Übergabe des Beikirch-Wandgemälde an den Frauennotruf

„Das Mädchen“ wurde feierlich vorgestellt

26.08.2018 - 14:00

Koblenz-Lützel. Die großen Augen des anmutig wirkenden Mädchens blicken nachdenklich direkt auf den Betrachter. Seine Hände hält es unter dem Kinn gefaltet. „Das Mädchen“ hat der international renommierte, 1974 in Kassel geborene, heute in Bendorf lebende Streetart- und Graffiti-Künstler Hendrik Beikirch das von ihm geschaffene Porträt genannt.


Nach einer Woche war das Kunstwerk fertig


Innerhalb einer Woche brachte er das monumentale, in kontraststarken Graustufen gehaltene, detailliert ausgearbeitete Gemälde an die Wand des allen Koblenzern gut bekannten „Bohnen-Hauses“ in Koblenz-Lützel. Seine einzigen Hilfsmittel: Ein Hubsteiger, ein Farbroller und eine Skizze als Vorlage. Jetzt schaut dort, wo lange Jahre der Werbeslogan des Umzugsunternehmens Bohnen prangte, in fast realistischer Darstellung „das Mädchen“ auf die Balduinbrücke. Familie Bohnen hatte das auf Initiative und zugunsten des „Frauennotruf Koblenz“ in die Welt gerufene Projekt derart überzeugt, dass sie die Fassade ihres Hauses dafür kostenlos und auf unbegrenzte Zeit zur Verfügung stellte und auf den bekannten Werbespruch des Familienbetriebes verzichtete.

Tochter Kirsten Bohnen erinnerte sich anlässlich der offiziellen Übergabe des Wandporträts unterhalb der Balduinbrücke an die Begeisterung der Eltern für das vor 100 Jahren errichtete Haus, als sie es 1989 in schneller Entscheidung erwarben. Obwohl sie das Haus nicht anders als mit dem Bohnen-Werbespruch beschrieben kannten, hätten sie sofort zugestimmt, als der Frauennotruf mit der Anfrage auf sie zugekommen sei. Das jetzt sichtbare Ergebnis sei einfach toll. Es werte das mit „Berliner Flair“ behaftete Stadtviertel auf. Koblenz sei den Berlinern nun sogar einen Schritt voraus, „denn Koblenz hat einen Beikirch“. Vielleicht gelinge es dem Bild, Lützel eine Starthilfe zu geben, um aus seinem Schattendasein herauszukommen.

Dr. Margit Theis-Scholz, Kulturdezernentin der Stadt, nannte das Wandgemälde mit seiner großen Fernwirkung das beste Beispiel für Stadtteil-Entwicklung. Koblenz könne sich mit „seinem“ Beikirch nun einreihen in die Namensliste berühmter Städte wie New York, Neu-Delhi oder Marrakesch. Beinahe unglaublich, dass es das vonseiten des Künstlers zum Nulltarif gab. Immerhin ist der unter dem Künstlernamen „ECB“ bekannte Beikirch, der Ende der 1990er-Jahre Kunstpädagogik an der Universität Koblenz-Landau studierte, heute mit seinen Mega-Bildern ein gefragter, erfolgreicher Künstler. Dennoch ließ er sich ein auf Koblenz, auf Lützel und auf die Menschen, um dem Frauennotruf sein Kunstwerk als Schenkung zu übereignen.

Warum entschieden sich die Mitarbeiterinnen der Fach- und Beratungsstelle gerade für Beikirch, der seine Künstler-Karriere als Teenager mit einem gesprühten Comic-Graffity begann? Er stelle mit großer Sensibilität in seinen Arbeiten häufig Menschen dar, die Bedrohungen erlebten oder, wie Beikirch selbst gesagt haben soll, deren „Gesichter Geschichten erzählen“. Wie etwa bei dem siebzig Meter hohen Porträt eines Fischers an einem Gebäude in Busan, der zweitgrößten Stadt Südkoreas.


Eine Form der Prävention


Die „Frauennotruflerinnen“ erklären das Beikirch-Werk in Koblenz als eine Form der Prävention. Wie Vorstandsmitglied Jacqueline Bröhl erläuterte, soll es Frauen dazu ermutigen, sich die Größe zu nehmen, sich zu zeigen wie sie sind. Dazu zu stehen, wie man

ist, sei der beste Schutz gegen Gewalt und auch ein Weg zur Heilung für diejenigen, die Gewalt erlebt haben. Dafür brauche das Bild kein Logo des Frauennotrufs. Es soll für sich selber stehen und wirken. Mit dem von Beikirch entworfenen Mädchen soll ein Zeichen gesetzt werden für ein Leben frei von Gewalt, ergänzte das Vorstandsmitglied Martina Steinseifer. Sie zeigte sich dankbar für die ideelle und materielle Unterstützung, die der Frauennotruf auf dem fast zweijährigen Weg von der Idee bis zur Realisierung erfuhr. Unterstützung sei für ihren Hilfsdienst existenziell und stärke ihnen den Rücken. Die wenigen tausend Euro, die an Nebenkosten des Streetart-Projekts anfielen, konnten aus Spendengeldern gestemmt werden.


Kunstprojekt soll weiter bewegen


Das Kunstprojekt soll auch zukünftig noch einiges bewegen. Schon während der Entstehungsphase begleiteten rund zwanzig angehende Fotografen der Julius-Wegeler-Schule mit ihrem Berufsschullehrer Tillmann Oster den „Werdegang“ des Mädchens foto-dokumentarisch. Die Arbeitsergebnisse sollen in Kürze auf die eine oder andere Weise sichtbar gemacht werden. Ein weiteres Vorstandsmitglied des Frauennotrufes, Franziska Godlewsky, erzählte von den genialen und berührenden zwischenmenschlichen Begegnungen und den Gesprächen, die sie erleben durften, wenn sie „Dienst an der Kamera“ hatten, mit der Oster als privates Kunstprojekt einen Zeitraffer-Film drehte. Die Woche, in der Beikirch den Stadtteil Lützel in den Fokus von Medien und Menschen rückte, werde allen in guter Erinnerung bleiben, war sie sich sicher. Auch wenn er ihnen fehlen werde, seien sie alle dankbar für das, was er hier lasse. Der Künstler bedankte sich im Gegenzug für die ihm widerfahrene Gastfreundschaft. Ein solches Werk könne man nicht alleine realisieren. Es brauche Menschen, die die Vision teilen und sich dafür stark machen, sie zu realisieren. Auf diese Weise wurde die Entstehung des ersten größeren Wandbildes für Koblenz möglich. „Und sage man nicht, jedem Anfang wohne etwas Magisches inne?“. Für weitere Magie bieten sich in Koblenz noch viele Fassaden an, die sich zu Kunst im öffentlichen Raum zum Positiven verwandeln ließen, um die Menschen zu begeistern.

Das aus europäisch-arabischen Musikern zusammengesetzte Musikprojekt „Tonspuren“ von „Music Live“ sorgte für einen stimmigen musikalischen Rahmen des Übergabe-Aktes. BSB

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20.08.2018 20:42 Uhr
Peter. S

Klasse, das nenne ich mal ein gelungenes Kunstwerk mit Mehrwert für die Stadt.



20.08.2018 15:44 Uhr
juergen mueller

Super und weiterzuempfehlende Aktion, die endlich einen Sinn und Zweck erfüllt, anstatt Hauswände mit unsinniger Werbung zu versehen. Hier wird einmal der künstlerische Effekt gewürdigt und zum anderen auch ein Nachdenken (wenn auch nicht bei jedem) angeregt.



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