Psychosoziale Belastungen am Arbeitsplatz standen im Mittelpunkt

Lifestyle oder Krankheit?

Lifestyle oder Krankheit?

Auch die Mitwirkenden nutzten die Gelegenheit, sich an den Ständen zu informieren: Erster Kreisbeigeordneter Achim Hallerbach, die Referenten Dr. Marius Poersch und Prof. Dr. Jörg Degenhardt sowie das Organisationsteam Rita Hoffmann-Roth, Dr. Ulrich Kettler und Doris Eyl-Müller (v.l.).

Kreis Neuwied. Bereits zum dritten Mal stand das Thema „Psychosoziale Belastungen am Arbeitsplatz“ im Mittelpunkt der Neuwieder Gesundheitskonferenz des Landkreises Neuwied. 180 Interessierte waren der Einladung gefolgt, um sich in der Volkshochschule Neuwied über die bewusst provokante Frage „Psychosoziale Belastungen – Lifestyle oder Krankheit?“ zu informieren und gemeinsam zu diskutieren.

In seiner Begrüßung führte der Erste Kreisbeigeordnete Achim Hallerbach aus, dass aufgrund des gesellschaftlichen Wandels insbesondere psychische Belastungen am Arbeitsplatz zunehmen. Doch nicht nur die objektiven Belastungen, sondern auch unser Verständnis von Gesundheit und Krankheit unterliegen dem Wandel. „Dies hat Konsequenzen für jeden einzelnen Arbeitnehmer und jeder einzelnen Arbeitnehmerin“, so Gesundheitsdezernent Achim Hallerbach. „Es gilt, diese Zusammenhänge zu verstehen und persönliche Konsequenzen für die eigene Gesundheit zu ziehen.“ Die Gesundheitskonferenz soll dazu beitragen, diese Veränderungen aufzuzeigen, Belastungen zu verdeutlichen und Möglichkeiten der Hilfe vorzustellen.

Anstrengung und Erholung

Als erster Hauptreferent ging Dr. Marius Poersch, Oberarzt der von Ehrenwall’schen Klinik in Ahrweiler und Geschäftsführer des Instituts für Erwerbscoaching auf die Frage zur Konstruktion von Krankheit und Gesundheit im gesellschaftlichen Wandel ein. Er führte aus, wie sich im Laufe der Jahrzehnte die Behandlung von Krankheiten von einer pathologischen Behandlung über eine salutogenetischen Förderung und Behandlung hin zu einer Partizipation für demokratische Teilhabe entwickelt hat. Für den Lebensbereich Arbeit bedeutet dies, dass seinerzeit zunächst die gesetzliche Unfallversicherung und die Unfallkassen eingeführt wurden. Später folgten dann Präventionsangebote durch die Krankenkassen. Heute wird das individuelle Engagement gefördert, um zur Unternehmensgesundheit beizutragen. Sehr anschaulich konnte Poersch ausführen, dass mittlerweile Unmengen von Gesundheitsdaten gesammelt, jedoch keine Teilhabe an der Planung, Auswertung und Nutzung dieser Daten möglich sei. Völlig offen ist bislang noch, welche Auswirkungen es haben wird, wenn wir persönliche Daten über neue „smarte“ Kleidung und sonstige Hilfsmittel bedenkenlos sammeln, aber die Auswertung anderen überlassen. Schließlich zeigt der Referent auf, mit welchen Mustern unterschiedliche Arbeitsweisen wie beispielsweise „Dienst nach Vorschrift“ oder gar „Kontraproduktives Arbeiten“ verbunden sein können. Für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer steht zur Erhaltung der psychosozialen Gesundheit das Prinzip der Achtsamkeit und des Selbstmanagements im Mittelpunkt. Ziel ist es dabei, mit Methoden zur Regulierung der eigenen Balance von Anstrengung (Engagement) und Erholung (Muse) zu erlernen.

Burnout und Depression

Im zweiten Hauptreferat ging Professor Jörg Degenhardt, Chefarzt des Marienhaus-Klinikums St. Antonius Waldbreitbach und niedergelassener Psychotherapeut, der Frage nach: „Burnout – die verdeckte Depression?“. In seinen anschaulichen Ausführungen unterstrich Degenhardt, dass es sich beim Burnout-Syndrom nicht um eine nach dem Internationalen Klassifizierungsschlüssel ICD-10 anerkannte psychische Erkrankung handelt. Typisch für das Burnout-Syndrom sind fehlende Ressourcen, Zynismus und Distanziertheit sowie das Gefühl der Wirkungslosigkeit und verminderten Leistungsfähigkeit. Arbeitsverdichtung, Minderung der Selbstregulation und Verkleinerung des Entscheidungsspielraumes stellen eine Hauptursache des Burnout-Syndroms dar: „Ohne zu Steuern ist der Einzelne ohne Macht, das macht Ohnmacht“, erläuterte Professor Degenhardt.

Im weiteren Teil seines Vortrages wurden die typischen Symptome einer depressiven Episode erläutert. Hierzu zählen beispielsweise der Verlust der Freude an normalen angenehmen Aktivitäten oder auch ein deutlicher Appetit- und Gewichtsverlust. Anhand seiner Ausführung wurde deutlich, dass die Symptome einer Depression ähnlich sind bzw. zum Teil denen des Bournout-Syndroms gleichen. Die Störung des Burnouts kann vom Ausmaß her einer mittelschweren Depression entsprechen. Trotzdem kam Degenhardt zu dem Ergebnis „Burnout ist eine Tatsache, kein Lifestyle!“.

Rund um die Gesundheitskonferenz präsentierten eine Vielzahl von Diensten und Angeboten ihre Arbeit. Vorgestellt wurden die Lebensberatungsstelle im Bistum Trier sowie die Lebensberatungsstelle des Diakonischen Werkes, die Fortbildungsakademie der Wirtschaft, die Neuwieder Selbsthilfekontaktstelle NEKIS, der Fachdienst für Hörgeschädigte, das Selbsthilfenetzwerk gemeindenahe Psychiatrie e.V. sowie der Integrationsfachdienst des Heinrich-Hauses, der Berufsbegleitende Dienst der AWO Gemeindepsychiatrie und das Netzwerk seelische Gesundheit Rheinland-Pfalz und Saarland (ivita).

Die Neuwieder Gesundheitskonferenzen zum Thema „Psychosoziale Belastungen am Arbeitsplatz“ werden im März 2017 fortgesetzt. Die Präsentationen von Professor Degenhardt und Dr. Poersch sind im Internet unter www.psychiatrie-neuwied.de einsehbar.