Bürgerdialog der Aufbau- und Entwicklungsgesellschaft bringt Interessierten Gewässerhydraulik näher

Daten mit Drohnenkameras und Laserscanfliegern ermittelt

Daten mit Drohnenkameras und Laserscanfliegern ermittelt

Hermann-Josef Pelgrim (links) und Armin Binder beim Bürgerdialog in Bad Neuenahr. Fotos: GS

Daten mit Drohnenkameras und Laserscanfliegern ermittelt

Das Thema „Gewässerhydraulik im Rahmen des Wiederaufbaus“ fand großes Interesse beim Publikum.

Bad Neuenahr-Ahrweiler. Die Aufbau- und Entwicklungsgesellschaft Bad Neuenahr-Ahrweiler (AuEG) koordiniert den Neu- und Wiederaufbau nach der Flut und führt die wesentlichen Maßnahmen im Auftrag der Kreisstadt durch. Aktuell bewältigt das 40-köpfige Team von Hermann-Josef Pelgrim, langjähriger Oberbürgermeister von Schwäbisch Hall und stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender der Ahrtalwerke, 300 Einzelaufträge mit einem Gesamtvolumen von 400 Millionen Euro. Weitere Aufgabe ist zudem der Dialog mit den Bürgern über die Zielsetzungen eines zukunftsorientierten Wiederaufbaus. Dies auch mit Veranstaltungen zu klimaresilienter Stadtentwicklung, Stadtplanung oder wie jüngst zum vorbeugenden Hochwasserschutz.

Unter dem Thema „Gewässerhydraulik im Rahmen des Wiederaufbaus“ brachte Diplom-Ingenieur Armin Binder vom Stuttgarter Büro für Wasserwirtschaft und Wasserbau rund 50 Gästen die Vorgehensweise bei der Entwicklung eines hydraulischen Modells der Ahr näher. Dies am Beispiel des Ahrabschnitts von der Ahrweiler Ehrenwall-Klinik bis zur Berufsbildenden Schule in Bad Neuenahr. Denn diesen zwölf Kilometer langen Ahr-Abschnitt hat der Kreis zur Wiederherstellung in die Obhut der Kreisstadt und damit der AuEG gegeben, die seit Herbst 2022 an dem Hydraulikmodell arbeitet.

Die aktuellen Daten für den zwölf Quadratkilometer großen Abschnitt wurden mit modernster Technik ermittelt. Drohnenkameras und Laserscanflieger kamen dabei zum Einsatz. Das Ergebnis waren 1,4 Millionen Elemente, für deren Umwandlung in einen Plan ein sogar ein Hochleistungsrechner Rechner 24 Stunden brauchte. Betrachtet wurde aber auch die historische Situation anhand alter Karten. Dies alles unter der Fragestellung: Welche Auswirkungen haben Veränderungen auf den Schutz der Bevölkerung und der Infrastruktur. Wobei bei allen Berechnungen eines hundertjährigen Hochwassers (HQ100) der alte Wert von 246 Kubikmetern pro Sekunde durch den neuen Wert von 505 Kubikmetern pro Sekunde ersetzt wurde. Dieser ist auch Grundlage für den Bau der neuen Brücken in der Kreisstadt.

Errechnet wurde mit dem Modell auch die potenzielle Fließgeschwindigkeit bei einem HQ100 mit dem neuen Wert: Fünf Meter pro Sekunde. Das entspricht laut Binder 80 Stundenkilometern. Schon bei zwei Metern pro Sekunde kommen nur noch schwere Einsatzfahrzeuge durch. Auch die neuralgischen Punkte wurden auf der Suche nach Lösungen ermittelt. Wobei „dem Gewässer mehr Platz geben“ sich einfacher anhört als es ist. Denn, so Pelgrim: „Ziel ist, dass nach allen Maßnahmen die ökologische Vielfalt viel breiter ist als zuvor. Der Fluss stellt sich dann anders dar.“

So zum Beispiel an der Ehrenwall-Allee mit einer Prallwand und einem vorgelagerten Radweg, dem Hochwasser nicht schaden kann. Oder zwischen Casinobrücke und Lenné-Park, wo die Flut mehr als 20000 Kubikmeter an Ablagerungen herangeschwemmt hat. Diese müssen abgekoffert werden, denn die Ahr soll für den Hochwasserschutz ihre alte Sohle wiederbekommen. Die Crux an der Sache: Die Detektoren des Kampfmittelräumdienstes können nicht zwischen Granate und Coladose unterscheiden, sodass viel Fingerspitzengefühl gefragt ist.

Bei allem ist laut Pelgrim eine ganzheitliche Sicht gefragt, „damit es funktioniert“. Diese umfasse dann auch potenzielle Retentionsflächen an der Mittel und Oberahr: „Denn alles, was nicht von oben kommt, verbessert die Situation.“

Der Chef der AuEG machte aber auch auf ein bislang weniger bekanntes Problem aufmerksam. Die Pius-Brücke sei bei der Flut nur ob ihrer Spundwände an den Fundamenten stehengeblieben. Sie entspreche aber nicht mehr den neuen Regeln für ein HQ100. Soll heißen: Bei einem nach den neuen Werten angenommenen Hochwasser würde die Pius-Brücke zum Stauwerk mit den entsprechenden folgen. Daher Pelgrims Fazit: „Da könnte durchaus über ein Ersatzbauwerk nachgedacht werden.“ - Viel Denkstoff fürs Publikum, dessen konkrete Fragen von der Bahnbrücke bis zur öffentlichen Zisterne reichten.