Gastspiel des Hover Septetts in Andernach

Mystisch und transzendent – armenische Sänger vermittelten Tradition ihres Volkes

Mystisch und transzendent – armenische Sänger vermittelten Tradition ihres Volkes

Mystisch und transzendent – armenische Sänger vermittelten Tradition ihres Volkes

Andernach. „RheinVokal“ – eine Marke, die für den Facettenreichtum des Gesangs steht. Seit 2005 findet unter diesem Namen jährlich ein internationales Festival am Mittelrhein statt. Solisten und Ensembles gastieren in den Sommermonaten in bedeutenden historischen Spielstätten der Region, so auch in der hochgotischen Andernacher Christuskirche. Dort erwarteten die Musikfreunde in der vergangenen Woche eigentlich rund dreißig Frauen- und Männerstimmen des bekannten und vielfach ausgezeichneten „Hover“ State Chamber Choir. Auf Grund von Reisebeschränkungen konnte jedoch „nur“ eine siebenköpfige Abordnung herausragender Tenöre und Bassisten des staatlichen armenischen Kammerchors anreisen: das Hover Septett.

Hörbares und

fühlbares Leid eines Volkes

„Danke Deutschland – 2. Juni 2016“, war auf einem unübersehbaren Aufsteller im Chorraum zu lesen. Die „Stimmen Armeniens“, so der Titel der Veranstaltung, verschafften sich nämlich zwei Monate nach der Armenien-Resolution des Deutschen Bundestags musikalisch Gehör. Über 200 Konzertbesucher aus nah und fern erlebten die einfühlsamen Vokal-Darbietungen der sieben Musiker. Es schien, als klänge auch etwas vom Leid des armenischen Volkes in den Ohren, als wäre der Raum erfüllt von Stimmen, die die vielen Tragödien im Herzen der kleinen Nation in die Welt tragen, sie geradezu heraussingen. Mit jedem Ton bekannte sich das Ensemble zum Glauben und zur Geschichte seines Landes, das im Bergland zwischen Georgien, Aserbaidschan, dem Iran und der Türkei liegt.

Der Binnenstaat entspricht heute nur noch dem nordöstlichen Teil des ehemals viel größeren armenischen Siedlungsgebiets, das jedoch in der wechselvollen Geschichte Armeniens nur selten ein vereintes Reich war.

Armenische Liturgie:

Geheimnisvoll anders

Am Anfang des Abends stand ein einstimmig intonierter armenisch-liturgischer Morgenhymnus, dann zogen die Musiker aus Jerewan, beste Sänger ihres Landes, das Auditorium mit einem Auszug aus Komitas „Heiliger Liturgie der Heiligen Armenisch-Apostolischen Kirche“ in den Bann. Komitas Vardapet, der als armenischer Mönch, Ethno-Musikologe und Komponist im Jahre 1915 zu den ersten Verschleppten des Genozids zählte und nur als gebrochene Seele überlebte, wurde zum Symbol der nationalen Tragödie. Das Vokalensemble des Staatlichen Kammerchors Armeniens vermittelte eindrucksvoll die mystische Transzendenz der „Heiligen Liturgie“, die in der armenischen Volkskultur der einfachen Menschen und im Ritualismus des östlichen Christentums verwurzelt ist. Offenherzig, glühend und ehrfürchtig vermittelte sich den Zuhörern diese Form der musikalischen Verehrung, als Spiegel der armenisch christlichen Lehre. Auf Instrumentalbegleitung verzichtend, erfüllte der sonore Klangkörper der drei Tenöre und vier Bassisten die zweischiffige Christuskirche. Mancher Zuhörer schloss die Augen, ließ sich tragen vom kontemplativen Melodienfluss, öffnete sich einer fremden Welt. Die Bedeutung des englischen Wortes „hover“ (schweben) erschloss sich so.

Vertontes Landleben

Auch die meisten armenischen Volkslieder wurden von Komitas Vardapet (1869–1935) gesammelt. Das Hover Septett bot einen Reigen spätromantischer, archaischer und dörflicher Arbeits- und Liebeslieder dar. Im weiteren Programmverlauf ergänzten die geistliche Musik des polnischen Katholiken Krzysztof Penderecki (*1933) und zeitgenössische Werke des estnischen Mönchs Arvo Pärt (*1935) sowie des jungen armenischen Komponisten Artur Avanesov (*1980) den Spannungsbogen.

„Ashkharums agh chim kashi“ („Ich würde in dieser Welt nicht seufzen“) – das armenische Lied von Sayat-Nova, im 18. Jahrhundert der größte Sänger und Liederdichter in der Kaukasus-Region, brachte zum Abschluss noch einmal das absolute Gottvertrauen der armenischen Christen zum Ausdruck. Vielleicht beispielgebend in einer Welt, in der es so manchem zum „Seufzen“ zumute ist.

Das Hover Septett gastierte in Andernach mit Liparit Avetisyan, Artur Manukyan, Edgar Varosyan (Tenor) sowie Areg Ghahramanyan, Vahagn Babloyan und Kim Sarg. Mit langanhaltendem, herzlichen und zum Teil stehenden Applaus dankte das Publikum den armenischen Künstlern für ein Chorkonzert der besonderen Art, das nochmals in einer Aufzeichnung des SWR2 am 5. November 2016 ab 19.05 Uhr zu hören ist.