Podiumsdiskussion der Landesfachkommission „Bildung und Arbeitsmarkt“ des Wirtschaftsrates der CDU e.V. Rheinland-Pfalz:

„Gerechtigkeit durch Regulierung?Der Arbeitsmarkt auf dem Prüfstand!“

„Gerechtigkeit durch Regulierung?
Der Arbeitsmarkt auf dem Prüfstand!“

Andreas Müller (r.) war gleichzeitig Gastgeber und ein am Thema interessierter Fragesteller im Publikum.

„Gerechtigkeit durch Regulierung?
Der Arbeitsmarkt auf dem Prüfstand!“

(V.l.) Ulrike Mohrs, Gabriele Wolff, Oliver Stettes und Antje Lezius stellten den Arbeitsmarkt gemeinsam auf den Prüfstand. BSB

Koblenz. Die Landesfachkommission „Bildung und Arbeitsmarkt“ des Wirtschaftsrates der CDU e.V. Rheinland-Pfalz hatte zu einer Podiumsdiskussion zum Thema „Gerechtigkeit durch Regulierung? Der Arbeitsmarkt auf dem Prüfstand!“ in das Innovationsforum der CompuGroup Medical SE nach Koblenz geladen. Aus dem Hause CompuGroup begrüßte Dr. Andreas Müller, Senior HR Business Partner Deutschland, die Teilnehmer. Die Einführung in die Thematik übernahm die Vorsitzende der Landesfachkommission, Dr. Gabriele Wolff, die zudem die drei Referenten Antje Lezius (Mitglied des Ausschusses Arbeit und Soziales des Deutschen Bundestages), Ulrike Mohrs (Vorsitzende der Geschäftsführung der Koblenzer Agentur für Arbeit) und Dr. Oliver Stettes (Leiter Kompetenzfeld Arbeitsmarkt und Arbeitswelt beim Institut der Deutschen Wirtschaft in Köln) vorstellte. Antje Lezius nannte in ihrem Referat zunächst die erfreuliche Zahl von 43 Millionen sozialversicherungspflichtig Beschäftigten, womit Deutschland im EU-Vergleich mit an der Spitze liegt. Dennoch ist die Fachkräftesicherung die dringendste Sorge der Unternehmen. Der derzeit viel beschriene Fachkräftemangel betreffe allerdings nur manche Regionen und nur einige Branchen. Dazu gehören eine Reihe von Gesundheits- und Pflegeberufen und alle „MINT“-Berufe (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft, Technik). Die Potentiale der Menschen im Land brach liegen zu lassen, sei daher nicht vertretbar.

Qualifikation und Weiterbildung attraktiv gestalten

Lezius machte sich stark für eine beruflich bessere Integration vor allem von Menschen mit Migrationshintergrund sowie Zuwanderern, aber auch Frauen, älteren Erwerbstätigen und Geringqualifizierten. Sie forderte, Qualifikation und Weiterbildung für Arbeitnehmer und Arbeitgeber attraktiv zu gestalten sowie eine weitere Stärkung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf anzustreben. Dennoch vertrat sie die Auffassung, dass es keiner Politik gelingen könne, durch Regulierung Gerechtigkeit herzustellen. „Umgekehrt wird ein Schuh daraus!“. Ulrike Mohrs Referats-Einstieg lag bei den „Chancen zur Teilhabe (am Arbeitsmarkt)“, die gerade für Langzeitarbeitslose schlecht stehen. Für sie wie für Geringqualifizierte und Berufseinsteiger sieht sie die Angebote der Zeitarbeit als Chance. Das Instrument biete auch den Unternehmen größere Flexibilität. Oliver Stettes nannte die zunehmend besser in den Arbeitsmarkt integrierten Jugendlichen, Frauen und Älteren als Mit-Verursacher für den massiven Anstieg der Erwerbstätigkeits-Quote. Die bewusste Anlage eines Niedriglohnsektors durch Zeitarbeit, Minijobs und ähnliche Beschäftigungsformen sei kein Kosmetikum für die Beschäftigungszahlen, sondern biete umfragegemäß den Nutzern dieser Angebote eine reale Zufriedenheit. Ein echter Dorn im Auge ist Stettes die „verfestigte Langzeitarbeitslosigkeit im SGB II-Bezug“. „Darum müssen wir uns mal kümmern!“. Er verlangt nach Beschäftigungsverhältnissen, die relativ geringe Qualifikationsanforderungen stellen, damit aber natürlich ein geringes Entgelt mit sich bringen. Die mit dem digitalen Wandel in der Arbeitswelt einhergehenden Sorgen der Menschen, sieht Stettes als Einschränkung der Flexibilität, die wiederum benötigt werde, um den Wandel positiv gestalten zu können. Flexibilität werde sowohl von Unternehmen als auch von Arbeitnehmern erwartet. Geschäftsmodelle seien gegebenenfalls komplett neu aufzustellen, ein daraus folgender möglicher Personalabbau sei hinzunehmen. Arbeitnehmer müssten daher umdenken und sich zunehmend mit Berufs- und Ortswechseln auseinandersetzen. Eine stete berufliche Weiterentwicklung sei unerlässlich für langfristige Beschäftigungsperspektiven.

Trainer und Ausbilder

müssen sich weiterbilden

Lezius machte deutlich, dass sich in gleichem Maße Trainer und Ausbilder weiterbilden müssen. Es gelte Anreize zu setzen, damit sie ihr Wissen permanent auf dem neuesten Stand halten. Anreize seien in ihren Augen sowieso Regulierungen und Vorschriften vorzuziehen. Für Fortbildungsberatung vor allem in kleinen und mittelständischen Unternehmen bietet sich die Agentur für Arbeit an, wie Mohrs anfügte. Sie schlug vor, durch die Qualifizierung des vorhandenen Personals unbesetzte Stellen in den Betrieben zu füllen, und die danach frei werdenden Positionen „von unten nachzufüttern“. In der Fragerunde nach den Referaten konnten die Teilnehmer ihre Gedanken und Ideen mit den Referenten austauschen. Ob die derzeitig komfortable Arbeitsmarktsituation eher trotz oder wegen der erfolgten gesetzlichen Regulierungen gegeben sei, wurde beispielsweise gefragt. Das Ergebnis der Regulierung durch die Agendareform und die Zusammenlegung von Sozial- und Arbeitslosenhilfe zum Arbeitslosengeld II erachtet Stettes als positiv. Vielerlei Faktoren seien begünstigt worden, und es habe damit ein Umdenken und ein anderes Agieren eingesetzt. Mohrs sieht das Positive in der Zunahme von sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungen nach Abschaffung der 450-Euro-Jobs und Einführung des Mindestlohns. Als Unternehmerin, die sie auch ist, so Lezius, habe sie den Mindestlohn zunächst mit einem Bauchgrummeln betrachtet. Doch als sie dann in den Bundestag kam, habe sie seine zweite Seite erkannt. Die Lockerung der Tariflandschaft habe effektiv zu mehr Einstellungen geführt. Seit dem 01. Januar 2017 beträgt der Mindestlohn 8,84 Euro brutto pro Stunde.

Wie eng verbunden die Situation am Arbeitsmarkt mit der Bildungspolitik ist, zeigte sich anhand der weiteren Wortbeiträge. Nicht nur die Wertschätzung für hochqualifizierte Facharbeiter komme gegenüber Abitur und Studium zu kurz, sondern viele junge Leute verschenkten an den Hochschulen wertvolle Jahre, hieß es aus dem Kreis der Teilnehmer. Es sei dringend geboten, die duale Ausbildung schwerer zu gewichten, bestätigte Mohrs. Gerade die jungen geflüchteten Menschen seien neues Potential dafür, selbst wenn der Weg ein langer und schwerer sei. Lezius zeigte auf, dass dem Bundestag zudem daran gelegen sei, die hohe Quote der Studienabbrecher (knapp jeder dritte Student macht keinen Abschluss) für einen der rund 350 Berufe zu interessieren, die im dualen Ausbildungssystem erlernt werden können. Stettes warb für duale Ausbildungen, bei denen die Unternehmen ihren Mitarbeitern akademische Zusatzqualifikationen anbieten. Lezius wies darauf hin, dass zur Stärkung des Handwerks das Meister-BAföG vom Bund jüngst eine weitere finanzielle Unterstützung erhalten habe. Zu den weiteren, vom Publikum eingebrachten Themen gehörten eine mögliche Lockerung des Kündigungsschutzes und zu hohe Kosten für Praktikanten. Unter dem Strich ist deutlich geworden, wie Ulrike Mohrs es formulierte, dass es schwierig ist, das genau richtige Maß der Regulierung zum optimalen Beschäftigungsaufbau zu finden. Zum Abschluss der Podiumsdiskussion bedankte sich Gabriele Wolff bei den Referenten und lud die Gäste ein, das angebotene Imbiss-Buffet zu nutzen, um sich in persönlichen Gesprächen noch konkreter mit der Thematik auseinanderzusetzen.