Sebastian Nürenberg pflanzte 27 neue Bäume rund um Wollscheid

Die Streuobstwiese: Kultur leben und erhalten

Die Streuobstwiese: Kultur leben und erhalten

Sebastian Nürenberg im Einsatz zur Erhaltung einer alten Kulturform. Foto: privat

Region. Für viele Menschen in der Gesellschaft hat die Streuobstwiese an Bedeutung verloren bzw. es wird ihr wenig Beachtung geschenkt. Selbst die zunehmende Flächenversiegelung durch Neubaugebiete, Gewerbegebiete sowie steinerne Gärten kennt hier keine Grenzen.

Wenn man sich aber ein wenig mit der Geschichte der Streuobstwiese beschäftigt und sieht, welchen Reiz diese Kulturform mit sich bringt, finden sich Liebhaber, die sich mit der Neuanlage und Pflege der Streuobstwiese auseinandersetzen. Nicht ohne Grund wurde der Streuobstanbau 2021 in das Bundesweite Verzeichnis des immateriellen Kulturerbes aufgenommen, denn auch das Landschaftsbild wurde durch diese Art von Anlagen über Jahrhunderte geprägt.

Wie so oft in der Geschichte, haben die alten Römer die Kulturform des Obstbaus mitgebracht. Entlang von römischen Siedlungen und Villen entstanden somit die ersten Obstgärten und das vor über 2000 Jahren. Lebensraum, auch dafür steht eine Streuobstwiese und schenkt vielen Tier- und Pflanzenarten ein geschütztes zu Hause, was wiederum ein wichtiger Beitrag zur Erhaltung der Biodiversität ist. Man könnte diese Lebensräume auch als Hotspots der biologischen Vielfalt bezeichnen.

Bis dato einmalige Aktion

Sebastian Nürenberg hat sich die Pflege und Neuanlage von Streuobstwiesen auf die Fahne geschrieben. So hat er im vergangenen Herbst über 27 neue Bäume rund um Wollscheid gepflanzt. Die Bäume verteilen sich auf insgesamt vier Wiesen. „Geflammter Kardinal“, „Rheinischer Krummstiel“, „Wangenheimer Frühzwetsche“, „Frühe aus Trevoux“, „Büttners rote Knorpelkirsche“, um einige Sorten zu nennen, bilden das Fundament der neuen Streuobstwiesen. „Ich habe in der Vergangenheit immer wieder Obstbäume gepflanzt aber das, in dieser Größenordnung, vor allem auf den vielen Flächen, war bis dato einmalig“, so der junge Obstbaumveteran.

Wie kann es anders auch nicht sein, hatte schon sein Urgroßvater Streuobstwiesen angelegt, welche nun sein Urenkel pflegt. Die ältesten Bäume sind weit über 70 Jahre alt und tragen immer noch jedes Jahr. Wie der Name Streuobst schon sagt, wird nicht nur das Obst verwertet z. B. für Apfelsaft, Apfelwein, Winterlagerung, sondern auch die Wiese als solches wird genutzt. Im Sommer werden die Wiesen, für das im Winter benötigte Heu gemäht und im Herbst werden die Wiesen nochmals durch seine Walliser Schwarznasenschafe abgeweidet. Doch auch beim Pflanzen der Bäume, konnte er auf seine Schafe setzen. Die Wolle der Schafe hat hier einen erheblichen positiven Einfluss. So hat er die Wolle aus den letzten zwei Jahren gesammelt und mit unter die Erde gemischt. „Die Wolle hat mindestens drei wichtige Vorteile, sie ist ein natürlicher Dünger, denn über Jahre hinweg gibt die Wolle in der Erde, für die Pflanzen wichtige Nährstoffe ab. Die Wolle, unter die Erde gemischt, hält Wühlmäuse von den Wurzeln fern, und die Wolle saugt sich mit Wasser voll und gibt daher die Möglichkeit über längeren Zeitraum das Erdreich, auch bei längerer Trockenzeit, feucht zu halten“, so Nürenberg.

Engagement geht weiter

Bei der Frage, ob das denn jetzt die letzten Bäume seien, die er gepflanzt hat, konnte er nur lachen und schüttelte den Kopf. „Nein, es werden immer wieder Bäume gepflanzt. Wenn auf der alten Streuobstwiese Bäume absterben, werden entsprechend neue gepflanzt. Eine weitere große Streuobstwiese wird in Zukunft noch folgen. Jetzt heißt es aber erst einmal, die neuen Bäume aus dem Herbst über das neue Jahr zu bringen, denn ein solcher Dürresommer wie zuletzt wird an den jungen Bäumen, ohne Unterstützung, nicht spurlos vorübergehen“. Aber auch hier hat er sich gerüstet. So wird nun fleißig Regenwasser gesammelt, um im Extremfall die Bäume mit dem gesammelten Regenwasser unterstützen zu können.

Wünschenswert wäre aus Sicht von Nürenberg, wenn noch öfter über solches oder ähnliches Engagement in den lokalen Zeitungen berichtet würde. So wüsste man, dass die Schlagworte Naturschutz, Artenvielfalt und Biodiversität angekommen sind, denn in der heutigen Zeit müssten diesen Worten eine höhere Bedeutung und Wertschätzung entgegengebracht werden als in der Vergangenheit. Vielleicht, so hofft Nürenberg, schafft es auch die ein oder andere Gemeinde, eigene Flächen für z. B. die Anlage neuer Streuobstwiesen an den Dorfrändern bereitzustellen und somit einen der vielen möglichen Beiträge zur Erhaltung der noch bestehenden Biodiversität zu liefern und gleichzeitig das Landschaftsbild positiv zu prägen − ein Engagement, wovon nachfolgende Generationen nur profitieren könnten.