Bahnlärm-Gegner luden in die Bad Hönninger Mehrzweckhalle ein

Westerwald-Taunus-Tunnel könnte für Entlastung sorgen

VdV bezeichnet die Umrüstung auf „Flüsterbremsen“ zur Lärmreduzierung als nicht umsetzbar

Westerwald-Taunus-Tunnel könnte für Entlastung sorgen

Der „geistige Vater“ des Westerwald-Taunus-Tunnels, Rolf Niemeyer (l.), stellte sein Projekt vor. Foto: DL

28.11.2014 - 16:33

Bad Hönningen . Zu einer Informationsveranstaltung über die Verminderung des Bahnlärms hatte der Vorsitzende des Vereins „Schutz gegen Bahnlärm und Erschütterungen“, Franz Breitenbach, in die Mehrzweckhalle von Bad Hönningen eingeladen. Begrüßen konnten er und der Vorsitzende der Bürgerinitiative „Bahnlärm“ Weißenthurm, Rolf Papen, neben dem Hausherrn Guido Job den Mainzer Innenminister Roger Lewentz, die verkehrspolitische Sprecherin der Landtagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen, Jutta Blatzheim-Roegler, den Bad Hönninger Verbandsbürgermeister Michael Mahlert und dessen Kollegen von Weißenthurm, Georg Hollmann, sowie den Beueler Ingenieur Rolf Niemeyer, „den geistigen Vater des Westerwald-Taunus-Tunnels“ (WTT). Auf dessen Ausführungen warteten gespannt rund 150 Bürger, die alle ein Ziel haben: Gegen den krankmachenden Bahnlärm im Mittelrheintal kämpfen, der zudem nicht nur die Gesundheit schädigt, sondern auch die Lebensqualität und den Wert des Eigentums erheblich mindert.

„Man weiß längst, wo es brennt“, so Rolf Papen in einem kurzen Einstieg in die Thematik. Rüdiger Grube selber habe auf die Störanfälligkeit der Bahn hingewiesen angesichts von 1.629 Unfällen im Jahr 2013. Man könne sich das Schreckenszenario vorstellen, wenn in diese innerhalb von Ortschaften giftige Stoffe oder radioaktives Material transportierende Waggons verwickelt wären, die mit Geschwindigkeiten bis zu 120 Kilometer in der Stunde durch das enge Rheintal donnern. „Die Bahn sollte auf Erkenntnisse reagieren, nicht erst auf Ereignisse“, sagte der BI-Vorsitzende und forderte leisere sowie vor allem langsamere Züge. Kurzfristig müsse man alle technischen Möglichkeiten nutzen, mittelfristig die Dezibelbelastung senken und Nachtfahrverbote für laute Züge erlassen. „Langfristig heißt das Ziel: Raus aus dem Tal, wobei eine Neustrecke mit Tunnel der Königsweg wäre“, so Rolf Pape.

Selbst Dirk Rompf, im Bahn-Vorstand für das Ressort „Netzplanung und Großprojekte“ zuständig, habe die Notwendigkeit neuer Trassen erkannt. „China plant einen 123 Kilometer langen Tunnel unter dem Chinesischen Meer mit deutschem Ingenieur-Know-How und bei uns sollte ein vergleichbares Projekt nicht möglich sein?“, fragte er rein rhetorisch. Günter Hollmann habe es auf den Punkt gebracht, dass mit einem langen Atem für das Rheintal der Druck auf die Bahn aufrecht erhalten werden müsse. „Wenn der Lärm nicht aus dem Rheintal geht, gehen die Menschen“, warnte Rolf Papen vor dem Vortrag von Rolf Niemeyer.

Dieser hält die vorhandenen Schienenwege links- wie rechtsrheinisch für völlig ungeeignet, den Güterverkehr zu bewältigen, vor allem, wenn die NEAT (Neue Eisenbahn Alpentraversale) mit dem Gotthard Basistunnel voraussichtlich im Sommer 2016 in Betrieb genommen wird, um die Containerhäfen Antwerpen und Rotterdam mit den Mittelmeerhafen Genua zu verbinden. „Die Eifelstrecke ist einspurig und die Siegstrecke Richtung Gießen entspricht nicht den Vorgaben für Güterzüge. Allein die Rheinstrecke böte sich angesichts der geringsten Höhenprobleme an“, so der Fachmann.


Neue Erfindungen für den Tunnel wären nicht notwendig


Während die Hochgeschwindigkeitszüge auf der 180 Kilometer langen Strecke Köln-Rhein/Main seit 2002 über den Westerwald und den Taunus fahren, ist diese trotz zahlreicher Brücken und Tunnel steile Trasse mit Steigungen bis vier Prozent für die schweren Güterzüge nicht zu benutzen. „Abhilfe kann nur ein Basistunnel schaffen, der von Troisdorf/Sankt Augustin bis nach Wiesbaden führt“, erklärte Rolf Niemeyer. Auch wenn eine Machbarkeitsstudie noch nicht vorläge, wären neue Erfindungen nicht notwendig. Deutsche Tunnelbaumaschinen seien weltweit im Einsatz.

Die Höhenlage des WTT würde der des Mitterheintals entsprechen. Bei gleichmäßiger Steigung wäre eine Höhendifferenz von rund 35 Metern zu überwinden. Aufgrund der Höhenlage könnte das Lahntal unterquert werden. Ausgelegt würde der Tunnel durch das Rheinische Schiefergebirge mit zwei eingleisigen, parallelen Tunnelröhren nur für Güterzüge mit Elektroloks. Das Nordportal läge in Sankt Augustin südlich der Siegbrücke, enden würde der rund 100 Kilometer lange WTT im Süden bei Wiesbaden-Schierstein, um bei Walluf an die rechtsrheinische Eisenbahnstrecke anzuschließen. Eine weitere Variante mit einer Tunnelunterbrechung im Wiedtal und dem Südportal in Hochheim wäre 18 Kilometer länger und weniger kostengünstig. „Die Mittelrheintrasse würde so nur noch für den geringen Güterverkehr von Köln nach Koblenz mit Abzweig in das Moseltal genutzt“, erklärte Rolf Niemeyer. Während die ICE-Züge im Fernverkehr Köln-Rhein-Main auf der Höhentrasse über das Gebirge fahren würden, verbliebe im Rheintal nur noch der Regionalverkehr der Personenzüge. Einziger Haken an der Sache: Selbst der geistige Vetter des WTT ging davon aus, das eine Realisierung des Tunnels bis zu 15 Jahren dauern kann.

„Alle Abgeordneten des Landtages von Rheinland-Pfalz stehen an ihrer Seite“, erklärte der Innenminister. Ausweichstrecken sind für die Politik keine Frage, nur wo und wie sie umgesetzt werden könnten, sei völlig offen. „Die Vision der Tunnellösung ist sehr interessant. Wichtig ist aber, dass wir in den Bundesverkehrsplan 2015 hineinkommen, sonst sind wir in den nächsten 15 Jahren außen vor“, betonte Roger Lewentz. Sein Ministerium werde auf Rolf Niemeyer zugehen, um seine Argumente eingehend zu prüfen. Etwas zurückhaltender äußerte sich Jutta Blatzheim-Roegler, die sich mit angedachte WWT erst näher beschäftigen möchte.

„An einer Vorstudie soll das Projekt jedoch nicht scheitern“, sagte auch sie zu.

Das aber konnte die Bahnlärm-Gegner angesichts der Zeitdauer von bestenfalls 15 Jahren nicht zufriedenstellen. „Bis die Güterzüge tatsächlich durch den WWT fahren, lebe ich ja schon längst nicht mehr“, war aus dem Kreis der Zuhörer zu vernehmen. Entsprechend wollten sie wissen, wie es mit der Zusage stünde, durch Umbauten an den Güterwaggons bis 2016 eine Lärmreduzierung zu erreichen. Nach den Plänen der schwarz-roten Bundesregierung soll die Lärmbelastung durch die Bahn im Rheintal zwar bis Ende 2016 durch eine Umrüstung mit sogenannten „Flüsterbremsen“ bei der Hälfte der in Deutschland fahrenden Güterwagen spürbar sinken, allerdings hat der Verband der deutschen Verkehrsunternehmen (VdV) diese Vorgabe als nicht umsetzbar bezeichnet. Eine schnelle Umstellung von 50 Prozent der Waggons auf die neuen Bremsen würde 300 Millionen Euro kosten und sei von den Unternehmen nicht zu finanzieren. Hinzu kämen nochmals 700 bis 800 Millionen Euro, wenn alle Güterwagen bis 2020 umgerüstet werden müssten.


Bislang gibt es noch keine gesetzlichen Vorgaben


Auch wenn der VdV hinsichtlich angedrohter Sanktionen vor schwerwiegenden Folgen für den Eisenbahnverkehr warnt, richtig ist, dass vom Bundeseisenbahnamt (und nur von diesem) ein Nachtfahrverbot für zu lauten Güterwagen ausgesprochen werden kann. Deutlich hervorgehoben wurde im Laufe der Diskussion zudem, dass es bislang noch keine gesetzlichen Vorgaben für alte Strecken der Bahn hinsichtlich der Lärmemission gibt. „Das Problem, dass die Bundesregierung hier gesetzliche Vorgaben schaffen muss, ist inzwischen aber bei den Arbeitsgruppen in Berlin angekommen“, berichtete Roger Lewentz.

Wie wichtig es ist, dass die Bürger nicht nachlassen, gegen den Bahnlärm zu protestieren, machte Michael Mahlert deutlich. „In meiner Funktion als Bürgermeister erlebe ständig hautnah, dass Bahnlärm Ansiedlung im Rheintal erhindert“, mahnte er.

Es würde viele Möglichkeiten geben, den Bahnlärm zu mindern, um diese krankmachende, unerträgliche Beeinträchtigung nahezu gänzlich aus dem Rheintal zu verbannen, aber nut eine: den Westerwald-Taunus-Tunnel. „Der muss her und wir werden alles daran setzen, dass er auch gebaut wird“, schloss Franz Breitenbach die Veranstaltung.

DL

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