Ursula von der Leyen in Montabaur - Skandale in der Bundeswehr standen im Mittelpunkt

Verteidigungsministerin kündigt Befragung aller Soldaten an

28.05.2017 - 14:00

Montabaur. Sicherheit war in zweifacher Hinsicht das Thema bei einer Veranstaltung in der Stadthalle von Montabaur: Der Deutsche Bundeswehrverband hatte Generäle, Offiziere und Bürger zum „Sicherheitspolitischen Forum“ eingeladen. Und es musste die Sicherheit gewährleistet werden für einen der hochkarätigsten Gastteilnehmer, den die Bundesrepublik zu bieten hat, nämlich die deutsche Verteidigungsministerin Dr. Ursula von der Leyen. Umgeben von ihren Sicherheitskräften betrat die Chefin der Streitkräfte durch einen Seiteneingang die Stadthalle. Unter dem Beifall von 400 Tagungsteilnehmern aus der Politik, dem Verteidigungswesen und der Öffentlichkeit wurde sie begrüßt vom heimischen Bundestagsabgeordneten Dr. Andreas Nick, der sich für die Ausrichtung der Veranstaltung in Montabaur stark gemacht hatte. Zu BLICK aktuell sagte er: „Das war eine gemeinsame Initiative des Deutschen Bundeswehrverbands und mir als Wahlkreisabgeordnetem. Es hat ein bisschen geholfen, dass der Präsident des Verbands, André Wüstner, auch hier in Montabaur wohnt. Die Ministerin fand das Konzept sehr gut, dass wir mit diesen sicherheitspolitischen Diskussionen etwas stärker in die Region gehen. Wir haben auch mehrere Schulklassen eingeladen. Wir erleben in den letzten Jahren ein gesteigertes Interesse an Fragen der Außen- und Sicherheitspolitik.“ Andreas Nick ist in Berlin Mitglied im Auswärtigen Ausschuss, wo über alle Auslandseinsätze der Bundeswehr im Ausland federführend beraten wird. Ebenfalls zu BLICK aktuell sagte er: „Wir sind mittlerweile in Europa umgeben von Krisenherden, angefangen bei der veränderten russischen Politik bis zum Zusammenbruch von staatlichen Ordnungen im Mittleren Osten und in Nordafrika. Auch die Türkei ist eine schwierige Baustelle. Dazu kommen eine Fülle von neuen Bedrohungen, die nicht mehr in die alten Schemata passen. Das ist eine Art und Weise der terroristischen Bedrohung, bei der äußere und innere Aspekte sehr stark zusammenfließen, also die IS-Anschläge im In- und Ausland. Zusätzlich müssen wir fast eine neue Waffengattung in der Bundeswehr aufbauen, die sich ausschließlich mit IT-Sicherheit beschäftigt. Die Cyber-Security befindet sich geraden im Aufbau. Das ist ein ständiges Thema, das uns noch lange beschäftigen wird und von uns mit hoher Intensität weiter verfolgt wird.“

Auf die Gefahren durch Hacker-Angriffe ging auch die Verteidigungsministerin ein. Mittlerweile könne kein militärisches Fahrzeug und kein Waffensystem mehr bedient werden ohne komplexe und dadurch auch für Angriffe empfindliche Computersysteme. Den Hauptteil ihrer 45-minütigen und fast ausnahmslos frei vorgetragenen Rede widmete Ursula von der Leyen aber den aktuellen Skandalen um rechtsextremistische Umtriebe in der Bundeswehr. Ihre Kritik an den unhaltbaren Zuständen in vielen Einheiten der Bundeswehr leitete sie ein mit einem Lob für die „unendlich vielen Männer und Frauen, die jeden Tag tadellos und anständig ihren Dienst und ihre Arbeit tun, von der man nicht jeden Tag hört, weil sie sie so gut tun. Diese Männer und Frauen verdienen unseren Dank und unsere Anerkennung.“ Für diese Worte bekam die Ministerin einen kräftigen Zwischenapplaus. Sie bedauerte anschließend, dieses Lob nicht ihren ersten kritischen Äußerungen über rechtsextreme Strömungen und menschenunwürdige Ausbildungsmethoden in der Bundeswehr vorangestellt zu haben. Als Beispiele für solches Fehlverhalten nannte die Ministerin Vorgänge in einem Sanitätsregiment, in dem sich Männer und Frauen ausziehen mussten und mit nicht behandschuhter Hand untersucht wurden. Davon seien Foto- und Filmaufnahmen gemacht worden. Beschwerden gegen dieses Vorgehen seien von Vorgesetzten unterdrückt und die Beschwerdeführer als „Nestbeschmutzer“ diskreditiert worden. In anderen Einheiten hätten sich Rekruten in der Ausbildung durch Alkoholgaben an Vorgesetzte von Bestrafungen „freikaufen“ müssen. Die Verteidigungsministerin ließ auch detailliert die Vorgänge um die Bundeswehr-Oberleutnants Franco A. und Maximilian T. Revue passieren, denen die Bundesanwaltschaft vorwirft, eine „schwere staatsgefährdende Gewalttat“ vorbereitet zu haben. Ihr Plan sei es gewesen, als Flüchtling getarnt einen Anschlag auf höchste Repräsentanten des deutschen Staates zu verüben, um auf diese Weise Fremdenhass zu schüren. Bereits 2013 war Franco A. laut Ursula von der Leyen durch eine rassistisch-völkisch-rechtsextreme Masterarbeit bei der Bundeswehr aufgefallen, ohne dass damals durch seine Vorgesetzten die entsprechenden Konsequenzen, nämlich Entlassung aus der Bundeswehr, gezogen worden waren. Bei den dann später verhafteten beiden Bundeswehrangehörigen seien in den Privathäusern Waffen und 1.000 Schuss Munition gefunden worden, die illegal von der Bundeswehr entwendet worden waren. Jetzt sei die Frage zu klären, wie die Innere Führung der Bundeswehr in diesen Punkten so versagen konnte und was man in Zukunft tun könne, um ähnliches zu vermeiden. Die Ministerin kündigte eine breit angelegte Befragung der Bundeswehrangehörigen an, in der diese alle Missstände offenlegen sollen. Auch werde weiter gegen bekannt werdende Vergehen ermittelt. Mit einem Bekenntnis zur NATO und den Verpflichtungen Deutschlands in diesem Bündnis, unter anderem der Notwendigkeit zur Zahlung eines NATO-Beitrags in Höhe von zwei Prozent des Bruttoinlandprodukts, beendete Ursula von der Leyen ihren mit viel Beifall bedachten Vortrag.


Schüler zeigen großes Interesse


Die Schüler der Oberstufe des Mons-Tabor-Gymnasiums hatten aufmerksam den Worten der Ministerin zugehört. Unter ihnen Qendresa Ahmetaj und Lara Weidenfeller von einem Sozialkunde-Leistungskurs der 11. Klasse. Qendresa sagte zu BLICK aktuell: „Wir behandeln das Thema Sicherheits- und Verteidigungspolitik im Unterricht und es interessiert uns auch. Wir sind hier aus Montabaur. Und wann hat man schon mal die Chance Ursula von der Leyen zu sehen. Es ist wichtig, weil es auch uns etwas angeht und weil das Thema Sicherheit mittlerweile ziemlich groß geschrieben wird, besonders in einer Zeit wie dieser, wo es viele Probleme und Krisen gibt. Und deswegen ist es auch gut, wenn man sich in unserem Alter informiert.“ Ob sie versuchen würden, ein Autogramm zu bekommen, wussten die Schülerinnen zu Beginn der Veranstaltung noch nicht. Autogramme lässt man sich doch eher von Fußballstars geben? Da denken die Mädchen anders: „Wir glauben, dass die Ministerin von der Leyen mehr leistet als ein Fußballstar!“ Sie sind überzeugt, dass die Sicherheit aktuell ein sehr wichtiges Thema ist. Lara Weidenfeller ergänzt: „Wir sind im Sozialkunde-Leistungskurs und ich finde, da gehört es einfach dazu, dass man sich für solche Themen interessiert, sich informiert und nicht alles einfach an sich vorbeiziehen lässt.“ Die Bundeswehr als Beruf kommt für beide allerdings eher nicht in Frage.

Artikel bewerten

rating rating rating rating rating
Kommentare können für diesen Artikel nicht mehr erfasst werden.
Stellenmarkt
Weitere Berichte

Angeklagte sollen Frau schwer misshandelt, zur Prostitution gezwungen und getötet haben

Nach Mord im Koblenzer Rotlichtmilieu: Anklage gegen zwei Personen erhoben

Koblenz. Wie die Staatsanwaltschaft Koblenz mitteilt, wurde nach dem Tötungsdelikt im Koblenzer Rotlichtmilieu vergangenen November nun Anklage gegen eine 40-jährige Frau und einen 48 Jahre alten Mann (beide bulgarischer Nationalität) erhoben. Den beiden Beschuldigten wird zur Last gelegt, eine mit ihnen zusammenlebende 31-jährige Bulgarin grausam und aus niedrigen Beweggründen getötet zu haben.... mehr...

Der Unfallverursacher war alkoholisiert auf der A 48 unterwegs

Lkw-Fahrer schwer verletzt in Führerhaus eingeklemmt

Kehig. Ein 37 Jahre alter LKW-Fahrer befuhr am 22.04.2024 gegen 05:00 Uhr die A 8 in Fahrtrichtung Dreieck Vulkaneifel, kommend aus Richtung Koblenz. Zwischen der Anschlussstelle Polch und Mayen kam der Fahrer von der Fahrbahn ab und kollidierte mit der Mittelschutzplanke. Anschließend verließ er die Autobahn an der Raststätte Elztal-Nord, wo er gegen einen am rechten Fahrbahnrand geparkten Sattelzug stieß und diesen auf einen weiteren vor ihm geparkten Sattelzug schob. mehr...

Regional+
 

Fassungslosigkeit und Entsetzen bei Angehörigen und Beobachtern

Ex-Landrat wird nicht angeklagt: Einstellung des Verfahrens schlägt hohe Wellen

Kreis Ahrweiler. Die Staatsanwaltschaft Koblenz hat am 17. April 2024 das Ermittlungsverfahren gegen den ehemaligen Landrat des Landkreises Ahrweiler und den Leiter der Technischen Einsatzleitung (TEL) während der Flutkatastrophe an der Ahr 2021 eingestellt. Die umfangreichen Ermittlungen ergaben keinen ausreichenden Tatverdacht, der eine strafrechtliche Verurteilung ermöglichen würde. Dem Leitenden... mehr...

Eröffnung des Jugendstützpunktes für Boulesport in Kleinmaischeid

Offenes Training

Kleinmaischeid. Am Freitag, 10. Mai wird der Jugendstützpunkt-Nord des rheinland-pfälzischen Bouleverbands in Kleinmaischeid mit einem offenen Training auf dem Parkplatz am Bürgerhaus eröffnet. Von 15 bis 17 Uhr sind alle interessierten Kinder und Jugendliche im Alter von acht bis 18 Jahren eingeladen, diesen tollen Sport kennenzulernen und sich unter qualifizierter Anleitung im „Legen“ und „Schießen“ der Kugeln zu erproben. mehr...

Anzeige
 
Sie müssen angemeldet sein, um einen Leserbeitrag erstellen zu können.
LESETIPPS
GelesenNeueste
Kommentare
juergen mueller:
@Amir Samed - Lol. Diese Infos hätten sie auch von mir bekommen können. Aber, danke für Ihre Mühe. Es freut mich immer wieder, dass Sie offenbar zu denen gehören, die zumindest Interesse aufzeigen, was diesen Themenbereich angeht, auch wenn Ihre Meinung hierzu sich in nichts von der unterscheidet, die...
Amir Samed:
Zum Stand der Forschung: Akasofu, Syun Ichi & Tanaka, Hiroshi L. (2021) zeigen in ihrer Arbeit, dass der Temperaturanstieg, der angeblich von Menschen verursacht wurde, tatsächlich auf PDO (Pazifische Dekaden-Oszillation) und AMO (Atlantische Multi-Dekaden Oszillation) zurückzuführen ist. - In diesem...
juergen mueller:
Die KLIMAKRISE ist kein neues Phänomen. Sie gibt es tatsächlich, ist real u. ist ein Begriff für die ökologische, politische u. gesellschaftliche Krise im Zusammenhang mit der globalen Erwärmung. Seit dem vergangenen Jahrhundert erwärmt sich das Klima. Das globale Mittel der bodennahen Lufttemperatur...
Hansen:
Korrektur: Das war grausanste Folter und ein Femizid. Benennt es als das, was es ist. Wir schreiben das Jahr 2024 und nicht 1980....
Amir Samed:
Aufgepast ihr Omas, nicht das sich die "stabile Brandmauer" in ein (geistiges) Gefängnis ohne Entkommen verwandelt....
Haftnotiz+
aktuelle Beilagen
Inhalt kann nicht geladen werden

 

Firma eintragen und Reichweite erhöhen!
Service