Umstrukturierung bei der insolventen Aktiengesellschaft Bad Neuenahr

Seniorenresidenz „Villa Sibilla“ ist jetzt eine eigenständige GmbH

Bad Neuenahr. Bei der Insolvenz befindlichen Aktiengesellschaft Bad Neuenahr ist derzeit ein Umstrukturierungsprozess im Gang, bei dem einige Bereiche aus der Aktiengesellschaft ausgegliedert werden. Während Insolvenzverwalter Jens Lieser dies als unabdingbar für die Zukunft des Unternehmens ansieht, fühlt sich der Betriebsrat übergangen und befürchtet Nachteile für die Mitarbeiter.

Konkret geht es darum, dass rückwirkend zum 1. Juli die Seniorenresidenz „Villa Sibilla“ als eigenständige Gesellschaft in der Rechtsform einer GmbH als „Villa Sibilla GmbH“ geführt wird.

Ebenfalls aus der AG ausgelagert werden der Physio- und Fitnessbereich, die zu einer neuen „Medical Fitness GmbH“ zusammengeführt wurden. Die beiden neuen, eigenständigen Firmen seien 100-prozentige Tochterfirmen der Aktiengesellschaft, so der Insolvenzverwalter.

Alle Mitarbeiter dieser Bereiche seien mit allen Rechten und Pflichten im Sinne des Bestandsschutzes in die jeweiligen Tochterunternehmen übernommen worden.

Mitarbeiter über

Umstrukturierung informiert

In der „Villa Sibilla GmbH“ seien 54 Mitarbeiter beschäftigt. Zum Geschäftsführer wurde Clemens Gaspard hat bestellt, der bislang die Geschäfte der Aktiengesellschaft interimsmäßig geführt hatte.

Nach Liesers Angaben tritt Gaspard gleichzeitig von seiner Leitungsfunktion bei der Aktiengesellschaft Bad Neuenahr zurück. In der „Medical Fitness GmbH“ mit ihren insgesamt acht Mitarbeitern habe Guido di Carlo die Geschäftsführung übernommen. Die Mitarbeiter seien über die Umstrukturierung informiert worden, so der Insolvenzverwalter.

Was wiederum die Betriebsratsvorsitzende Silke Retterath in einer Presseerklärung in Abrede stellt. Zumindest der Betriebsrat sei überhaupt nicht über die Pläne informiert worden: „Mit großer Verwunderung musste der Betriebsrat zur Kenntnis nehmen, dass der Insolvenzverwalter Teile des Unternehmens abgespalten hat, ohne den Betriebsrat zuvor zu informieren, geschweige denn, die beabsichtigte Abspaltung mit dem Betriebsrat zu erörtern.“

Selbst die Arbeitnehmervertretung im Gläubigerausschuss habe der Insolvenzverwalter darüber nicht vorab informiert. Deshalb sei der Betriebsrat nun besorgt, dass seine Beteiligungsrechte auch künftig nicht beachtet würden, insbesondere bei einem gefürchteten Abbau von Arbeitsplätzen.

Maßnahmen bedeuten

Verlust von Arbeitsplätzen

„Entgegen der anfänglichen Aussage, dass erst einmal kein Personalabbau vorgesehen ist, musste der Betriebsrat aus der Presse erfahren, dass Maßnahmen geplant sind, die den Verlust von Arbeitsplätzen bedeuten“, so Retterath weiter. Nach den bisher bekannt gewordenen Vorstellungen sei zu erwarten, dass insbesondere langjährig beschäftigte Mitarbeiter mit Betriebszugehörigkeiten zwischen 15 und 40 Jahren dem Personalabbau zum Opfer fallen würden.

Davon seien insbesondere Mitarbeiter des Verwaltungs- und Technikbereichs des Thermalbadehauses betroffen, glaubt der Betriebsrat.

Demgegenüber sollen insbesondere in der „Villa Sibilla“ Arbeitsplätze von Mitarbeitern erhalten bleiben, die eine wesentlich kürzere Betriebszugehörigkeitsdauer aufwiesen und die teilweise erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens eingestellt worden seien, bemängelt Retterath weiter.

Seit Dezember 2015 habe das Unternehmen bereits 20 Mitarbeiter durch Aufhebungsverträge oder Eigenkündigung verloren, deren Arbeitsplätze bislang nicht neu besetzt worden sei.

Aufgabe des Insolvenzverwalters, den Aderlass zu stoppen

Lieser stellt die Angelegenheit etwas anders dar. „Tatsache ist: Dem Betriebsrat ist seit Monaten bekannt, dass das Gesamtunternehmen unprofitabel ist und einen jährlichen Verlust von etwa 1,5 Millionen Euro produziert“, nimmt er zur Pressemeldung des Betriebsrats Stellung.

Es sei schließlich Aufgabe des Insolvenzverwalters, diesen Aderlass zu stoppen. Allen Experten und dem Betriebsrat sei offensichtlich, dass ein Ausgleich nur durch eine Personalreduzierung möglich sei. Ein Personalabbau werde selbstverständlich sozialverträglich und unter Berücksichtigung der arbeits- und mitbestimmungsrechtlichen Vorschriften stattfinden.

„Dies ergibt sich schon daraus, dass bereits mit dem Betriebsrat Gespräche über die Einrichtung einer Transfergesellschaft geführt wurden. Mit dem Betriebsrat wurde ein zeitlicher Fahrplan vorbesprochen und auch schon konkrete Termine vereinbart.“

Mit Blick auf die Villa Sibilla erläutert der Insolvenzverwalter: „Durch die Umstrukturierung der einzelnen Bereiche in eigenständige Tochtergesellschaften wird die mögliche Übernahme durch einen oder mehrere Investoren erleichtert.“

Er sei im Übrigen der Auffassung, „dass die Ausgliederung in Tochtergesellschaften nicht mitbestimmungspflichtig ist, da die Mitarbeiter der Tochtergesellschaften keine Nachteile durch die Umstrukturierung erleiden“.

Offenes Desinteresse

der Stadt kritisiert

Doch auch die Stadt Bad Neuenahr-Ahrweiler als Anteilseigner wird vom Betriebsrat kritisiert: „In den verbliebenen Restbelegschaft herrscht großer Unmut über das offene Desinteresse der Stadt Bad Neuenahr-Ahrweiler, die einen wesentlichen Anteil des Aktienkapitals hält.“ Mit der Insolvenz scheine sich die Stadt nicht mehr für die wirtschaftlichen Belange des Unternehmens sowie für die Ängste und Sorgen der Mitarbeiter zu interessieren.

Das weist die Stadtverwaltung allerdings von sich. Ziel eines Insolvenzverfahrens sei zunächst eine größtmögliche Gläubigerbefriedigung, heißt es in einer Stellungnahme der Stadt: „Aus unserer Sicht ist der Insolvenzverwalter vor diesem Hintergrund sehr bemüht, einschneidende Personalmaßnahmen so gering wie eben möglich zu halten.“ Dahingehend verstehe man auch die jüngsten Umstrukturierungen. DieAusgrün dung zweier Tochtergesellschaften lege dann eine nachhaltige Sicherung dieser Arbeitsplätze nahe. „Selbstverständlich gehen wir davon aus, dass der Insolvenzverwalter hierbei die einschlägigen Beteiligungsrechte beachtet.“

Geschäftsbereiche können profitabler aufgestellt werden

Durch die Umstrukturierung würden die Geschäftsbereiche voneinander abgegrenzt, damit sie profitabler aufgestellt werden könnten. „Diese strategische Neuausrichtung liegt im Interesse der jeweiligen Bereiche, da diese sich dadurch besser eigenständig entwickeln können“, erklärte Lieser. Denn nur wenn die einzelnen Bereiche profitabel aufgestellt seien, hätten sie eine Zukunft. Außerdem komme man bei der „Villa Sibilla“ dem Wunsch vieler Bewohner nach, die Seniorenresidenz vom Rest der insolventen Aktiengesellschaft zu trennen.

Derweil scheinen die Gespräche über die Übernahme der Kur AG durch ein Konsortium mit einem überregional bekannten Weinhändler an der Spitze weit gediehen. Angeblich ist ein Kaufpreis von mehr als 20 Millionen Euro für die Liegenschaften der Aktiengesellschaft im Gespräch. Die AG selbst soll auf Liesers Vorschlag hin ab sofort von Karl-Josef Schmidt als hauptamtlichem Vorstand geleitet werden. Die Gläubigerversammlung muss allerdings noch zustimmen. Schmidt soll einen Vertrag bis zur Abwicklung der Gesellschaft erhalten, längstens jedoch für fünf Jahre, heißt es. Der 68-jährige Schmidt bringe langjährige Erfahrung in nationalen und internationalen Konzernen mit, schließlich war er zuletzt Geschäftsführer der ebenfalls insolventen Nürburgring GmbH, bei der Lieser auch als Insolvenzverwalter fungierte.