Der Flutbetroffene Michael Auster aus Sinzig hat sich Gedanken um ein alternatives Hochwasserschutzkonzept für das Ahrtal gemacht

Das Ahrtal als gigantisches Rückhaltebecken

Das Ahrtal als gigantisches Rückhaltebecken

Michael Auster hat eine alternative Vorstellung von Hochwasserschutz. Foto:ROB

Kreis Ahrweiler.Der Hochwasserschutz ist nach wie vor eines der wichtigsten Themen im Ahrtal. Als gesichert gilt, dass die Zerstörung, die die Flut von 2021 angerichtet hat, nicht so verheerend ausgefallen wäre, wenn das Wasser mehr Raum gehabt hätte. Deshalb soll es künftig an der Ahr mehr Retentionsflächen geben. Auch der Masterplan für die Gewässerwiederherstellung und Wiederherrichtung des Ufers der Ahr in Bad Neuenahr-Ahrweiler sieht diese Ausweichflächen für das Wasser vor. So sollen Sportplätze und Parkplatz Teil des Hochwasserschutzkonzeptes werden.

Wie das Ahrtal künftig vor einer ähnlichen Katastrophe wie der Juliflut geschützt werden kann, beschäftigt nicht nur Behörden und Fachleute. Michael Auster kommt eigentlich aus Kreuzberg, wohnte bei der Flut in Sinzig und ist Ingenieur. Auch Auster hat sich seinen Gedanken gemacht, dies jedoch ausschließlich als „Flutbetroffener, und nicht als Ingenieur“, wie er betont. Er und seine Freundin erlebten die Flut in der Hohenstaufenstraße in Sinzig, gleich an der Ahr. Seitdem beschäftigt ihn eine Idee. Für ihn wäre ein Mix aus Rückhaltebecken und Stauwehren eine Möglichkeit, die Gemeinden der Ahr flutfest zu machen.

Die Ahr als eine Art

durchlaufende Seenplatte

Der 35-Jährige erklärt seine Vorstellungen: Die Idee kam Auster durch die Verklausungen an den Brücken. Diese Verstopfungen hat er sowohl an der zentralen Brücke kurz hinter dem ehemaligen Sportplatz als auch bei der Brücke an der Kölner Straße in Sinzig gesehen. An letzterer blieb ein Container hängen, der unter anderem für das aufgestaute Wasser verantwortlich war. Auster vermutet, dass gerade diese Aufstauungen auch für die Beschädigungen an ihrer Wohnung verantwortlich waren. Gelänge es jedoch, diese Aufstauung sich im Sinne eines Hochwasserschutzes in geregelte Bahnen zu lenken, wäre dies eine weitere Möglichkeit, um die Ahrgemeinden zu schützen. Auster erklärt: „Die Dörfer an der Ahr liegen wie an einer Perlenschnur aufgereiht meist im Talboden. Die größten Verwüstungen gab es da, wo innerhalb der Ortschaften Brücken oder andere größere Hindernisse für die Wassermassen vorhanden waren.“ Deren Sperrwirkung wurde durch das angeschwemmte Treibgut nochmals verstärkt. Es bildeten sich praktisch Staustufen an der Ahr. „Wenn man nun vor die jeweiligen Ortschaften Wehre bauen würde, könnte man die entstehenden Stauseen vor die Tore der Ortschaften verlagern“, sagt Auster. Überschwemmt würden lediglich die zwischen den Städten und Gemeinden liegenden Flächen. Der Ahrtaler gibt zu: Perfekt ist das immer noch nicht und es funktioniert nur so lange, bis die Wassermassen so groß werden, dass die Wehre der jeweiligen Ortschaften überspült werden oder die durch die Wehre entstehenden Stauseen das jeweils vorgelagerte Dorf erreichen. Auf das Volumen im Tal betrachtet ist es aber das maximal mögliche. Schließlich fungiert nun das gesamte Tal in den Bereichen zwischen den Dörfern als riesiges, segmentiertes Regenrückhaltebecken.“

Erhöhung der Abflussmenge nicht zielführend

Die seitlichen Begrenzungen müssten auch nicht wie oberhalb von Gimmigen extra gebaut werden, die Talwände übernähmen diese Aufgabe in einem mit. Die vielfach geforderte Erhöhung der Abflussmenge der Ahr nach dem Motto „Man muss nur dafür sorgen, dass das Wasser schnell genug weg ist“ findet Auster hingegen kurzsichtig. „Das löst zwar vielleicht das Problem im eigenen Dorf, sorgt aber dafür, dass das nächste Dorf in noch kürzerer Zeit mit noch mehr Wasser zurecht kommen muss. Schon das Hochwasser von 2021 war in seiner räumlichen Ausdehnung so kurz, dass es Dörfer an der Oberahr gab, wo die Pegel wieder zurückgegangen waren, während an flussabwärts gelegenen Ortschaften die Welle noch nicht angekommen war. Eine Erhöhung der Abflussmenge entlang der gesamten Ahr mit dafür notwendigen gigantischen Baumaßnahmen ähnlich den bekannten Betonabflussgräben in Los Angeles würde zu einer nochmals weiteren Zusammenschiebung und Aufwölbung dieses Wasserberges führen. Für die dann entstehenden Spitzenpegel müsste dieses Bauwerk ja auch auf der gesamten Länge ausgelegt sein. „Der einzige Vorteil dieser Idee wäre, dass das Hochwasser schnell vorbei wäre.“ Linz auf der anderene Seite des Rheins müsste sich dafür dann für wenige Minuten hochwassertechnisch auf einen zweiten oder dritten Rhein vorbereiten“. Als „fast grotesk romantisch“ bezeichnet er die Vorstellung eines Ahrtals im Juli 2021, das über die Dauer einer ganzen Woche oder länger von einer Reihe von vorher nicht vorhandenen harmlosen Seen bedeckt ist, sagt Auster. Vielleicht wären die Landschaften und Straßen zwischen den Dörfern überschwemmt oder der Weg zur Arbeit unpassierbar. Aber vielleicht wären dann auch weniger Leute obdachlos geworden oder hätten ihr Leben verloren.

Ob Austers Idee mit der Realität in Einklang zu bringen ist, müssten Fachleute entscheiden. Interessant ist jedoch die Tatsache, dass sich auch die Einwohner des Ahrtals weiterhin Gedanken um einen sinnvollen Hochwasserschutz machen und dabei bereit sind, auch unkonventionelle Wege zu gehen.