Rainer Schmidt referierte im Kreishaus

Inklusion: Schule soll ein Ortder Erfolgserlebnisse sein

Inklusion: Schule soll ein Ort
der Erfolgserlebnisse sein

Landrat Dr. Alexander Saftig und Rainer Schmidt waren sich einig, dass Inklusion ein Thema der aktuellen politischen Agenda ist und auf längere Zeit bleiben wird.Privat

Kreis Mayen-Koblenz. Was ist Inklusion? Was braucht es dafür pädagogisch und was müssen Schulträger leisten? Im Landkreis Mayen-Koblenz soll das Thema intensiv diskutiert werden – und mit Rainer Schmidt hatte man sich einen Referenten ins Kreishaus eingeladen, der sich nicht scheut, auch unbequeme Wahrheiten auszusprechen. „Inklusion ist die Kunst des Zusammenlernens von sehr verschiedenen Menschen“, erklärte Schmidt gleich zu Beginn. „Es geht nicht zuerst um Behinderung, dann sprechen wir von Integration: Es geht um Vielfalt.“ Vielfalt? Für Schmidt in der Schule vor allem eine Vielfalt des Lernens. Nicht alle müssen dasselbe lernen, aber alle müssen Wichtiges und sollen möglichst viel lernen - unabhängig von ihren Fähigkeiten. Das Kind des Literaturprofessors und das Migrantenkind, das gerade erst Deutsch lerne, könnten unmöglich mit den gleichen Anforderungen konfrontiert werden. Unterforderung sei in dem einen Fall das Ergebnis und erzeuge Langeweile, Überforderung dagegen erzeuge Angst und Frust. „Wenn alle dieselbe Aufgabe in derselben Zeit mit derselben Methode lösen müssen, ist das programmiert.“ Marionettenpädagogik nennt Schmidt das, Inklusion erfordere jedoch einen individuellen Blick aufs Kind. Und was ist mit behinderten Menschen? Grundsätzlich solle die Frage geklärt werden, so Schmidt, wie man weg von der rein medizinischen Klasseneinteilung komme. „Die Frage ist doch: Wie kann ich einem Kind, ob mit oder ohne Behinderung, Lernerfolge ermöglichen?“ Diese Frage beschäftigt natürlich auch den Landkreis als Schulträger. „Wenn Inklusion barrierefreier Zugang ist, dann müssen wir Aufzüge bauen, die Zugänge für Rollstühle neu gestalten, Sanitäranlagen erneuern. Da sind wir längst dabei“, erklärte Landrat Dr. Alexander Saftig. „Aber was ist mit hör- oder sehbehinderten Menschen? Welche Ausstattungen brauchen wir überhaupt? Für die pädagogischen Konzepte zeichnet das Land verantwortlich: Wir als Schulträger stehen in der Verantwortung, die Lernumgebung mit der notwendigen Ausstattung zu schaffen. Wir müssen von den Absichtserklärungen zu klaren Zielvorgaben kommen, damit die Kommunen planen können.“ Oder sei man, und hier fragte der Landrat mit Blick auf den Referenten, als Schulträger „aus der Sache raus“, wenn es doch um Pädagogik gehe? Wohl kaum, das war allen klar. Barrierefreiheit ist wichtig, sagt Schmidt: „Wenn man neu plant, lässt sich das recht einfach umsetzen.“ Schmidt weiß, wovon er spricht: Er war Leistungssportler und Tischtennisspieler, errang mehrere Goldmedaillen bei den Paralympics und Weltmeisterschaften. Als evangelischer Pfarrer arbeitete er mehrere Jahre in einer Gemeinde und ist seit nunmehr neun Jahren Dozent am Pädagogisch-Theologischen Institut Bonn. Und: Ihm fehlen beide Unterarme, nur am linken Oberarm sitzt ein kleiner Daumenansatz. An einem Bein trägt er eine Prothese. Dennoch: Maximalforderungen hält er für wenig sinnvoll: „Nicht jede Schule muss alle Voraussetzungen erfüllen. Ich kenne Altbauten, da wurde für viel Geld ein Aufzug eingebaut, in dem die Lehrer ihre Taschen hoch und runter fahren. Ein behindertes Kind wurde dort aber nie eingeschult.“ Nach Bedarf handeln, nicht nach Verdacht. Dann müsse man auch hin und wieder gegenüber den Forderungen der Eltern Flagge zeigen: „Man kann nicht alles überall machen. Aber man kann gewisse Ausstattungen an einzelnen Schulen konzentrieren.“ Das sei wie mit der Forderung der Gehörlosen, dass alle Menschen die Gebärdensprache lernen müssten. Schmidt grinst, wird dann ironisch und winkt mit den verkürzten Armen: „Wie soll ich das bewerkstelligen?“ Kurz: Alle Maßnahmen müssen auch Sinn machen. Kritisch auch seine Meinung zu Integrationshelfern: „Wer einen Integrationshelfer hat, wird stigmatisiert.“ Manchmal, sagt er, könne diese Unterstützung mehr belasten als helfen. Lieber sei es ihm, wenn die Schüler lernten, füreinander einzustehen und da zu sein. Schule, so sein Traum, soll ein Ort der Erfolgserlebnisse sein. „Daran können wir alle arbeiten. Lernen gelingt, wenn man erstens Neues bewältigen kann und Unbekanntes und Neugier treibende Lernkraft sind. Zweitens gehört Selbstbestätigung dazu: Ich bin wer. Das macht den Menschen zum sozialen Wesen.“ Gute Schulen, so sein Fazit, bieten allen –Schülern und Lehrern - Herausforderungen und Erfolgserlebnisse.

Pressemitteilung Kreisverwaltung Mayen-Koblenz