Turmgespräch mit Elmar Scheuren

Kronprinz im Rheinland: „matt vor Seligkeit“

Buchvorstellung des Heimatmuseums zur neuen Ausstellung beleuchten Rheinromantik, Politik und Landschaft

29.05.2016 - 09:00

Sinzig. Um „Rheinromantik, Politik und Landschaft“ ging es beim jüngsten Turmgespräch im Schloss. Die Besucher dürfte es nicht gereut haben. Denn mit Elmar Scheuren, Leiter des Siebengebirgsmuseums Königswinter, war es dem Verein zur Förderung der Denkmalpflege und des Heimatmuseums gelungen, einen ausgewiesenen Kenner der Materie als Referenten zu gewinnen. Im Anschluss an den Vortrag gab Museumsleiterin Agnes Menacher eine kurze Einführung zum Katalog „Malerisch und Monumental - Rheinische Motive zwischen Hammerstein und Drachenfels“. Das Buch war druckfrisch zur gleichnamigen Ausstellung eingetroffen, welche drei Tage darauf, am Sonntag, dem Internationalen Museumstag, eröffnete.

Scheuren bot nicht nur im Schloss spannende Einsichten in Prozesse politischer Umdeutung von Landschaft. Er hatte das Thema zudem in seinem Katalogbeitrag aufgegriffen. Auch da zeigt er unter anderem auf, wie es die preußischen Könige verstanden, die Begeisterung für die Rheinlandschaft, zu der das romantische Mittelrheintal seit 1822 als Bestandteil der Preußischen Rheinprovinz gehörte, propagandistisch zu nutzen. Der Rhein wurde zum nationalen Symbol stilisiert. Menacher: „Der ‚Schicksalsstrom‘ der Deutschen sollte durch Bauten von nationaler Bedeutung zum Inbegriff nationaler Identifikation unter preußischer Hoheit werden.“


„Dramatisierte Landschaft“


Um zunächst „die wichtigsten Zutaten“ einer romantischen Landschaft darzulegen, begann Scheuren das Turmgespräch mit einem Stich des Drachenfelsens von 1828. Er konnte als ein Paradebeispiel für „dramatisierte Landschaft“ gelten. Blitz und Donner gehen nieder und der Blick schwenkt von der Höhe in Richtung Rhein. Am Rhein boten sich Burgen, Ruinen, Vegetation und Bodenrelief in kontrastreicher Ausprägung dem romantischen Landschaftsempfinden an.

Der Universitätsprofessor Ernst Moritz Arndt nutzte gezielt die neue Sensibilisierung für die Erscheinungsformen der Region, die sich um 1800 durchsetzte, um sie mit politischen Inhalten zu verknüpfen.

Er war der gefeierte Wortführer, wenn es darum ging, den Strom ideologisch zu vereinnahmen. Von Patriotismus und Franzosenhass getrieben, verfasste er 1813 am Ende der napoleonischen Vorherrschaft die antifranzösische Kampfschrift: „Der Rhein, Teutschlands Strom, aber nicht seine Gränze“.

Als „Kristallisationspunkt“ der Politisierung beleuchtete Scheuren den Drachenfels. Im Oktober 1814 wurde dort am Jahrestag des „Völkerschlacht“-Siegs bei Leipzig ein Denkmal errichtet, um an eine Bürgerwehr des Siebengebirges zu erinnern. Die hatte erfolglos einen Vorstoß über den Rhein erprobt.

Obgleich militärisch unbedeutend und verlustreich, kam das Ereignis gelegen, um den Untergang der Herrschaft Napoleons zu feiern.

Der 18. Oktober 1814 war landesweit für die „Völkerschlacht“-Siegesfeiern auserkoren. Am Rhein brannten vielfach nächtliche Höhenfeuer. Und inmitten dieser heroisch flackernden Szenarien verankerte die Königswinterer Initiative geschickt ihre Denkmalenthüllung. Als das Denkmal zerbröselte, abgetragen und Jahrzehnte später neu aufgebaut wurde, verschob sich die Würdigung 1857 zugunsten des Preußenreichs.

Denn der König selbst, Friedrich Wilhelm IV, erschien in der Inschrift als Unterstützer. Darüber hinaus war seine Bitte erhört worden, die Namen der Bürgerwehr-Helden bei der Neufassung wegzulassen.


Früher Landschaftsschutz


Schon als Kronprinz hatte Friedrich Wilhelm verzückt den Rhein bereist. Seiner Schwester schrieb er von „tausend göttlichen Burgen“ und „ich war matt vor Seligkeit“. Seine Begeisterung ließ ihn Schloss Stolzenfels wiederherstellen und als Monarch förderte er die Fertigstellung des Kölner Doms. Dass dafür zum Steinabbau die Burgruine auf dem Drachenfels fallen sollte, wusste er allerdings zu verhindern, für Scheuren ein frühes Beispiel von Landschaftsschutz. Der Redner führte auch überdimensionierte Denkmale an, „die zum Glück nicht gebaut wurden“, so das im Dreikaiserjahr 1888 für die Rheinprovinz zentral geplante Kaiserdenkmal im Bereich Siebengebirge oder ein Bismarck-Denkmal auf der Erpeler Ley.

Eine künstlerische Verneigung vor der preußischen Herrschaft illustrierte der Referent anhand der 1865 bis 1868 gedruckten Ansichtenmappe von Caspar Scheuren. Im Katalog schreibt er: „Schon der Titel der Mappe: ‚Landschaft, Sage, Geschichte und Monumentales der Rheinprovinz‘ bringt programmatisch die damit verfolgte Absicht zum Ausdruck, Tradition und politische Aktualität miteinander in Einklang zu bringen.“ Der Künstler Scheuren verfuhr mit seinen große Farblithografien wie mit einem Setzkasten, in dem er zwischen Ranken und architektonischen Rahmungen landschaftliche und mythische Bauelemente anordnete. Neben solchen typisch rheinromantischen Motiven berücksichtigte er auch technische Errungenschaften, so auf dem Blatt „Siebengebirge“ den fertiggestellten Bahnhof Rolandseck.

Karl-Friedrich Amendt, Vorsitzender des Denkmalvereins, sprach Elmar Scheuren vor vollen Reihen im Kultursaal des Schloss seine Anerkennung aus. Dann war es an Agnes Menacher dem Verein zu danken, der die vom Heimatmuseum herausgegebene Schrift „Malerisch und Monumental - Rheinische Motive zwischen Hammerstein und Drachenfels“ finanziert hat. Außer Scheuren haben weitere Autoren Aufsätze dafür geliefert. Hildegard Ginzler beschreibt rheinromantische Motive insbesondere im Spiegel der Druckgrafik als „Bilder und Sinnbilder einer Landschaft“. Rudolf Menacher widmet sich den Druckverfahren und übernahm das Lektorat. Stephan Pauly fokussierte die „Stadt Sinzig und die Pfarrkirche Sankt Peter in der grafischen Darstellung“.

Museumsleiterin Agnes Menacher, die das Vorwort schrieb, sagte allen Beteiligten, die zum Gelingen des Katalogs beigetragen haben Dank. Bis auf eine Ausnahme umfasst das reich bebilderte 112-Seiten-Buch sämtliche Darstellungen des grafischen Museumsbestandes plus der Leihgaben für die Ausstellung. Es ist erhältlich im Museum, beim Sinziger Buchhandel und bei der Touristinformation.

HG

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