können.

Fakt ist ein Rückgang von Insekten und insektenfressenden Wirbeltieren in Deutschland. Wir setzen uns daher gegen die Wiederzulassung der drei Neonikotinoid- Insektizide Clothianidin, Imidacloprid und Thiamethoxam, die im Januar bei der EU-Kommission geprüft wurden ein. Aus Sicht zahlreicher kompetenter Wissenschaftler sind die zuvor genannten Insektizide ein wesentlicher Grund für den derzeitigen alarmierenden Rückgang vieler Insektenarten. Es wurde festgestellt, dass in Deutschland und anderen Ländern binnen weniger Jahre ein erheblicher Einbruch in den Populationen zahlreicher Insektenarten zu verzeichnen ist. Das betrifft Blüten besuchende wie auch andere Arten der verschiedensten Insektengruppen, am auffälligsten wohl die Honigbiene. Viele Naturschutzverbände rechnen mit Einbußen von bis zu 80 Prozent der Biomasse an Insekten in den letzten Jahren. Als Hauptgrund für dieses „Verschwinden“ wird jeweils der Einsatz von systemischen Insektiziden vermutet. Diese Stoffe wirken auf das Nervensystem und somit auf den Orientierungssinn und das Verhalten von Insekten und anderen Gliedertieren. Darüber hinaus weisen diese Stoffe lange Halbwertszeiten auf - je nach Umweltbedingungen bis zu mehreren Jahren - wodurch sie im Boden wie auch im Grundwasser persistieren und wirksam bleiben.

Dem Rückgang der Artenvielfalt liegt natürlich noch ein ganzes Bündel anderer Ursachen zugrunde, wie Landschaftsverbrauch, Monotonisierung und „Ausräumung“ der Landschaft, Intensivierung der Land- und Forstwirtschaft, großflächiger Einsatz von Herbiziden, Stickstoffeinträge, Klimaveränderung und zunehmende Luft- und Lichtverschmutzung. .

Dieser Prozess verläuft bereits seit vielen Jahren und ist am deutlichsten am Verschwinden der Vögel der Agrarlandschaft sichtbar. Der 2012 abrupt und vielerorts beobachtete starke Rückgang bei nahezu allen bestäubenden und vielen anderen Insektenarten im Südwesten steht aber offensichtlich in direktem Zusammenhang mit der Aussaat von Neonikotinoid-gebeiztem Maissaatgut. Von diesem massiven Rückgang der Insekten sind nicht allein die Honigbiene und auch nicht ausschließlich landwirtschaftliche Flächen betroffen, vielmehr sind seither auch in weniger intensiv genutzten Bereichen im Oberrheingebiet, namentlich auch im Kaiserstuhl, zahlreiche Insektenarten weitgehend ausgefallen. Viele bisher häufige Arten sind auf geringere Individuenzahlen reduziert, während die schon immer recht seltenen Besonderheiten der hiesigen Insektenfauna seit 2012 kaum noch auffindbar sind; für einen Teil dieser Arten trägt das Land Baden-Württemberg eine besondere Verantwortung.

Massiver Rückgang der

Artenvielfalt auch bei Vögeln

Obwohl der Einsatz von drei Neonikotinoid-Wirkstoffen seit 2013 einstweilig verboten wurde, hat sich die bedrohliche Situation wegen der Langlebigkeit und des Vordringens der Neonikotinoide über Luft und Wasser in weitere Biotopbereiche sogar noch zugespitzt. Damit einhergehend wird außerdem ein nicht minder drastischer und Rückgang an insektenfressenden Wirbeltieren, insbesondere an bestimmten Vogelarten, wissenschaftlich nachgewiesen und von vielen Menschen beobachtet.

Das Insektensterben findet dennoch von breiten Kreisen der Bevölkerung unbemerkt statt. Vielleicht fällt es Autofahrern mit gutem Gedächtnis auf, wenn nach längerer Autobahnfahrt die Windschutzscheibe – im Gegensatz zu früheren Jahren – fast insektenfrei ist. Für aufmerksame Naturbeobachter wird dies auch am Ausbleiben des früheren Gewimmels und Gesummes von vielen Insekten auf blühenden Sträuchern im Frühjahr offensichtlich. Nicht zuletzt fällt den mit der Kartierung von Insektenarten beauftragten Fachleuten an der Leere ihrer Netze, Klopfschirme und Fallen die Veränderung auf. Die bemerkenswert große Artenvielfalt und Insektenfülle, die am südlichen Oberrhein noch vor 15 Jahren dokumentiert wurde, ist augenscheinlich seither stark zurückgegangen.

Als mittel- bis langfristige Folgen bei einem weitgehenden Ausfall der Blütenbestäuber würden sich für die Landwirtschaft enorme Einbußen ergeben, da in Europa etwa 80 Prozent der Ernte von Bestäubern abhängig sind. Darüber hinaus kommt es in der gesamten naturnahen Umwelt zu weiteren schweren Beeinträchtigungen des ohnehin gestörten Gleichgewichts.

Forderungen

der Naturfreunde

Die Insektenwelt ist schon jetzt so weitgehend dezimiert, dass es wahrscheinlich Jahre, wenn nicht Jahrzehnte brauchen wird, bis ihre Vielfalt wieder einigermaßen hergestellt ist. Wir fordern daher die folgenden Vorschläge und Lösungen zu unterstützen und schnellst möglich umzusetzen:

Ein vollständiges und dauerhaftes Verbot der Neonikotinoide in der Europäischen Union.

Die alsbaldige Einführung eines landes- und bundesweiten Langzeit-Monitorings wichtiger Zeigergruppen von Insekten und Insektenfressern. Zu fordern sind auch systematische Rückstandsuntersuchungen auf Neonikotinoide in Böden, Gewässern, Pflanzen und Insekten.

Unterstützung der Einrichtung eines unabhängigen Forschungszentrums mit der Aufgabe, alle Ursachen für den aktuell zu beobachtenden Rückgang der Insektenpopulationen zu ergründen und Schutzkonzepte zu entwickeln. Dazu gehört auch die Erfassung und Auswertung von entsprechenden Untersuchungen, Beobachtungen und Konsequenzen im In- und Ausland. Die längerfristige Förderung von Öffentlichkeitsarbeit zur Stärkung des allgemeinen Problembewusstseins über die weitreichenden Konsequenzen des Insektensterbens.

Noch ist es nicht zu spät, die Artenvielfalt der Insektenwelt und damit die Vielfalt und das Gleichgewicht der naturnahen Umwelt in Deutschland und Europa zu stabilisieren - doch allerhöchste Zeit, wenn es demnächst zur Abstimmung über eine mögliche Wiederzulassung der hochproblematischen Neonikotinoide kommt. Eine falsche Entscheidung hierbei könnte verheerende Folgen haben und wäre unvereinbar mit allen Vorstellungen von Nachhaltigkeit und umweltgerechter Landwirtschaft.

Die Wiederzulassung der gefährlichen Neonikotinoide muss mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln verhindert werden. (Quelle: Freiburger Entomologischer Arbeitskreis).

Pressemitteilung der

NaturfreundeKettig