Ein Literaturereignis der besonderen Art

Tatort: Vallendar

Joe Bausch – Gefängnisarzt und Schauspieler – las aus seinem Buch „Knast“

29.11.2016 - 13:21

Vallendar. „Wortweise“ ist eine Veranstaltungsreihe der Bildungsstätte Haus Wasserburg. Am letzten Samstag konnte der Leiter des Hauses, Pater Alexander Diensberg, einen ganz besonderen Gast in der Pallottikirche begrüßen: Joe Bausch, Gefängnisarzt und Rechtsmediziner im Kölner Tatort. Initiiert wurde die Lesung von Raimund Schui. Der Künstler und der Arzt kennen sich gut. Bausch war eingeladen, aus seinem Buch „Knast“ zu lesen.

„Ich bin der Hausarzt von Mördern, Totschlägern, Vergewaltigern, Kinderschändern, Erpressern, Betrügern und Dieben. Ich bin RAF-Terroristen begegnet, Wirtschaftskriminellen, Brandstiftern und Frauen, die ihr Baby umgebracht haben. Aber auch von vielen Eierdieben. Im Knast ist alles echt. Hier stehst du nicht mehr auf Brettern, die die Welt bedeuten. Hier stehst du knöcheltief in der Scheiße, bist konfrontiert mit einer Realität, die dir alles abverlangt“ (Zitat Klappentext „Knast“)

Sympathisch und entspannt steht der große Mann mit der Glatze und dem blonden Schnauzer vor den gut zweihundert Zuhörern. Bausch liest nicht, sondern erzählt lebendig mit einer erstaunlichen Mimik von seiner Arbeit, vom Knastalltag. Er arbeitet seit 1986 in der großen Vollzugsanstalt, eine der größten Deutschlands – neunhundert Insassen, davon etwa dreihundert Mörder und etwa einhundertfünfzig Sicherungsverwahrte. Bewacht und versorgt werden diese von vierhundertfünfzig Bediensteten.

Hermann-Joseph Bausch-Hölterhoff, wie er mit vollem Namen heißt, gibt durch sein Buch einen Blick frei in eine Welt, in die man sonst keinen Einblick hat. Welche Gesetze herrschen im Knast, was ist die Knastwährung, wie baut sich eine Hierachie unter den Gefangenen auf. Verbrecher ließen sich typisieren, so Bausch. Was unterscheidet im Knastalltag den Mörder vom Betrüger, den Kinderschänder vom Erpresser. Welche Rollen spielen Frauen in einem überwiegend von Männern belegten Gefängnis. Wie kommen Drogen und andere verbotene Dinge in das Gefängnis ?

„Zwei Sachen lernst du im Knast ganz schnell: Stehe immer mit dem Arsch an der Wand und lasse dir keine Lampe vormachen“, so der 63-Jährige. Übersetzt hieße das: Wende keinem den Rücken zu und lasse dich nicht hinter das Licht führen. Zu den äußeren harten Lebensumständen im Gefängnis kommt das Misstrauen untereinander, das förmlich spürbar in der Atmosphäre schwebt. „Die Kultur des Misstrauens herrscht im Knast“, so Bausch. Da heißt es, Informationen zu erhalten und weiterzugeben, Gerüchte zu verbreiten, um Vorteile zu erhalten.

Der Gefangene wird aller Selbstständigkeit enthoben, die Zeit spielt keine Rolle mehr. Wenn er von einer Abteilung in die andere muss, zur Arbeit oder zum Arzt, wird er gebracht und geholt, da gibt es feste Regeln. Wer nicht funktioniert im harten Knastalltag, muss mit noch härteren Sanktionen rechnen, vonseiten der Anstaltsleitung und von Mitgefangenen.

Das Leben im Gefängnis gehe allen, die sich dort aufhalten, an die Nieren und hinterlässt Spuren. Der leitende Regierungsmedizinaldirektor ist nicht nur der Arzt für die Gefangenen, sondern auch für die Bediensteten. Türen, Schlösser und Schlüssel sind die zentralen Funktionsstücke im Gefängnis. Ihn habe mal interessiert, wie oft ein Vollzugsbeamter in einer Schicht wie viele Schließvorgänge vollzieht, darum ließ er es mit eine Zähleinrichtung prüfen – heraus kam die unglaubliche Zahl in nur einer Arbeitsschicht von morgens halb sechs bis nachmittags halb zwei von 829 Schließvorgängen.

In Deutschland gibt es, so Bausch, 137 Justizvollzugsanstalten. Belegt sind diese mit etwa 80.000 Personen, nur fünftausend davon sind Frauen. Die JVA Werl ist mit Menschen aus siebenundvierzig Nationen belegt. Zwanzig bis fünfundzwanzig Prozent der Insassen in Werl, so Bausch, seien drogenabhängig. Alle Betten, so der Arzt, die in der Psychiatrie abgeschafft würden, müssten später im Knast angeschafft werden. „Therapie statt Knast“ hieße seine Devise. Fünfundsiebzig Prozent aller Verbrechen würden von 7,5 Prozent der Personen der Gesellschaft begangen, die als Psychopathen gelten, also eine krankhafte Persönlichkeit haben. „Wir haben in unserer Gesellschaft eine Kultur des Wegsehens“, so Joe Bausch. Jeden Tag würden durchschnittlich einhundert Kinder von Amts wegen aus Familien, zumindest vorübergehend, wegen Gefährdung herausgenommen – jährlich insgesamt 36.000 Kinder. Hier hieße es, aufmerksam zu sein.

Mit langem Beifall dankten die Zuhörer für den Einblick in eine fremde Welt. Joe Bausch las ohne Honorar. Alle Einnahmen des Abends gehen an den Verein „Straßen der Welt e.V.“, der Kinder auf den Philippinen unterstützt. Der Verein wurde gegründet von Joe Bausch und seinen Tatortkollegen Dietmar Bär und Max Ballauf. Als Dank für seine Lesung schenkte Pater Alexander Dienstag dem Arzt und Schauspieler zwei Flaschen Kölsch und ein ganz besonderes Kölschglas mit der Aufschrift „Alles Pallotti“ - diese Aussage hat natürlich eine übertragbare Symbolaussage.

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Ich glaube, innerhalb der anderen Parteien verstehen das sehr, sehr viele. Aber weil die Entscheidungsträger auf Bundes- und Landesebene zu sehr befürchten, Macht abzugeben, oder aus anderen unerfindlichen Gründen, nimmt man dort schon gar nicht mehr wahr, was die eigene Parteibasis denkt. Wenn man...
Amir Samed:
Am meisten nutzt es der AfD aber, dass die in Bund und Ländern regierenden Parteien immer noch nicht verstehen wollen, was ihnen die meisten AfD-Wähler mit ihrer Stimmabgabe eigentlich sagen möchten....
K. Schmidt:
Herr Müller: "Die Lüge gehört zum politischen Geschäft... Man mag mit der Politik der vergangenen Jahrzehnte nicht einverstanden sein, was man auch nicht kann..." Richtig erkannt. Nur wen wählt man nun? Und wie stehen Sie zu der von den "Omas" offenbar gefeierten "Brandmauer", die in sehr vielen Konstellationen...
Gabriele Friedrich:
@Amir Samed, Sie sollten besser aufpassen mit ihrem Betondenken der AfD....
Gabriele Friedrich:
Ach die AfD, blamiert sich mittlerweile nur noch und langsam kommen die Straftaten raus. Ist doch hervorragend wie *Krah* sich selber entfernt von den Wahlplakaten, wie Höcke sich schwitzend blamiert mit seinem Geschichtsbuch und er vor Gericht musste. Die Weidel wird auch immer blasser und Chrupalla...
Amir Samed :
@Utz der Bär, ich bevorzuge wissenschaftliche Literatur. ...
Utz der Bär:
@Amir Samed: Glauben Sie ernsthaft, dass mehr als 200 Jahre Industrialisierung spurlos an unserer Umwelt vorbeigegangen sind? Denken Sie doch einfach mal selber nach, anstatt nachzuplappern, was ihnen irgendwelche Pseudo-Schwurbler auf Tiktok oder wo-auch-immer weismachen wollen! Was uns alle noch viel...
Amir Samed :
@juergen mieller, ich habe schon einiges an Niveaulosen und inhaltsleeren gelesen, Sie schaffen es dies noch zu unterbieten. Solange Sie auf dieser Ebene weiter agieren und sich einer sachlichen Diskussion und Argumentation verweigern, bleiben ihnen Antworten von mir erspart. Es ist nie zu spät, lernen...
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