Arbeitsgruppe „Optik Altstadt Linz“ lud zu Vortrag ein

Die Chancen der „Essbaren Stadt“

Die Chancen der „Essbaren Stadt“

Interessiert verfolgen die Linzer den Vortrag des Geoökologen Lutz Kosak. privat

Linz. Bereits im vergangenen Jahr hatte eine Gruppe von 13 interessierten Linzern, darunter Stadtbürgermeister Hans Georg Faust und Ratsmitglieder, die Altstadt von Andernach besucht. Dort machte sie sich einen Eindruck davon, wie die Bemühungen um Belebung und Verschönerung der Altstadt auf der anderen Rheinseite Früchte tragen. Und das im wörtlichen Sinn, denn im Sommer ist Erntezeit in Andernach. Dann können Pfirsiche, Beeren, Kräuter und sonstiges Essbares geerntet werden.

Da sich das Konzept „Essbare Stadt“ in Andernach bewährt hat und - inzwischen mehrfach preisgekrönt - einigen anderen Städten als Vorbild gedient hat, lud die Arbeitsgruppe „Optik Altstadt Linz“ der Initiative „Linz gestalten - Leben in der Altstadt“ am Donnerstagabend voriger Woche zu einem Vortrag über das Konzept in den Sitzungssaal des Historischen Rathauses ein. „Mit dem Geoökologen Dr. Lutz Kosak konnten wir einen der Väter der ‚Essbaren Stadt‘ gewinnen“, begrüßte Karl-Dieter Pörzgen die interessierten Zuhörer, darunter auch den Bürgermeister, der die Schirmherrschaft für die Informationsveranstaltung übernommen.

„Auch bei uns könnte man dahinvegetierende, mit Unkraut übersäte Flächen für Bürger und Besucher der Stadt durch eine andersartige Bepflanzung attraktiver machen“, zeigte sich der Stadtchef überzeugt. In so großem Stil wie in Andernach werde sich dies in der Bunten Stadt jedoch nicht umsetzen lassen, angesichts der oft in stark befahrenden Teilen von Linz gelegenen Grünflächen etwa am Gestade oder an der evangelischen Kirche vor allem nicht hinsichtlich essbarer Pflanzen und Früchte. „Aber es geht ja auch nicht darum, die Geysir-Stadt auf der anderen Rheinseite zu kopieren, sondern die dort umgesetzten Ideen als Anregungen aufzunehmen und möglicherweise Grünflächen unter dem Motto ‚Pflücken erlaubt‘ statt ‚Betreten verboten‘ nachhaltiger und ansprechender zu gestalten“, erklärte Klaus-Dieter Pörzgen.

Die Natur in die Stadt holen

Gegen den anfänglichen Widerstand aus Teilen der Bevölkerung hatte man 2010 in Andernach begonnen, Grünanlagen landwirtschaftlich zu nutzen. „Ziel war es, die Natur nach dem Beispiel der USA und Kanada wieder in die Stadt zurückzuholen“, so Lutz Kosak. Es gehe aber nicht darum, als Selbstversorger Nahrungsengpässen entgegenzuwirken. „Wir wollen Blüh- und Nutzräume sowohl für Pflanzen und Tiere wie auch für Menschen schaffen, in denen man sich wohlfühlen und entfalten kann. Damit wird unsere Stadt mit ihren unterschiedlichen Erlebnisräumen lebens- und liebenswerter und fördert zugleich den Gemeinschaftssinn“, führte der Geoökologe aus. Den Bürgern würde der öffentliche Raum zurückgegeben, indem jeder mitmachen könne - ob beim Unkrautjäten oder bei der Ernte.

„Vorrangig ist für uns, die Vielfalt der noch vorhandenen Kulturpflanzen zu erhalten, von denen durch die Gen-Erosion bereits 75 Prozent verschwunden sind“, machte der Referent deutlich. „Wir zeigen mit den unterschiedlichen regionalen Nutzpflanzen auf, wie man sich gesund ernähren kann, und tragen damit dazu bei, dass regionales Obst und Gemüse wieder eine Wertsteigerung erfährt“, hob er hervor. Anderseits sorge der Klimawandel dafür, dass neben Apfel, Birne und Pfirsich, Johannis-, Stachel- und Erdbeere vor allem in der milden Rheinregion auch Kiwi, Feige und Mandel, Bitterorange und Granatapfel gediehen.

Konzept ist kostengünstiger

Dies sei durchaus ein Gedanke, der bei der anstehenden Neugestaltung der Rheinanlagen zum Tragen kommen könnte. „Der Bürgermeister hat uns eingeräumt, dass wir die Beete am Parkdeck oder Baumscheiben etwa in der Klosterstraße mit Kräutern bepflanzen können. Aber auch stresstolerante, im Wechsel blühende Wildstauden würden öffentliche Grünanlagen farbenfroher und attraktiver machen“, erklärte Karl Dieter Pörzgen auf Anfrage von „Blick aktuell“. Außerdem habe Kosak aufgezeigt, dass eine solche Bepflanzung erheblich kostengünstiger sei, als der Wechsel von Primeln im Frühjahr über Sommerblumen hin zu Stiefmütterchen, was angesichts der Finanzlage der Kommune ein weiteres Argument sein dürfte, sich über die Umgestaltung von öffentlichem Grün Gedanken zu machen.