Projekt „Stratosphärenballon“ der Forscher AG des Megina Gymnasiums Mayen
Mehrtägige Odyssee von Mayen nach Biblis
Schüler sammeln Bilder und Daten aus der Stratosphäre sowie jede Menge Erfahrung im Umgang mit Menschen
Mayen. Nach dreimonatiger Forschung war es endlich soweit. Der Starttermin für den Stratosphärenballon der Forscher-AG des Megina Gymnasiums Mayen stand endlich fest. Es sollte Mittwoch, der 6. Juli 2016 um 9 Uhr sein. Alle Experimente waren vorbereitet. Die jungen Forscher wollen den Ballon auf 35 Kilometer Höhe steigen lassen und auf dem Weg dorthin mit drei Kameras Videoaufnahmen machen sowie die Temperatur, die Luftfeuchte und den Druck messen.
Dazu hat der Ballon drei Raspberry Pi Minicomputer mit je einer Kamera und und einem 64 GB USB Stick an Bord. Ein 5,8 Ghz Sender soll das Bild der Kamera, die nach unten schaut, live übertragen. Dazu hatten die Schüler bereits im Vorfeld einen Reichweitentest über fünf Kilometer gemacht.
Die Genehmigungen seitens der Stadt über den Startplatz Marktplatz waren eingeholt. Die Presse war informiert und hatte das Ereignis auch schon in den Medien verbreitet. Das Helium stand auch schon bereit.
Zwei Meter großer Wetter- ballon startet auf Mayener Marktplatz
Am Vorabend kam die Genehmigung des Landesbetriebs Mobiliät für den Start, aber erst um 10 Uhr. Die Projektteilnehmer bauten den Versuch um 8:30 schon auf und freuten sich über die vielen Fragen der Schaulustigen. Nicht alle Tage sieht man einen Wetterballon von zwei Metern Größe auf dem Marktplatz und – soweit die Schüler wissen – wurde noch nie in Mayen einen derartigen Versuch gestartet.
Alle Test waren abgeschlossen, das Go kam um 10 Uhr. Trotz leichtem Seitenwind und leider bei recht starker Bewölkung stieg der Ballon schnell in die Luft. Eine Drohne der Rhein Zeitung kam fast nicht mehr hinterher. Damit begann für die Schülergruppe eine mehrtägige Odyssee von Mayen nach Worms / Viernheim und Biblis. Die Berechnungen ergaben, dass dort der Ballon an seinem Fallschirm wieder zur Erde zurückkehren wird. Eine Landung in einem der vier Kühltürme dort wurde auch schon scherzhalber erwähnt.
Dank eingebauten GPS-Tracker sollte die Nutzlast sicher schnell gefunden sein, dachten die Schüler. Doch es kam ganz anders. Der GPS-Tracker stellte während des Fluges seine Positionsdatensendung ein und so wusste man nicht, wo der Ballon sich befand.
Das letzte GPS-Signal kam von einem Funkmast in der Nähe von Biblis und die jungen Forscher dachten, dass er noch etwas weiterfliegen würde. Deshalb fuhren sie nach Wörstadt und stärkten sich dort auf einem Parkplatz. Plötzlich meinten sie, den Fallschirm in Richtung Viernheimer Heide fliegen zu stehen und machten sich auf die Suche. Dies erwies sich als schwierig, denn die Heide war früher ein Truppenübungsgelände der Amerikaner und Deutschen und weiträumig gesperrt. Schlecht gelaunt fuhr die Gruppe nach Mayen zurück, ohne die Nutzlast gefunden zu haben.
Forstbehörden helfen bei der Suche
Am nächsten Tag baten die Schüler die dortigen Forstbehörden um Hilfe und erhielten einen Schlüssel, um alle Schranken zu öffnen. Sie hatten bereits eine Idee, welche Route der Ballon geflogen wäre und wollten nun den Wald durchsuchen. Am Anfang war der Wald noch recht licht und die Suche einfach, doch dann erreichten sie eine Aufforstung mit Nadelwald und schnell erhielt die gute Stimmung einen Dämpfer. Nach fünf Stunden Suche bei 30 Grad im Wald hatten die Schüler keine weitere Lust mehr und außer Zecken auch noch Blasen an den Füßen. Auch an diesem Tag fuhr man ohne Nutzlast nach Mayen zurück.
Tags darauf wurden mehrere Zeitungsartikel und ein Facebookaufruf veröffentlicht und die Forscher AG erhielt einen Anruf aus der Nähe des Segelflugplatzes Weinheim, wo jemand einen roten Fallschirm hat fallen gesehen. Also fuhren sie nochmals dorthin, trafen sich mit dem Informanten und wurden von ihm eingewiesen, wo sie zu suchen hätten. Doch dort traf man auf über zwei Meter hohe Maisfelder – keine Chance irgendwas zu sehen.
Also entschlossen die Schüler sich mit einem Quadkopter und Kamera zu suchen. Doch da mittlerweile schon der Präsentationstag vor der Tür stand, konnten die Schüler erst am Dienstag nochmals in die Gegend fahren und Wald und Maisfelder absuchen. Doch auch dieses Mal hatten sie keinen Erfolg. Ein weiterer Informant war ein Mountainbiker vom Melibokus, der anbot, zusammen mit seinen Kollegen die Gegend nochmals abzusuchen. Ein Anruf einer netten Dame sollte die Wende bringen, Sie hätte „sowas“ auf ihren Gartenmöbeln gefunden. Sie hatte den Aufruf in der Zeitung gelesen. Leider wäre das Objekt etwas „verbrannt“. Das war schon merkwürdig. Würde es doch bedeuten, dass die Nutzlast eventuell wegen der Höhe angefangen hat zu brennen?
Eine Begutachtung des Objekts zeigte jede Menge Brandspuren, aber es war ein Lampion, nicht die Nutzlast. Da die Schüler ja nun auch schon den Quadkopter hatten, wurde das Hausdach der Dame nochmals damit abgesucht. Ein Riesenspaß für die ganze Nachbarschaft, die die Dame schon alarmiert hatte, weil die Ballonsucher bei ihr vorbeikommen würden. Weitere Sichtungen betrafen einen Badesee nördlich von Viernheim, aber alle waren ein klein wenig außerhalb der geplanten Ballonroute.
Live-Interview beim Hessischen Rundfunk
Am gleichen Tag kam eine Anfrage vom Hessischen Rundfunk für ein Live-Interview im Fernsehen bei „Alle Wetter“. Dort sollte der Suchaufruf nochmals gestartet werden, doch dazu kam es dann doch nicht mehr. Am Mittwochmorgen rief Frau Werner aus Biblis an und meldete den Fund des Ballons. Per Ferndiagnose konnte eindeutig bestimmt werden, dass es sich um die Nutzlast handelte. Die Schüler brachen sofort in Jubel aus. Herr Sexauer, der sich wie zufällig nur 100 Kilometer weiter südlich befand, erklärte sich sofort bereit, das Objekt der Begierde mit nach Mayen zu bringen. Eine erste Untersuchung zeigte dann, dass nur Teile der Daten und Videos verwertbar sind. Das Fernsehinterview fand dann trotzdem statt und die jungen forscher konnten von einem freudigen Ende des Projektes berichten und auch schon die ersten Bilder zeigen.
Ballon erreichte eine Höhe von 34 Kilometern
Die komplette Auswertung wird nach den Ferien durch die Schüler der Forscher AG stattfinden. So viel sei jedoch schon gesagt: Der Ballon erreichte eine Höhe von 34 Kilometern.
Die Schüler der Forscher AG möchten sich nochmals recht herzlich bei allen Informanten bedanken. Ein großes Dankeschön geht an Herrn Visser, Herrn Sexauer, Herrn Stoll-Berberich, die Medien, die Forstverwaltung Viernheim, die Forstarbeiter in Viernheim, die Arbeiter an der Stromtrasse für die Bahn in Viernheim und das Wasserwerk Viernheim.
Ein großes Dankeschön an die Finderin
Der ganz besondere Dank der Schüler gilt jedoch der ehrlichen Finderin, Frau Werner aus Biblis.
Was den jungen Forschern bleibt, sind erstmals die Bilder aus der Stratosphäre, die noch auszuwertenden Daten und jede Menge Erfahrung im Umgang mit Behörden, Menschen auf der Straße oder im Wald.
Ein Projekt, das jede Menge Spaß gemacht hat, auch wenn es am Anfang gar nicht so aussah.
Thomas Leister