Andernachs Offener Kanal sendet seit einem Vierteljahrhundert

Lokaler Bürgersender resümierte am 25. Jahrestag

11.12.2017 - 10:37

Andernach. „Ein kleiner Schritt für einen Menschen, ein großer Schritt für die Menschheit“ – mit den Worten Neil Armstrongs, der als erster Mensch den Mond betrat, begrüßte der Moderator am 6. Dezember 1992 scherzhaft die Zuschauer des Offenen Kanal Andernach. Das junge „Telekoffer“-Team, aus ehrenamtlichen engagierten Fernsehmachern, startete damals mit einer dreistündigen Livesendung in die, bisher, 25-jährige-Geschichte des kabelgebundenen lokalen Sendebetriebs. Am letzten Mittwoch, genau am Jahrestag, schaute „Blick aktuell“ mit den heutigen Verantwortlichen des Vereins Offener Kanal Andernach in das vergangene Vierteljahrhundert zurück.


Offene Kanäle als Gegengewicht zum kommerziellen Fernsehen


Wer’s noch nicht weiß: Offene Kanäle (OK) sind meist nicht-kommerzielle Hörfunk- oder Fernsehsender, dessen Programm Bürger gestalten und verantworten (Bürgermedium). In Deutschland entstanden Offene Kanäle Mitte der 1980er-Jahre im Zusammenhang mit dem Aufkommen des privaten und kommerziellen Rundfunks. Die Bürgersender sollten dazu ein Gegengewicht bilden. Rheinland-Pfalz, das „Ursprungsland“ der Offenen Kanäle, glänzte seinerzeit mit bis zu 25 Einrichtungen. Deutschlands erster Offener Kanal ging am 1. Januar 1984 in Ludwigshafen auf Sendung. Entsprechend dem Sinn Offener Kanäle gibt es auch in Andernach keine Redaktion und keine Zensur. Im Rahmen bestehender Richtlinien kann hier jeder Bürger Beiträge produzieren oder eigene Videobeiträge zur Sendung einreichen. Es entstehen ihm dabei keine Kosten, lediglich eine Sendeanmeldung und eine Legitimation ist erforderlich. Der gemeinnützige Verein Offener Kanal Andernach stellt dabei als Träger der Sendeeinrichtung die erforderliche personelle und technische Infrastruktur zur Verfügung. Der OK4 ist das Bürgerfernsehen im nördlichen Rheinland-Pfalz, das im Kabelfernsehen und als Livestream im Internet zu sehen ist. Über diese Plattform senden die OK in Adenau, Andernach, Koblenz und Neuwied. Fast 200.000 Haushalte können OK4 empfangen, also knapp 400.000 potentielle Fernseh-Zuschauer.


Ein Vierteljahrhundert zurückgeschaut


Dass Andernach mit seinem Offenen Kanal dabei ist, verdankt es den Männern und Frauen der ersten Stunde, die sich 1990 zunächst zu einer „Interessengemeinschaft Offener Kanal“ zusammenfanden. Der heutige Vereinsvorsitzende, Otto Kaiser, in früherer Zeit oftmals als freier Kameramann für einen bekannten Motorsport-TV-Produzenten im Einsatz gewesen, brachte den Stein damals ins Rollen. Er sprach seinen Video-Kameraden und Freund Alfons Wolff auf das Thema „Bürgerfernsehen“ an und beide machten sich dazu bei der Landesmedienanstalt (heute: LMK) kundig. Das dortige Referat für die Offenen Kanäle im Land stand mit Rat und Tat zur Seite, als es darum ging, einen Bürgersender am Mittelrhein aufzubauen. Über 100 interessierte Andernacher Bürgerinnen und Bürger folgten dann im Mai 1991 der Einladung der Interessengemeinschaft mit dem Ziel, den Offenen Kanal Andernach e.V. zu gründen. Zum ersten Vereinsvorsitzenden wurde Alfons Wolff gewählt, der sich bis 2009 herausragend für Andernachs Bürgerfernsehen engagierte. Neben ihm zählten Otto Kaiser, Wolfgang Seidel, Heike Linnewerth, Michael Kreutz und die verstorbenen Vorstandsmitglieder Hans Gerdom und Ferdinand Argenton zu den Pionieren. In vielen hundert Arbeitsstunden bauten einige begeisterte Vereinskameraden und andere Unterstützer im Verlauf des Jahres 1992 Erdgeschoss-Räume der ehemaligen Roten Schule zu einem eindrucksvollen Sendestudio aus. Die Stadt Andernach stellte und stellt noch heute dem OK die Räumlichkeiten zur Verfügung. Rund 50 Andernacher Unternehmen unterstützten als Sponsoren, finanziell, materiell oder mit ihrer Arbeitskraft. Das von der Landemedienanstalt (LMK), damals wie heute, bereitgestellte technische Equipment kann von jedem rheinland-pfälzischen Bürger kostenlos genutzt werden. Die Ausstattung des Bürgerkanals wurde nach und nach aus Vereinsgeldern ergänzt.

Mit der vielbeachteten Erstsendung, die live über Kabel in die Wohnzimmer übertragen wurde, startete eine stattliche Anzahl von Hobby-Programmgestaltern in den Sendebetrieb. Zahlreiche namhafte Ehrengäste wohnten dem medialen Ereignis bei und sogar der damalige Ministerpräsident Rudolf Scharping wurde mit einer Video-Grußbotschaft eingebunden. So mancher OK-Zuschauer mag sich in den Anfangsjahren noch an beliebte Live-Sendungen erinnern, wie z.B. die Übertragungen des Andernacher Rosenmontagszuges, den närrischen Sendespaß mit „De Prinz kütt“, der, als Aufzeichnungsformat auch das Vierteljahrhundert überlebte und an das mehrmals aufgelegte informative und unterhaltsame „Telekoffer-Magazin“, das von der LMK einmal für eine Ausgabe zum Thema „Andernacher Nachbarschaften“ mit einem Förderpreis ausgezeichnet wurde. Es sollten später weitere Förderpreise für Produktionsteams folgen. Aber auch der monatliche Talk im „Annenache Schwätzje“, die Live-Sendungen zu Oberbürgermeister- und Stadtratswahlen, Übertragungen von Einwohnerversammlungen sowie die OK-Berichterstattung über den Rheinland-Pfalz-Tag 1996 in Andernach können, wie das beliebte „Kulturcafé“, als „Premium-Formate“ angesehen werden. Die unzähligen, von Nutzern eingereichten, Videobeiträge bereicherten zudem in einer großen Vielfalt das OK-Programm, das zunächst nur an zwei Wochentagen gesendet wurde.


In neuen Räumen


Der Trägerverein „Offener Kanal Andernach“ sagte 1997 der Roten Schule adé, da die Immobilie von der Stadt veräußert wurde. Dem Bürgermedium stellte sie aber ersatzweise Räumlichkeiten in einem Gebäude an der Koblenzer Straße zur Verfügung. Auch diese wurden wieder von den Ehrenamtlichen mit großem Aufwand für den Sendebetrieb ausgebaut. Monate später erfolgte dann der Umzug. Von dort gelangte 2001, anlässlich des 10-jährigen Vereinsjubiläums, die längste Live-Sendung in der OK-Geschichte in die Wohnzimmer der Zuschauer – aus dem Studio und Open Air. Der Schritt vom analogen Fernsehen zum digitalen Produktions- und Sendebetrieb vollzogen die Andernacher TV-Experten im Jahr 2004. Ein Jahr später wurde ein neues Sendeschema eingeführt, mit dem die Inbetriebnahme einer PC-gesteuerten vollautomatischen Sendeabwicklung im OK Neuwied einherging. So wurden die OK-Kameraden in Andernach von der Aufgabe befreit, Sendungen manuell an der so genannten „Sendeschiene“ einzuspeisen. Aus Kostengründen fand der Live-Sendebetrieb des Offenen Kanals leider im Jahr 2010 ein Ende. Nach der 76. Live-Ausgabe des Kultur-Cafés, moderiert vom 2011 verstorbenen, beliebten Kulturamtsleiter und OK-Vorstandsmitglied Ferdinand Argenton, war zukünftig lediglich die Übertragung von Aufzeichnungen möglich. Der Zusammenschluss der Offenen Kanäle Adenau, Andernach, Neuwied und Koblenz ermöglicht seit 2012 einen 24-stündigen digitalen Sendebetrieb, der von Koblenz aus gesteuert wird. Die Wirkungsbreite der einzelnen Bürgersender erweiterte sich damit beachtlich.


Auch das Bürgerfernsehen ist nicht frei von Nachwuchssorgen


Heute sind es die Berichterstattungen von Festen und Ereignissen in der Stadt, aber auch so manche Aufzeichnung von Gesprächsrunden im Sendestudio, die die Bürger an die Fernsehschirme locken. Als lokalen „TV-Straßenfeger“ kann man da sicherlich das, vor wenigen Wochen gezeigte, OB-Kandidaten-Duell mit Hobby-Moderator Alfred Adams bezeichnen. Dieses Ereignis verfolgten am Aufzeichnungsabend auch viele live im proppenvollen Studio.

90 Mitglieder halten den gemeinnützigen Trägerverein „Offener Kanal Andernach“ am Leben. Dieser kann auch 2017 wieder auf rund 400 unterschiedliche Sendebeiträge verweisen. Einem „harten Kern“ von rund 10 Nutzern, sollte dafür ein besonderer Dank ausgesprochen sein. Während sich die Zuschauer dem Bürgermedium weiterhin geneigt zeigen, erweist es sich jedoch für den Vereinsvorstand mühsam, Nutzer oder gar neue Mitglieder für eine Mitarbeit bzw. das Einreichen von Videobeiträgen zu gewinnen. Otto Kaiser: „Zuletzt haben wir 2010 eine Infoveranstaltung für Vereine durchgeführt. 39 Vereine wurden angeschrieben, nur sechs Vereine nahmen teil.“ Dabei ist die Einreichung von Beiträgen mit keinen Kosten verbunden. Die aktiven OK-Mitglieder geben zudem technische Hilfestellungen und in Seminaren kann die Bedienung der Schnitt- und Tontechnik sowie der Kameras erlernt werden. Wie fruchtbar kann es sein, wenn sich z.B. Vereine und Institutionen in ihrem Video publikumswirksam (rund 400.000 potentielle Zuschauer!) präsentieren? Wie schön, als Hobbyfilmer andere an seinen Reiseerlebnissen teilhaben zu lassen? Natürlich stets nach dem OK-Grundsatz: Keine kommerzielle Werbung!“

Im kommenden Jahr wird es wieder zwei technische Neuerungen im OK4 geben. Dann soll er weltweit über Satellit zu empfangen sein und die Andernacher werden dann auch über eine Mediathek verfügen, in der man nach älteren Beiträgen stöbern kann.

Wir fragten den Vereinsvorsitzenden, ob es eine Jubiläumsfeier gegeben hat: „Keine Feier. Wir hatten die Mitglieder zu einem Ausflug nach Mendig eingeladen. 25 Interessierte nahmen daran teil.“

„Blick aktuell“ wünscht dem Offenen Kanal Andernach weiterhin viel Freude am „Fernsehmachen“ und immer eine, vermutet (weil nicht messbar), gute Zuschauer-Quote.

Weitere Informationen (inkl. Livestream) finden Sie unter www.ok4.tv

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