Rechtsextremes Netzwerk „Aktionsbüro Mittelrhein“ soll den Umsturz geplant haben

Dritter Anlauf für den schwierigen Prozess

Dritter Anlauf für den schwierigen Prozess

Am Landgericht Koblenz beginnt zum dritten Mal der Prozess gegen die Mitglieder des mutmaßlich rechtsextremen Netzwerks „Aktionsbüro Mittelrhein“. Symbolbild/Foto: Landgericht Koblenz

Dritter Anlauf für den schwierigen Prozess

Das sogenannte „Braune Haus“ in der Weinbergstraße 17 in Bad Neuenahr-Ahrweiler.Foto: privat

Koblenz/Bad Neuenahr-Ahrweiler. Der Prozess gegen die Mitglieder des mutmaßlich rechtsextremen Netzwerks „Aktionsbüro Mittelrhein“ beginnt am Dienstag, 26. Februar. Und das mittlerweile schon zum dritten Mal ganz von vorn. Bis in den Dezember hinein sind rund 90 Verhandlungstage angesetzt, teilte das Landgericht Koblenz mit. Die Anklage, die im vergangenen November bei der zweiten Auflage des Mammutprozesses schon einmal verlesen worden war, muss dabei erneut vorgetragen werden. Damit ist bei einem der langwierigsten Prozesse in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland noch längst kein Ende abzusehen.

Das „Aktionsbüro Mittelrhein“ war nach Überzeugung der Staatsanwaltschaft ein Zusammenschluss mehrerer rechtsextremer Kameradschaften, der in Bad Neuenahr-Ahrweiler in der Weinbergstraße 17 sein Hauptquartier hatte, im sogenannten „Braunen Haus“. Der Name war anscheinend bewusst gewählt mit Bezug auf das „Braune Haus“ in München, in dem einst die Parteizentrale der Nazi-Partei NSDAP war.

Von diesem Stützpunkt in Bad Neuenahr-Ahrweiler aus seien unter anderem die jährlich stattfindenden Naziaufmärsche organisiert worden, mit denen Rechtsextreme aus ganz Deutschland im benachbarten Remagen an das alliierte Kriegsgefangenenlager auf den Rheinwiesen erinnern. Doch das große Ziel der Kameradschaft war nichts Geringeres als die Machtübernahme in Deutschland. Die Neonazis strebten nach Ansicht von Oberstaatsanwalt Walter Schmengler letztlich die Errichtung eines Staats nach nationalsozialistischem Vorbild an: „Das Ziel war die Beseitigung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung.“

Doch dazu sollte es nicht kommen, denn am 13. März 2012 stürmten Spezialeinsatzkräfte der Polizei das „Braune Haus“, gleichzeitig fanden in ganz Rheinland-Pfalz und im Rest der Republik Razzien in rechtsextremen Kreisen statt. Zahlreiche Personen wurden festgenommen, obwohl auf der Webseite des „Aktionsbüros“ noch morgens um 6.09 Uhr gepostet wurde, dass gerade im Ahrtal bei mehreren „Kameraden“ Hausdurchsuchungen stattfänden und mit weiteren Durchsuchungen zu rechnen sei.

Laut Anklageschrift wird den ursprünglich 26 Festgenommenen unter anderem die Bildung oder die Unterstützung der kriminellen Vereinigung „Aktionsbüro Mittelrhein“ vorgeworfen, zudem gefährliche Körperverletzung, schwerer Landfriedensbruch und Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen. Linke sollen attackiert, Hakenkreuze geschmiert und Scheiben eingeworfen worden sein. Einen Beamten sollen die „Kameraden“ mit einem GPS-Peilsender observiert haben.

Die Anklageschrift umfasste fast 1000 Seiten

Der erste Prozess gegen das „Aktionsbüro Mittelrhein“ begann bereits am 20. August 2012, die Anklageschrift umfasste fast 1000 Seiten. Unter anderem sei das „Aktionsbüro“ 2011 am Überfall auf das Haus einer linken Wohngemeinschaft in Dresden beteiligt gewesen, bei dem Böller geworfen und mehrere Scheiben mit Knüppeln zerschlagen wurden. Doch der Prozess kam nur äußerst schleppend in Gang. Von ursprünglich 26 Angeklagten waren bald nur noch 17 übrig. Bis zu 52 Anwälte und Verteidiger kümmerten sich um die Rechte der Angeklagten und stellten insgesamt 500 Befangenheitsanträge, 240 Beweisanträge und 400 Anträge zum Verfahrensablauf.

Diese durchaus von der Strafprozessordnung gedeckte Vorgehensweise wurde zwar von der Staatsschutzkammer des Landgerichts, die den Fall behandelte, als gezielte Sabotage gebrandmarkt, doch auch auf der Richterbank lief nicht alles vorbildlich während der mehr als 330 Verhandlungstage. So „bescherte“ ein Schöffe die Staatsanwälte in der Vorweihnachtszeit mit Schokoladen-Nikoläusen, was ebenso zu einem erfolgreichen Befangenheitsantrag führt wie die lange Beschäftigung eines anderen Schöffen mit seinem Handy. Ein Jahr später, am 29. Oktober 2013, sorgt eine Stinkbombe im Gerichtssaal für einen Großeinsatz der Polizei. Der Prozess wird unterbrochen, der Täter jedoch nie gefasst.

Im Lauf der Zeit zeichnete sich ab, dass der angeklagte Paragraf 129 des Strafgesetzbuchs, der die Bildung einer kriminellen Vereinigung zum Inhalt hat, seine Tücken hat und der Prozess nicht nur enorm aufwendig zu werden drohte, sondern auch noch eine vergleichsweise geringe Aussicht auf Erfolg hat. Schließlich muss jedem einzelnen Mitglied der kriminellen Vereinigung akribisch nachgewiesen werden, was es wann von welchen Delikten gewusst hat, was es dazu beigetragen hat und ob es dafür seinen eigenen Willen dem Gesamtwillen der Vereinigung untergeordnet hat. „Wir wissen alle, dieses Verfahren sucht seinesgleichen – und wird es nicht finden“, hatte der Vorsitzende Richter der Zwölften Großen Strafkammer, Hans-Georg Göttgen, am Anfang des Prozesses folgerichtig geäußert. Im Lauf der Zeit trennte die Kammer dann auch ein Verfahren nach dem anderen ab, bis die Zahl der Angeklagten auf nur noch 17 gesunken war.

Doch nicht nur bei den Angeklagten gab es einen Schwund, sondern auch auf der Richterbank. Nachdem die beiden Schöffen schon ausgeschieden waren, wurde auch noch ein Richter pensioniert. Das schien zunächst kein Problem zu sein, denn die Kammer war in weiser Voraussicht mit einem Ersatzrichter in den Prozess gestartet. Doch als dann auch der Vorsitzende Richter Göttgen in den Ruhestand trat, bedeutete dies zugleich das ergebnislose Ende des Prozesses – nicht unbedingt ein Ruhmesblatt für die Koblenzer Justiz. Zumal manche Prozessbeobachter den Eindruck gewonnen hatten, dass dem Gericht nicht unbedingt an einem schnellen Verfahren gelegen sei.

Stinkbomben erzwangen die Räumung des Saals

So zogen sich Zeugenvernehmungen mitunter über Tage, und manchmal bestanden die Verhandlungstage aus fruchtlosem Warten, weil ein Prozessbeteiligter im Stau stand oder den Termin schlichtweg vergessen hatte. Auch die Verteidiger trugen ihr Scherflein zur langen Verfahrensdauer bei mit einer Vielzahl von Anträgen, Rechtsgesprächen, Ideen und Anregungen. Es gab Stinkbomben, die eine Saalräumung erzwangen. Ein Anwalt ließ es sich nicht nehmen, seine Stellungnahme in Reimform vorzutragen. Nicht zuletzt hatten manche Prozessbeobachter den Eindruck, dass Richter Göttgen das Verfahren einfach nicht in den Griff bekam.

Ende 2017 legte die Staatsanwaltschaft Koblenz Beschwerde ein gegen das ruhestandsbedingte Prozessende und hatte damit Erfolg. So gab es einen zweiten Anlauf im Oktober 2018 – so dachten alle zumindest, doch schon am ersten Verhandlungstag musste der neue Vorsitzende Richter Reiner Rühmann, seines Zeichens Vizechef des Landgerichts Koblenz, ein Attest eines Angeklagten verlesen, der wegen einer „Gastroenteritis“ von einem Amtsarzt bis zum 19. Oktober krankgeschrieben worden war. Eine von der Staatsanwaltschaft beantragte Abtrennung des Verfahrens gegen diesen Angeklagten wurde abgelehnt, das Hauptverfahren erst am darauffolgenden Dienstag eröffnet. Allerdings dauerte es nicht lange, bis der Prozess aus formellen Gründen vorerst ausgesetzt werden musste.

Besetzungsrüge hatte keinen Erfolg

Grund dafür war nach Angaben des Landgerichts eine Besetzungsrüge von mehreren Angeklagten gegen das Gericht. Dabei geht es um die Frage, ob die richtige Kammer mit dem Prozess beauftragt wurde. Das richtet sich nach dem Geschäftsverteilungsplan des Koblenzer Landgerichtes, in dem festgelegt wird, welche Kammer welches Verfahren übernimmt. Die Verteidiger waren der Ansicht, dass der „Braune-Haus-Prozess“ vor der falschen Kammer stattfindet, weil die Zwölfte Große Strafkammer ausweislich des Geschäftsverteilungsplans keine „Staatsschutzkammer“ sei. Mittlerweile scheint aber klar zu sein, dass die Zwölfte Große Strafkammer doch die richtige für diesen Prozess ist.

Deshalb soll am Dienstag, 26. Februar, zum dritten Mal der Neustart des Prozesses versucht werden. Und zwar mit der Verlesung der Anklageschrift – bislang sind etwa 90 Verhandlungstage bis Ende 2019 vorgesehen.