„Tag der offenen Tür“ der Berufsbildenden Schule des Landkreises Ahrweiler

„Stärken der beruflichen Bildung sind noch nicht hinreichend bekannt“

„Stärken der beruflichen Bildung sind noch nicht hinreichend bekannt“

BBS-Schulleiterin Gundi Kontakis (4. v. li.) gab eine offizielle Pressekonferenz. G. Hoefer

„Stärken der beruflichen Bildung sind noch nicht hinreichend bekannt“

Das Handwerk steht vor großen Herausforderungen. DU

Bad Neuenahr-Ahrweiler. Seit Jahren ist der „Tag der offenen Tür“ der Berufsbildenden Schule des Landkreises Ahrweiler (BBS) die größte Veranstaltung rund um das Thema Ausbildung und berufliche Bildung/Orientierung in der Region. Auch 2018 gab es an der BBS wieder einen großen und facettenreichen Info-Markt zu erleben, der nahezu alle Bereiche beruflicher Bildung lückenlos abbildete. Im Zusammenspiel mit der Kreisverwaltung Ahrweiler, der IHK, der Bundesagentur für Arbeit und der Kreishandwerkerschaft Ahrweiler informierten sich mehrere tausend Besucherinnen und Besucher, darunter überwiegend Schüler, aber auch Eltern, Angehörige, Lehrer und Betriebsvertreter, über das vielfältige Leistungsangebot der Berufsbildenden Schule. Dabei wurde vor allem deutlich: Die Chancen auf dem Ausbildungsmarkt stehen für junge Leute heute besser, als jemals zuvor. Viele Betriebe halten intensiv Ausschau nach geeignetem Nachwuchs, das Angebot an Lehrstellen ist überaus vielfältig – und meist deutlich größer als die Nachfrage. So wendeten sich zwischen Oktober 2016 und September 2017 im Bezirk der Agentur für Arbeit Koblenz-Mayen 3.818 junge Frauen und Männer an die Berufsberatung, um sich bei der Suche nach einem Ausbildungsplatz unterstützen zu lassen. Im gleichen Zeitraum meldeten die Betriebe im Agenturbezirk – er umfasst die Stadt Koblenz und die Landkreise Mayen-Koblenz, Cochem-Zell und Ahrweiler – dem Arbeitgeberservice 4.286 Ausbildungsstellen. Ende September waren 56 junge Menschen unversorgt. Ihnen standen zu diesem Zeitpunkt noch 337 offene Lehrstellen gegenüber.

Sechs Stellen auf einen

Bewerber

Damit kamen rein rechnerisch immerhin sechs Stellen auf einen Bewerber. Trotzdem ist die Ausbildungsplatzsuche längst kein Selbstläufer. Arbeitgeber suchen und brauchen engagierten und interessierten Nachwuchs. Diese Eigenschaften setzen sie auch bei Bewerbern voraus. Wer das im Vorstellungsgespräch nicht beherzigt, geht womöglich trotz guter Ausgangslage leer aus. Und noch etwas ist für den erfolgreichen Einstieg ins Berufsleben unerlässlich: Die richtige Wahl von Ausbildungsberuf und -betrieb. Denn jede abgebrochene Lehre ist sowohl für den jungen Menschen als auch für das betroffene Unternehmen eine kleine Katastrophe. „Um diese zu verhindern gibt es bei der Arbeitsagentur mittlerweile einen ganzen Baukasten an Hilfsinstrumenten. Die sehr umfassende Assistierte Ausbildung (AsA) gehört genauso dazu, wie der Klassiker Ausbildungsbegleitende Hilfen (abH). Ergänzt werden sie durch PraeLab: das Projekt zur Prävention von Ausbildungsabbrüchen, das mit einem ausgefeilten Ansatz die Risiken für einen Ausbildungsabbruch bereits aufspürt, bevor Jugendliche und Arbeitgeber sich in einem Netz von Problemen verfangen haben, die keine andere Möglichkeit als die Trennung offen lassen“, so Patrick Stein, Bereichsleiter der Agentur für Arbeit Koblenz-Mayen. Besonders wichtig ist das Thema Information. Eine Tatsache, die auch BBS-Schulleiterin Gundi Kontakis im Rahmen der offiziellen Pressekonferenz betonte: „Tatsache ist, dass die Stärken der beruflichen Bildung immer noch nicht hinreichend bekannt sind. Wenn in Veröffentlichungen von weiterführenden Schulen die Rede ist, fehlt ganz oft die BBS. Und das ist in mehrfacher Hinsicht problematisch. Viele Eltern sind unzureichend über die vielfältigen beruflichen Angebote informiert und treffen daher oft schon nach der Grundschule ungünstige Entscheidungen für ihr Kind. An unserer großen berufsbildenden Schule mit kaufmännischer, gewerblich-technischer und hauswirtschaftlich sozialpflegerischer Ausrichtung und jeweils vielfältigen Schulformen gibt es für junge Menschen mit ganz unterschiedlichen Kompetenzen vielfältige Bildungsangebote mit guter Zukunftsperspektive. Es geht nicht nur darum, mehr Menschen direkt zum Studium zu führen, sondern auch darum, die duale Ausbildung für alle, auch für Abiturienten attraktiver zu gestalten. Wir benötigen in unserer Gesellschaft nach wie vor viele Menschen mit einer qualifizierten beruflichen Ausbildung, sowohl für Dienstleistungen, die wir alle tagtäglich in Anspruch nehmen, als auch für die Führungsebenen in Unternehmen!

„Ausdruck eines Zeitgeistes“

Dass heute die meisten Abiturienten das Studium und nicht eine berufliche Ausbildung favorisieren, ist kein Naturgesetz, sondern Ausdruck eines Zeitgeistes, der die akademische Bildung gesellschaftlich in den Vordergrund rückt. Dass dies langfristig problematische Folgen haben kann für die Gesellschaft, beginnt sich abzuzeichnen. Der drohende praxisorientierte Fachkräftemangel gefährdet direkt den Mittelstand als Rückgrat der Volkswirtschaft. Ich habe vor wenigen Tagen in einer Zeitschrift den Satz gelesen, der mir aus der Seele sprach: ´Duale Ausbildung ist aktive Wirtschaftsförderung`“, so Kontakis. Über 1.100 Jugendliche werden im Kreis Ahrweiler derzeit in mehr als 300 gewerblichen Betrieben ausgebildet. Die Lehrstellensituation hatte sich in den letzten Ausbildungsjahren rückläufig entwickelt. Nachdem im Jahr 2016 bei den neu eingetragenen Ausbildungsverhältnissen ein Rückgang von 6,7 Prozent gegenüber dem Vorjahr zu verzeichnen war, gab es im Jahr 2017 wieder ein leichtes Plus von 1,0 Prozent. 285 neue Azubis im kaufmännischen Bereich und 111 neue Ausbildungsverhältnisse in den gewerblich-technischen Berufen sind die Bilanz des abgelaufenen Jahres. Mit insgesamt 396 neu eingetragenen Ausbildungsverhältnissen konnte das Vorjahresniveau von 392 neuen Verträgen leicht übertroffen werden. In den gerade für den Tourismus im Kreis Ahrweiler bedeutenden Berufen des Gastgewerbes nahm die Zahl der Eintragungen um 17 Prozent zu, nachdem sie im Vorjahr noch um 13 Prozent abgenommen hatte.

Das Handwerk vor großen Herausforderungen

Vor großen Herausforderungen steht bekanntlich das Handwerk, was Kreishandwerksmeister Frank Wershofen erneut unterstrich. „Zu wenig Azubis und Probleme einen Nachfolger für den Betrieb zu finden, das sind die wichtigsten Themen der selbstständigen Handwerkerschaft. In der Politik fehle die richtige Wahrnehmung der Bedeutung der dualen Ausbildung mit „Lehrling – Geselle – Meister“. „Es ist ein Erfolgsmodell und es gibt keinen ökonomischen Grund, dies zu verändern. Es ist zudem gelebter Verbraucherschutz“, so Wershofen. 1.857 Handwerksbetriebe gibt es derzeit im Kreis, 660 Lehrlinge befinden sich in dualer Ausbildung. Auf jeden Fall gab es beim „Tag der offenen Tür“ reichlich Gelegenheit, die verschiedenen Ausbildungsberufe in Augenschein zu nehmen, vom selbstproduzierten Gebäck der Bäcker-Innung über Live-Metall-Bearbeitung bei der Metallbauer Innung, das Schreinerhandwerk zwischen Tradition und Moderne, die neue Climatronic-Fahrzeugklimaanlage der KFZ-Innung bis hin zum spektakulären Alterssimulationsanzug der Fachschule für Altenpflege. Dazu präsentierten weitere Klassen aus unterschiedlichen Schulformen ihre im Unterricht erarbeiteten Projekte. Fachbereiche stellten sich vor und jungen Menschen wurde die Gelegenheit gegeben, sich über spezifische schulische Bildungsangebote und -wege zu informieren und direkt für die weiterführenden Bildungsgänge anzumelden.