Uraufführung im Schlosstheater Neuwied: Der erste letzte Tag

Der Frost ist im Anmarsch

Der Frost ist im Anmarsch

v.l. Livius verhandelt mit dem eingebildeten Hotelportier (Thomas Krutmann). Lea (Carolin Freund) hört zu und entwickelt einen Plan. Foto: Schlosstheater

Der Frost ist im Anmarsch

Noch versucht Livius (Thomas Jansen, re.) seine Frau (Farina Violette Giesmann, li.) von der Rettung ihrer Ehe zu überzeugen. Foto: Schlosstheater

Neuwied. Retrospektiven haben beim Film immer etwas Herausforderndes, sind aber immerhin als Stilmittel erlaubt und manchmal belebend. Wenn man das jedoch auf der Bühne macht, ist es schon ungewöhnlich, mit minimalistischer Bühnenausstattung und ohne Kulissenwechsel ist es gewagt. Dass so etwas bestens gelingen kann, bewies Lajos Wenzel, Intendant der Landesbühne Rheinland – Pfalz in Neuwied und erntete dafür zusammen mit dem grandiosen Schauspielerteam und Regisseur Andreas Lachnit zu Recht stehende Ovationen des Publikums. Gegenstand der Aufführung war das von Wenzel geschriebene Stück „Der erste letzte Tag“ nach einem Bestseller von Sebastian Fitzek. Der Inhalt ist schnell erzählt: Es geht um das zufällige Zusammentreffen zweier Menschen, als ein Flugzeug nicht planmäßig starten kann, Livius (Thomas Jansen) und Lea (Carolin Freund) bilden eine unfreiwillige Fahrgemeinschaft im Mietwagen. Auf der gemeinsamen Fahrt lernen sie sich kennen, die junge, scheinbar unkonventionelle Lea, die ohne Respekt offensichtlich in den Tag hineinlebt und der verzweifelte Livius, der eigentlich seine Ehe retten wollte. Beide beschließen, diesen Tag zu leben, als wäre es ihr letzter...Bonny & Clyde lassen grüßen. Das Bühnenbild besteht aus weißen Elementen vor weißer Wand, das Auto entsteht nur durch die Körperbewegung der Schauspieler, herrlich die Synchronisation der beiden, Livius und Lea. Man kann deutlich den Unterschied „sehen“ zwischen der satten Straßenlage des Vierer-BMW und des anschließend benutzten Kleinwagens. Durch geschicktes Rücken der Elemente werden Betten, Wände und sogar Hotelrezeptionen suggeriert, im Laufe des Abends hat man damit keine Probleme mehr. Sogar die Kostüme sprechen eine eigene Sprache. Sind die Hauptdarsteller und aktuell anwesende Personen in Buntes oder in „Normales“ gekleidet, erscheinen weiter entfernte oder gar Personen in der Retrospektive in weißen Kleidern. Auch alle Requisiten sind weiß, außer dem großen Rucksack, den Lea die ganze Zeit mit sich herumträgt und dessen Inhalt am Ende verblüfft. Die für die Geschichte wichtigen weiteren Rollen werden von Thomas Krutmann und Farina Violette Giesmann umgesetzt. Letztere ist sowohl die immer wieder telefonisch kontaktierte oder anrufende Frau von Livius – natürlich ganz in weiß, aber auch Leas Schwester, eine Oma mit Rollator (brillant!), Heimleiterin, hochschwangere Cousine. Er ist Pizzabäcker, Flugzeugkapitän, alter Mann und Monteur, je nach Bedarf. Hut ab vor soviel schauspielerischer Flexibilität auf kleinstem Raum. Und die Retrospektive? Es beginnt mittendrin und fast am Ende mit einer Szene in oder vor der Pizzeria und schwenkt dann zum ausgefallenen Flug, und das Schicksal nimmt seinen Lauf. Nach gut zwei Stunden schließt sich der Kreis wieder, diesmal ist das Publikum aber um eine Story klüger und leidet mit. Super geschrieben, hervorragend inszeniert und toll gespielt, standing ovations voll verdient.

Das Stück ist noch bis zum 9. Oktober zu sehen, Karten gibt es unter www.schlosstheater.de und an der Theaterkasse.