Unter dem Titel „Wieder da“ zeigt der Bonner Künstler Karl-Theo Stammer seine Linolschnitte und frühe Kinderzeichnungen

Da, wo alles begann

Da, wo alles begann

Künstler Stammer umgeben von seinen Linolschnitten in der Rathaus-Ausstellung.

Da, wo alles begann

Das passende Geschenk für einen, der im „Haus des Bares“ wohnte: Der Bürgermeister überreicht dem Künstler ein Sinzig-Puzzle mit Kirchplatzblick.

Da, wo alles begann

Die Erste Beigeordnete Charlotte Hager und Bürgermeister Wolfgang Kroeger (M.) freuen sich über Karl-Theo Stammers Druck der Edition Sinzig.HG

Sinzig. Das gesamte Treppenhaus im Rathaus ist in eine Galerie verwandelt. An den Wänden hängen Bildwerke mit farbig abgesetzten Rundformen, Konstellationen aus geraden Linien, Schwünge, die an Handschrift erinnern und Flächen, die gerissen oder gelocht erscheinen. Die Bilder künstlerischer Druckgrafik kommen mit wenigen Formen aus, sind allerdings keineswegs eingängig. Denn sie verweigern sich einer schnellen Deutung. Dies kommt wirklich interessierten Betrachtern entgegen, können sie sich der Kunst doch in immer neuen Sichtweisen nähern. Das taten als „Erstkonsumenten“ die Gäste der Vernissage. Sie erlebten einen sehr anregenden und heiteren Abend. Der offizielle Einstieg unterschied sich als solcher nicht von denen ähnliche Anlässe. Der Bürgermeister begrüßte die Gäste, Kunsthistorikerin Liz Volk führte ins Werk des Künstlers ein, Manfred Weber und Tobias Kröll steuerten Gitarrenklänge bei. Zuletzt sprach der Künstler. Doch fiel der aufgekratzte Ton aller Beteiligten auf. Offenbar hatte die Hauptperson, Karl-Theo Stammer, sie mit seiner künstlerischen Intensität und einem leidenschaftlich vorgebrachten Heimatbekenntnis beeindruckt.

Heimkehr mit 25

Linolschnitten

Jedenfalls sind unter dem trockenen bis schelmischen Titel „Wieder da“ vom 1951 im damaligen Krankenhaus der Sinziger Renngasse geborenen Künstler, der wechselweise in Bonn und im Südtiroler Bruneck lebt und arbeitet, nicht nur 25 Linolschnitte, „meine eigentliche Domäne“, versammelt. Ungewöhnlich ist, dass er ebenfalls seine Bleistift- und Buntstiftzeichnungen aus der Kindergartenzeit, gebunden von „Tante“ Käthe Jonas, zeigt.

Stammer studierte an der Kölner Fachhochschule für Kunst und Design. Für sein Werk wurde er mehrfach geehrt. 1988 erhielt er den Hans-Thuar-Preis und das Stipendium der Stadt Bonn, fünf Jahre später den Bonner Kunstpreis und 2012 die August-Macke-Medaille. „Nicht zuletzt diese Auszeichnung gab uns den Anstoß, eine Ausstellung hier an Ihrem Heimatort zu realisieren; so kommen Sie auch dem Drängen ihrer Familie und Fangemeinde nach“, erklärte Bürgermeister Wolfgang Kroeger. Er attestierte Stammer: „Trotz Erfolgs sind Sie nicht abgehoben“, und überreichte ein 1000-Teile-Sinzig-Puzzle. Der so Beschenkte revanchierte sich mit dem Schrift-Druck „Sinzig“.

Als Sinzig an Licht

und Lautstärke erstrahlte

Zuerst stellte er klar: „John F. Kennedy hat geflunkert, als er sagte, "Ich bin ein Berliner", ich aber kann mit Fug und Recht sagen, ich bin ein Sinziger“. Sodann verfolgte das Publikum verblüfft, wie er vollends beseelt, ohne Scheu, aber auch ohne Sentimentalität, offenlegte, wie wertvoll ihm die ersten Kindheitserlebnisse – 1957 zog die Familie nach Bonn – bis heute sind: „Ich wohnte früher im Haus des (Organisten Peter) Bares. Ich habe von da aus alles gesehen auf dem Kirchplatz. Wie (der Spielmannszug) Freiweg Sinzig durch die Stadt marschierte, St. Martin, Maibaumaufstellen, die Sinziger Kirmes, wo Sinzig erstrahlte an Licht und Lautstärke, das ist heute noch so präsent.“ Was er sah, hielt er tags darauf in Zeichnungen fest. „Ich bin kein Pharao, aber ich würd‘s später als Grabbeigabe mitnehmen, weil das die ersten künstlerischen Impulse sind“.

Zu den Linolschnitten, die alle in den vergangenen vier Jahren entstanden, davon ein Großteil in diesem Jahr, erläuterte Liz Volk, Stammer achte stets „auf eine Ausgewogenheit zwischen Linie und Fläche“. Die verwendeten Offset-Farben „gefallen ihm wegen ihrer Intensität und Kompaktheit“. Er verbinde sie „mit Leichtigkeit und Frohsinn“, Werte, die ihm seine Mutter mit auf dem Weg gegeben habe, der er ebenso seine künstlerische Sensibilität sowie Offenheit und Ehrlichkeit verdanke, die auch in seinem künstlerischen Ansatz zur Geltung kämen. Gedruckt wird in mehreren Farbschichten, die erlauben, den Arbeitsprozess nachzuvollziehen. Volk erklärte: „Der Künstler notiert die Welt nach eigenem Empfinden“. Was immer die zumeist sehr reduzierten Bilder Stammers im Betrachter an Assoziationen und Emotionen auslösen, auf etwas Gegenständliches lassen sie sich in den seltensten Fällen zurückführen. Als eine Ausnahme nannte die Kunsthistorikerin indes eine Arbeit zum Thema Pützchens Markt. Sie ist wegen ihrer Anmutung rotierender Kreisabschnitte unschwer auszumachen.

Auf die gewählten Formen, die vermeintlichen Motive hin angesprochen, sagt der unentwegt tätige Karl-Theo Stammer: „Es fliegt mir zu. Man ist wie ein Zirkuspferd drauf dressiert, die Dinge zu sehen. Die Linien sind überall, in der Natur, auf der Straße. Ich bündele das in meinem Formenkatalog, zeichne die Linien auf, schneide sie aus“.

Die Ausstellung, bei der Sinzig- und Weihnachtseditionen zu haben sind, ist bis 31. Januar im Rathaus zu sehen. Infos gibt es beim Künstler unter Tel. (02 28) 63 37 41 und bei Monika Schütter, Tel. (01 51) 64 81 35 46.