HIV: Experten fordern neue Präventionskampagnen
Im Kampf gegen Aids
200 Besucher informieren sich beim Aids- und Hepatitisforum im Kemperhof
Koblenz. Zum 18. Mal infolge trafen sich im Gemeinschaftsklinikum Mittelrhein, Kemperhof, über 200 Interessierte zum aktuellen Stand von HIV/Aids und Hepatitis. Eröffnet wurde die Veranstaltung durch Oberbürgermeister Prof. Dr. Joachim Hofmann-Göttig und die Leiterin des Referates Gesundheit am Ministerium für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Demografie Christine Morgenstern. Beide betonten die Wichtigkeit der Thematik und lobten Präventionskonzepte des regionalen Arbeitskreises Aids mit der Aids-Hilfe Koblenz und den Gesundheitsämtern. Auch die Landeszentrale für Gesundheitsförderung als Kooperationspartner des Forums mit Angeboten zur Prävention sexuell übertragbarer Erkrankungen und ihrer aktuellen Schulpräventionskampagne wurde vorgestellt. Der Leiter der Immunologischen Ambulanz am Kemperhof Dr. Ansgar Rieke berichtete von den Ergebnissen der Welt-Aids Konferenz in Melbourne: „Die weltweite Epidemie ist differenziert zu sehen, so sind in Afrika besonders junge Frauen, in Osteuropa durch Drogengebrauch Infizierte und in Asien überwiegend Sex-Arbeiter und in Amerika und Europa überwiegend MSM (Männer, die Sex mit Männern haben) von HIV betroffen.“ Der Infektiologe am Gemeinschaftsklinikum Mittelrhein gab einen Überblick über die „Erfolgsgeschichte“ bei der Therapie von HIV/Aids in den vergangenen 30 Jahren hin zu einer behandelbaren aber nicht heilbaren chronischen Erkrankung mit nahezu normaler Lebenserwartung. „Weltweit ist diese Therapie mit 13 Millionen immer mehr Menschen zugänglich und unter effektiver Therapie sinken global auch die Neuinfektionsraten. Allerdings ist im Raum Koblenz die Zahl der Neuinfizierten jungen Menschen gestiegen und hier müssen neue Präventionskonzepte bedacht werden“, so Rieke.
Martin Däumer zeigte als Virologe die hochmoderne Resistenzanalyse bei HIV, die heute auch versteckte und archivierte Veränderungen der genetischen Struktur von HIV erspüren kann. „Diese Untersuchungen helfen, Resistenzen unter und vor der Behandlung zu erkennen und machen die Therapie zielsicherer. Einnahmefehler und mit dem Arzt nicht abgesprochenes Aussetzen der Therapie kann zu Veränderungen von HIV und zum Therapieversagen führen“, erläuterte Däumer.
Von einem historischen Durchbruch bei der Behandlung der Hepatitis C konnte der renommierte Hepatologe Prof. Dr. Michael Manns aus Hannover berichten: „Neuzulassungen von direkt antiviralen Medikamenten revolutionieren die Therapie der Hepatitis C in diesem Jahr ähnlich wie bei HIV in den 90er-Jahren. In Zukunft sind Heilungsraten an die 90 Prozent möglich. Die gewaltigen Kosten von zurzeit 100 000 bis 200 000 Euro pro Behandlung stellen dabei das Gesundheitssystem vor kaum lösbare Aufgaben und die Therapie sollte nach sorgfältiger Abwägung von Spezialisten zunächst Schwerkranken gegeben werden.“ Die Therapien sind deutlich besser verträglich und können auch Patienten mit Cirrhose gegeben werden. „Über den richtigen Zeitpunkt einer Therapie muss der Spezialist mit dem Patienten entscheiden und noch ist ein Ende des gewaltigen Fortschrittes nicht absehbar. Die hohen Kosten einer Therapie müssen denen einer Lebertransplantation gegenüber gestellt werden, denn derzeit ist jede dritte Transplantation durch Hepatitis C bedingt und kann durch die Heilung in Zukunft entfallen“, so Manns.
In einem eigenen Workshop für Patienten konnten Betroffene ihre Erfahrungen mit den Therapien zusammen mit Jaqueline Friedhofen von der Immunologischen Ambulanz im Kemperhof austauschen und auch erfahren, wie eine ambulante Therapie ganz praktisch aussieht.
Zum Abschluss wurde das Thema HIV und Kirche mit der katholischen Sexualmoral intensiv diskutiert: Der Mainzer Moraltheologe Prof. Stefan Görtz zeigte gut strukturiert die Komplexität und den Zwiespalt zwischen katholischer Lehrmeinung und dem Anspruch auf eine persönliche Gewissensentscheidung. Ebenfalls großen Anklang fand Stephan Hippler als katholischer Priester, der seine Erfahrungen im Hope Aids Projekt in Capetown/Südafrika aufzeigte. Die praktische Umsetzung gelebter Nächstenliebe in der schwierigen Herausforderung durch Aids und interkulturelle Grenzen in Afrika beeindruckte viele. In der anschließenden gemeinsamen Podiumsdiskussion zusammen mit Hannah Jones von der Aids Hilfe und Dr. Ansgar Rieke wurde mit den Zuhörern der Konflikt zwischen Lehrmeinung und Anforderungen an eine Sexualität deutlich.