Jahresversammlung des Historischen Vereins Andernach

Alljährliche Jahresversammlung fand statt

Alljährliche Jahresversammlung fand statt

Thilo Heyl. Fotos: privat

Alljährliche Jahresversammlung fand statt

Zahnarztstuhl und Tretbohrer aus der Zeit um 1910.

Andernach. Der Historische Verein Andernach hat seine alljährliche Jahresversammlung gehalten. Vorsitzender Günter Haffke begrüßte im Parkhotel Andernach Mitglieder und Gäste. Nach Feststellung der Ordnungsmäßigkeit und einem Totengedenken für den Architekten Konrad Schlossberger, der langjährig Mitglied des Vereins war, resümierte er die Tätigkeiten und Exkursionen des Vereins.

In der Rückschau wurden die durchgeführten Exkursionen zum Untergang des Römischen Reiches nach Trier und nach Mainz erwähnt und eine wegen extremer Hitze verschobene Exkursion zum Römerbergwerk Meurin für 2023 in Aussicht gestellt. Für das neue Jahr ist eine Exkursion ins Historische Museum in Speyer „Die Habsburger im Mittelalter- Aufstieg einer Dynastie“ (März 2023) geplant. Außerdem sind zum Thema „Geld“ ein Vortrag über historische Münzen von Experte Florian Haymann (April 2023), so wie eine Exkursion nach Frankfurt in das Geldmuseum der Bundesbank und ins Münzkabinett des Hist. Museums der Stadt Frankfurt (Mai 2023) und eine Exkursion nach Cochem-Cond zum Bundesbankbunker (Sept. 2023) vorgesehen.

Der Historische Verein unterstützt durch die Vorstandsmitglieder Claudia Gesell, Günter Haffke, Kai Seebert die Bürgerinitiative Erinnern (letzte Veranstaltung am 9. November war ein Vortrag von Klaus Schabronat zum „Schicksalsdatum der Deutschen“ im historischen Rathaus). Thilo Heyl nahm für den Historischen Verein an der Verleihung der Plakette „Orte der Demokratie-Geschichte“ für die Ausstellungsbaracke „Wiege der Bundeswehr“ teil, außerdem führt er den Förderverein Heilkundemuseum. Im Förderverein Christuskirche ist Günter Haffke aktiv, im Förderverein Michaelskapelle sitzt Reinhard Gilles für den Historischen Verein, im Förderverein Marien-Dom Dr. Sylvia Schwitalla. Zudem wirkt der Verein auch bei der Vorbereitung zur Ausstellung mit der Thematik „Flucht und Vertreibung“ im Stadtmuseum mit. Der Verein beobachtet zudem die Entwicklung in Sachen neues Museum; Dr. Kai Seebert, Leiter des jetzigen Stadtmuseums, ist auch Mitglied des Vorstands des Historischen Vereins.

Im zweiten Teil stellte Thilo Heyl in einem sehr interessanten Vortrag über das „Johann-Winter-Museum“ in Andernach den Werdegang und die Entwicklung dieses „Kleinods“ medizinischer Sammlungen vor.

Johann Winter, der Namensgeber für das Museum, wurde 1505 in Andernach geboren, studierte 1517 in Utrecht, wo er Erasmus von Rotterdam begegnete, Griechisch und Latein und verfasste mit gerade 22 Jahren eine systematische griechische Grammatik, die es bis dato nicht gab. Ab 1527 nahm er an der Sorbonne in Paris ein Medizinstudium auf, promovierte 1532 und war schon zwei Jahre später Professor für Medizin und Anatomie. Er übersetzte den Urtext des antiken Arztes Galenus von Pergamon (130-ca, 216) und erwarb sich dadurch bei Medizinern wie Humanisten hohes Ansehen. Er war Lehrer von Andreas Vesal, der über 200 Irrtümer Galens korrigierte und mit seinen anatomischen Erkenntnissen zum Begründer der modernen Anatomie wurde. Johann Winter war dreimal verheiratet, als seine erste Frau 1538 an der Pest in Metz starb, verfasste er ein Buch über diese Seuche. Auch in Straßburg, wo er später wohnte, arbeitete er als angesehener Arzt und hielt Vorlesungen. Als er 1574 starb, hinterließ er 15 Werke und 63, teils kommentierte Übersetzungen.

Die Familie von Thilo Heyl erwarb das frühere Haus von Professor Johannes Schwab (1871-1947), der sich mit Forschungen zur Stadtgeschichte und der Initiative für ein Heimatmuseum in Andernach einen Namen machte, im Jahre 1952. In diesem Haus wurde das „Johann-Winter-Museum“ eingerichtet, der 1987 gegründete Verein „Heilkundemuseum e. V. (heute 85 Mitglieder) unterstützt seitdem die privat begonnene Sammlung.

Mit den Jahren wird das Museum immer bekannter und es finden sich in ganz Deutschland Spender von ausrangierten medizinischen Geräten. Teils auf abenteuerlichen Wegen finden Gerätschaften und Instrumente den Weg ins Museum, so auch eine „Eiserne Lunge“, als das Oldenburger Krankenhaus-Museum schließt oder ein alter Zahnarztstuhl aus der ehemaligen DDR. „Heute“, so gibt Thilo Heyl zu bedenken, „nimmt die Spendenbereitschaft deutlich ab, da sich diese historischen Gegenstände in Ebay-Kleinanzeigen und bei Ebay selbst gut verkaufen lassen.“

Die Sammlung des Museums wurde in Teilen schon in Limburg, Bonn, Wittlich und Koblenz gezeigt, Leihgaben an verschiedene Museen und Institute gegeben, u.a. an den Fernsehsender ARD. 2005 gab es eine Sonderausstellung zum 500. Geburtstag von Johann Winter, 2014 zum Thema „Erster Weltkrieg“ die Ausstellung „Verwundetenversorgung in Kriegszeiten“. Dann nimmt uns der Referent zu einem „virtuellen“ Rundgang mit ins Museum. Die sehr interessante Sammlung erstreckt sich von der Antike über das Mittelalter bis in die Moderne. Allerdings wird dem Besucher auch deutlich, dass die Kapazitätsgrenze mehr als erreicht ist, was die Frage aufwirft, wie es in Zukunft mit dem Museum weitergehen soll. Es wäre zu schade, wenn diese einmalige Sammlung in Andernach irgendwann aufgegeben werden müsste!

Johann Winter fände es im Übrigen wahrscheinlich sehr wünschenswert, wenn die nach ihm benannte „Günterstraße“ entweder erklärt oder wenigstens den richtigen Namen bekommen würde, dieser wurde durch lateinische Übersetzungen und Abschriften nämlich falsch tradiert.