Grafschaft startet Betriebliches Gesundheitsmanagement, aber:

„Massagesalon im Rathauskommt bei Bürgern nicht gut an“

Grafschaft. Auch der Grafschafter Haupt- und Finanzausschuss befürwortete in seiner jüngsten Sitzung einstimmig den Bau eines sechsten Kindergartens.

„Für uns hat dieses Projekt Priorität vor allen anderen Investitionsmaßnahmen“, bekräftigen CDU-Fraktionsvorsitzender Klaus Huse ebenso wie SPD-Sprecher Udo Klein. Die Nachfrage sei vorhanden, bestätigte auch Richard Horn (FWG), der sich darüber hinaus freute, dass die Geburtenrate wieder zunehme und der Zuwachs an jungen Familien in der Gemeinde Grafschaft sogar über dem Kreis- und Landesdurchschnitt liege. Hier zahle sich aus, dass der Gemeinderat seine Hausaufgaben in der Vergangenheit schon ordentlich erledigt habe. Die endgültige Entscheidung über den Bau, der wohl zwischen drei und fünf Millionen Euro verschlingen wird, trifft der Gemeinderat in seiner nächsten Sitzung am 6. Oktober.

Die Befürchtung von Hartmut Wüst (FDP), dass als Folge auch der Bedarf an Grundschul-Plätzen steigen werde, konnte Bürgermeister Achim Juchem (CDU) allerdings zumindest für den jetzigen Zeitpunkt zerstreuen.

„Aus den Kindergarten-Zahlen lässt sich das nicht ableiten“, so der Bürgermeister.

Der gestiegene Bedarf nach an Kindergartenplätzen hänge vor allem damit zusammen, dass ein kompletter Jahrgang dazugekommen sei wegen des Rechtsanspruchs auf Betreuung von Kindern unter drei Jahren. Allerdings gab er auch zu bedenken, dass durch die Ausweitung des Ganztagsangebotes künftig voraussichtlich mehr Räumlichkeiten erforderlich seien. „Derzeit müssen wir aber nicht über einen Anbau oder gar über einen Neubau einer Grundschule nachdenken“, sagte Juchem unter Vorbehalt, „denn niemand weiß, was die Zukunft bringt.“

Standort in

Ringen wird gesucht

Der Kindergarten-Neubau soll zunächst auf zwei Gruppen ausgelegt und nach Möglichkeiten in Ringen errichtet werden. Die Verwaltung soll nun einen geeigneten Standort suchen. Außerdem sollen die erforderlichen Stellen für das zusätzliche Personal im Haushalt 2017 eingestellt werden, empfahl der Ausschuss dem Gemeinderat. Derzeit gebe es fünf Kindertagesstätten in der Trägerschaft der Gemeinde, hinzu kommen noch der Waldorf-Kindergarten Oeverich in privater Trägerschaft.

Noch Ende 2016 soll mit dem Bau der Erweiterung des Kindergartens in Esch auf vier Gruppen begonnen werden. Auch dafür müsse künftig gut eine halbe Stelle mehr eingeplant werden.

Doch all das reiche nicht aus, um den gestiegenen Bedarf an Kindergartenplätzen abzudecken, etwa 50 Kinder stünden momentan noch auf einer Warteliste. In der Grafschaft gebe es nämlich entgegen dem Bundestrend eine leichte Steigerung bei der Geburtenrate, zudem habe sich die Quote der U3-Kinder wesentlich stärker entwickelt als vorhergesagt. Mittlerweile seien die schon vorhandenen Kindergärten an ihrer Kapazitätsgrenze angelangt, deshalb werde jetzt ein sechster Kindergarten benötigt. Sobald man einen geeigneten Standort – nach Möglichkeit in Ringen – gefunden habe, werde man das weitere Vorgehen besprechen. Dabei sollen bei der Planung von vornherein Erweiterungsmöglichkeiten einkalkuliert werden. Ob und wie dieser kommunale Kindergarten mit dem geplanten Betriebs-Kindergarten von Haribo verzahnt werden könne, soll ebenfalls geprüft werden.

Wöchentlicher Obsttag und eine Massage pro Monat

Umstritten war hingegen der geplante Einstieg in ein „Betriebliches Gesundheitsmanagement“ für die bei der Gemeinde beschäftigten Mitarbeiter, mittlerweile mehr als 200 an der Zahl einschließlich der Kindergarten-Mitarbeiterinnen. Der Ausschuss beschloss nämlich bei zwei Gegenstimmen der SPD und einer Enthaltung, ab sofort einen wöchentlichen Obsttag anzubieten und zudem den gemeindlichen Mitarbeitern eine Massage pro Monat zu ermöglichen. Für das letzte Quartal 2016 sollen dafür voraussichtlich 7300 Euro ausgegeben werden.

Was bei Udo Klein (SPD) auf völliges Unverständnis stieß: „Eine steuerfinanzierte Massage für Mitarbeiter geht gar nicht, da machen wir nicht mit. Es kommt bei den Bürgern bestimmt nicht gut an, wenn wir einen Massagesalon im Rathaus betreiben.“ Sein Fraktionskollege Hartmut Münch plädierte stattdessen dafür, verstärkt die Gruppenangebote in der Region wie Entspannungsübungen, Lauftreff oder Gymnastik zu nutzen, das sei auf jeden Fall besser als individuelle Massagen. „Eine Massage ist gut und schön und löst Verspannungen, ein jeder hätte die gerne. Aber wenn es schon die Krankenkasse nicht bezahlt, kann man daran zweifeln, ob das der richtige Weg ist.“

Jede Gewerkschaft würde applaudieren

Richard Horn (FWG) sah Obsttag und Massage hingegen als sinnvollen Einstieg in ein Betriebliches Gesundheitsmanagement, und Klaus Huse (CDU) rechnete vor, dass dadurch voraussichtlich weniger Fehltage zustande kämen und die Gemeinde somit letztlich sogar Geld sparen könne. Abgesehen davon, so Mathias Heeb (Grüne), biete der wöchentliche Obsttag eine kleine Verdienstmöglichkeit für die Grafschafter Obstbauern. Angesichts der Tatsache, dass die beschlossene Vorgehensweise in Zusammenarbeit zwischen Gemeindeverwaltung, Personalvertretung und Krankenkassen erarbeitet worden sei, konnte er die Ablehnung der Sozialdemokraten nicht verstehen: „Jede Gewerkschaft würde doch applaudieren bei diesem Vorschlag, das sollten uns unsere Mitarbeiter wert sein.“

Nach dem Beschluss des Gemeinderates vom Dezember vergangenen Jahres, ein Konzept zum Betrieblichen Gesundheitsmanagement zu erstellen, hatte es auf Empfehlung aller beteiligten Krankenkassen als erste Maßnahme bereits einen „Gesundheitstag“ für die Mitarbeiter der Verwaltung und des Bauhofes gegeben. Angeboten wurden dabei ein Herzcoach, eine Ernährungsberatung, ein Achtsamkeitstraining und eine mobile Massage. Die Angebote, die von einer Krankenkasse kostenfrei zur Verfügung gestellt wurden, seien von einer Vielzahl von Mitarbeitern angenommen worden, berichtete Bürgermeister Achim Juchem (CDU). Auch arbeitsplatzergonomisch sei schon einiges getan worden. Als vorbeugende Maßnahme könne das Immunsystem der Mitarbeiter leicht über eine Vitamin- und nährstoffreiche Kost gestärkt werden, wozu der einmal wöchentlich angebotene Obsttag beitragen soll. Die Kosten hierfür beliefen sich auf wöchentlich etwa 100 Euro, mithin für das letzte Quartal 2016 rund 1300 Euro, so der Bürgermeister.

6000 Euro Kosten pro Quartal kalkuliert

Gegen Beschwerden aus dem orthopädischen Bereich, im Volksmund auch „Rücken“ genannt, gebe es zum einen ergonomisch optimierte Arbeitsplätze, andererseits könne jeder Mitarbeiter durch geeigneten Ausgleichssport selber vorbeugen.

Die Krankenkassen übernähmen im Erkrankungsfall Therapien wie Krankengymnastik oder Rückenschule, Massagen dagegen zählten nicht zu den regelmäßig verordneten medizinischen Leistungen. Da Massage Muskelverspannungen und Blockaden lösten, wolle man den Mitarbeitern regelmäßig Massagen im Rathaus anbieten. Die Kosten pro Massage beliefen sich auf etwa 20 Euro pro Mitarbeiter, wobei man von etwa 100 Mitarbeitern ausgehen können, die diese in Anspruch nehmen. Alles in allem rechnet die Gemeindeverwaltung für die Massagen mit Kosten von 6000 Euro für das letzte Quartal 2016.