Lokale Agenda 21 in Stadt und Kreis Neuwied

Turm der Marktkirche als Mahnmal gegen Rassismus und Krieg

Neuwied. Wie entsteht Populismus und wie kann er gerade auch in Neuwied verhindert werden? Diese Fragen standen im Mittelpunkt des Vortrags von Prof. Josef Freise im Rahmen der „Internationalen Wochen gegen Rassismus“ in der Neuwieder VHS.

Derzeit erlebt die Bevölkerung in vielen Ländern der Welt und speziell in Europa ein Erstarken des Rechtspopulismus. Für Josef Freise ist dies eine Herausforderung für die Gesellschaft. Der Rechtspopulismus erzeuge Feindbilder und schließe Menschen aus.

„Es gibt immer ein wir und ein die anderen, die nicht dazu gehören“. Erschreckend deutlich wurde dies an Plakaten der letzten Wahlkämpfe in Deutschland, der Schweiz und Österreich: Mit dem Slogan „Heimatliebe statt Marokkanerdiebe“ warb der jetzige österreichische Vizekanzler Strache für seine Partei. „Daham statt Islam“ lautete ein anderes Plakat der österreichischen FPÖ, und auch anhand des AfD-Plakats „Der Islam? – passt nicht zu unserer Küche“ erläuterte Freise die Entstehung des Feindbilds Islam.

Nach Freise ist der Rechtspopulismus Türöffner für den Rechtsextremismus. Als Beleg hierfür nannte er die engen Verbindungen von Rechtspopulisten wie Donald Trump oder Alice Weidel zu dem Rechtsextremisten Steve Bannon. Daher sei es wichtig, sich gegen den Rechtspopulismus zu positionieren und ihn abzubauen.

Ein Schlüssel hierfür sei die Begegnung zwischen Menschen unterschiedlicher Herkunft. Freise wies auf die Jahrhunderte alte Tradition der religiösen Toleranz in Neuwied hin.

Räume für Begegnungen seien in den letzten Jahren auch in Neuwied vermehrt geschaffen worden. Beispiele sind hierfür das Gebet der Religionen, die Bodenintarsie des Engels der Kulturen in der Fußgängerzone der Engerser Straße oder der gemeinsame Stand verschiedener Religionen auf dem Neuwieder Weihnachtsmarkt.

Damit sich die dunklen Zeiten von Ausgrenzung, Diskriminierung und Rassenhass nicht wiederholen, plädierte Freise für eine lokal verankerte kritische Erinnerungskultur. Er verwies auf die Pflege der Stolpersteine in Neuwied und die begleitende pädagogische Arbeit, die dazu geleistet wird.

Persönlich berührt habe ihn ein Gespräch mit Pfarrer Werner Mörchen vor dreißig Jahren, so Freise: Als junger Mann wurde Werner Mörchen Vikar an der Marktkirche, musste sich aber von dieser Aufgabe trennen, als sich die Marktkirchengemeinde mehrheitlich den Hitler treuen und antisemitischen Deutschen Christen anschloss. Mörchen erhielt dann mit einer Minderheit der Marktkirchenmitglieder, die sich der Bekennenden Kirche anschloss, „Asyl“ bei den Herrnhutern. Im Jahr 1941 wurde der hohe Kirchturm der Marktkirche von einer Bombe getroffen. Als Werner Mörchen nach dem Zweiten Weltkrieg Pfarrer der Marktkirche wurde, stand in den 1950er Jahren bei der Renovierung der Kirche die Frage an, ob anstelle des provisorisch verkürzten Turmhelms wieder der alte hohe Turm errichtet werden solle.

Mörchen wandte sich dagegen und plädierte dafür, in Erinnerung an die schlimme Zeit des Nationalsozialismus den kleinen Turmhelm beizubehalten. „So dürfen wir den Marktkirchenturm heute auch als Mahnmal verstehen, das uns zum Engagement gegen Rassismus und Krieg aufruft“, folgerte Freise.

Pressemitteilung der Lokalen Agenda 21 in Stadt &

Kreis Neuwied