Informationsveranstaltung zu geplanter Ultranet-Trasse im Westerwald

„Ruhe und Besonnenheit bewahren“

05.09.2016 - 10:38

Neuhäusel. Der Ausbau von regenerativen Energien wird in Deutschland unaufhaltsam vorangetrieben. Neue Stromtrassen müssen entstehen, um eine ausreichende Energieversorgung in Deutschland zu gewährleisten. Derzeit entrüstet die Erweiterung einer bestehenden Stromtrasse, innerhalb der Verbandsgemeinde Montabaur viele Bürger in den Augst- und Buchfinken-Gemeinden, sie fürchten um ihre Gesundheit. Die Leitung transportierte bislang Wechselstrom, doch künftig soll sie auch als Strom-Autobahn mit einer Gleichstromversorgung genutzt werden. Während einer Informationsveranstaltung in der Augsthalle in Neuhäusel hatten Gegner und Befürworter der Stromtrasse die Gelegenheit, ihre Standpunkte deutlich zu machen.

Die Faktenlage: Bis 2022 müssen in Deutschland die Kernkraftwerke vom Netz, an flächendeckenden Energieversorgungsmöglichkeiten wird fieberhaft gearbeitet. Unter dem Namen Ultranet planen die Unternehmen Amprion und TransnetBW ein Pilotprojekt mit verlustarmer Übertragung hoher Leistungen über weite Entfernungen per Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragungstechnik (HGÜ). Auf einer Gesamtlänge von 340 Kilometern zwischen Osterath und Philippsburg sollen auf einem Großteil der Strecke die derzeitigen Mastsysteme, Wechselstromanlagen, durch Gleichstromanlagen erweitert werden. Eine solche Ausführung wird auch Hybridsystem genannt, damit soll der Bau neuer Trassen vermieden werden. Ausgangslage ist, den in der Nordsee und an Land erzeugten Windstrom von Emden über Osterath nach Philippsburg, also in den Süden Deutschlands, zu transportieren. Der Netzverknüpfungspunkt Osterath hat den Vorteil, die Versorgungssicherheit in windarmen Zeiten durch Braunkohle-Kraftwerke im Rhein-Ruhr-Gebiet sicherzustellen. Mit Ultranet soll eine Überlastung der deutschen, niederländischen und belgischen Stromnetze vermieden werden.

Eine Gleichstromverbindung kann nicht in Abschnitten, sondern nur vollständig in Betrieb, geplant ist 2021, genommen werden. Das Vorhaben wird der Bundesnetzagentur zur Prüfung vorgelegt und darf nur nach deren Genehmigung gebaut werden.

Kritiker der HGÜ bemängeln fehlende Humanstudien und Langzeitergebnisse. Die Bürger, über deren Köpfe die Leitungen in Betrieb genommen werden sollen, reagieren scharf. Sie tragen eine berechtigte Sorge um ihre Gesundheit.

Innerhalb der Verbandsgemeinde Montabaur sind die Ortschaften Eitelborn, Simmern, Neuhäusel, Hübingen, Gackenbach und Welschneudorf von dem geplanten Hybridsystem betroffen. Es haben sich Bürgerinitiativen gebildet, die den Ausbau am liebsten verhindern möchten.

Keine leichte Aufgabe für Bürgermeister Edmund Schaaf, der nicht nur als Moderator, sondern auch als Mediator zu Beginn den Appell an alle Anwesenden in der überaus gut besuchten Augsthalle, Ruhe und Besonnenheit zu bewahren, richtete.

Matthias Otte von der Bundesnetzagentur erklärte das Planungs- und Genehmigungsverfahren und verwies dabei auf die exakte Einhaltung strenger Gesetzesvorgaben und Richtlinien. Der Ausbau unterliegt dem Netzausbaubeschleunigungsgesetz (NABEG). Bundesweit besteht ein Bedarf von 6100 Leitungskilometern, die sich in etwa hälftig in den Neubau und Erweiterung teilen.

Joèlle Boullion und Oliver Cronau von dem Unternehmen Amprion, zuständig für den Verlauf im Westerwald, erläuterten, wie die Mastsysteme umgerüstet werden sollen. In der Verbandsgemeinde Montabaur sind 40 Maste betroffen, bei 35 Maste ist eine problemlose Umrüstung möglich, 2 Maste müssen erneuert und 3 Maste erhöht werden. Eine Erdverkabelung sei im betroffenen Abschnitt nicht vorgesehen, da die Wechselstromleitungen nicht wegfallen und die benötigten Kabelgräben erhebliche Eingriffe in Natur und Landschaft darstellen würden.

Für Oliver Leuker, der federführend für die Bürgerinitiativen Eitelborn und Hübingen sprach, ist Ultranet ein Feldversuch, ein Experiment, das über „unseren“ Köpfen Durchführung finde. Er war sicher, das Bundesnetzagentur und auch Amprion sämtliche Bestimmungen, Gesetze und Richtlinien einhalten, doch damit sei längst nicht alles gut.

Warum? Die Risiken der neuen Technologien seien nicht bekannt und geforderte Mindestabstände zu Ortschaften würden durch die Erweiterung der Stromtrassen ausgehebelt, beklagte der 51-Jährige. Er berief sich dabei auf Zitate der Strahlenschutzkommission, die angesichts mangelnder Erfahrung mit HGÜ-Freilandleitung die Durchführung weiterer Forschungsprojekte und Humanstudien befürwortet. Im deutlichen Nachteil sehen sich die Bürgerinitiativen auch bei der Einhaltung der Mindestabstände. Für den Neubau einer Gleichstrom-Verbindung gelte derzeit ein Mindestabstand von 400 Metern zu geschlossener Bebauung und 200 Metern zu einzelnen Gebäuden. Bei der künftigen Nutzung der Bestandstrasse, mit Wechsel- und Gleichstrom auf einem Mast, entfallen diese Mindestabstände. Das habe zur Folge, dass beispielsweise in Eitelborn 70 Prozent der Bürger direkt im Einwirkungsbereich leben, auch die anderen Westerwaldgemeinden sind mehr oder weniger stark betroffen. Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) empfiehlt im Übrigen 600 Meter Mindestabstand. Leuker befürchtet eine erhebliche Mehrbelastung durch Ionisierung von Partikeln in der Luft (Ruß, Staub), durch die weitere erhebliche gesundheitliche Beeinträchtigungen entstehen könnten. Schlussendlich forderte er die Einstellung der Planungen und/oder alternativ eine Erdkabelverlegung.

Die Energiewende sieht Leuker damit als trojanisches Pferd und forderte vom Gesetzgeber, in andere alternative Technologien, wie Erdgasspeicher oder den verlustfreien Transport von Gasleitungen zu investieren. Süffisant berichtete er von hohen staatlichen Dividenden beim Ausbau von Stromtrassen und öffnete damit den Raum für zahlreiche Spekulationen.

Deutliche Entwarnung für die, von Leuker befürchteten, gesundheitlichen Gefahren, gab es vom unabhängigen Sachverständigen der Technischen Universität Dortmund, Prof. Dr. Christian Rehtanz. Er erläuterte den weltweiten Energiebedarf sowie die Aspekte der Feldbehandlung und zog folgendes Fazit: Potenziale von erneuerbaren Energien sind großräumig verteilt und können nur bei überregionalem Ausgleich effizient genutzt werden. Der Netzausbau ist die günstigste Alternative für Energieausgleich gegenüber Speichern und Kraftwerken und es besteht keine Gefährdung der Menschen durch Gleich- und 50-Hz-Felder innerhalb der Grenz- und Planungswerte für die Ultranet-Leitung. Die effektive Feldbelastung durch Änderung von Dreh- auf Gleichstrom sei bei Ultranet sogar geringer.

Das Fazit beruhigte indes nicht, die anschließende Diskussion zeigte die großen Ängste und Vorbehalte der Bürger gegenüber einer neuen, noch nicht hinreichend erforschten, Technologie.

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