Zeitenwende bei den Mendelssöhnen

Eine Ära endet

Eine Ära endet

Mario Siry (dritte Reihe v.unten, zweiter v.li.), fast zwei Jahrzehnte Dirigent des MGV Mendelssohn Bartholdy 1855 eV Montabaur, zum letzten Mal im Kreise der „Mendelssöhne“, von denen einige durch Urlaub o.a. fehlten. Fotos: privat

Eine Ära endet

In geselliger Runde feierten die Mendelssöhne den Abschied von Mario Siry.

Eine Ära endet

Zum Abschied erhielt Mario Siry eine Bilder-Collage und einen Faksimile-Druck.

Montabaur. Die heutige Zeit ist geprägt von Übertreibungen und Superlativen. Begriffe wie „Zeitenwende“, „epochal“ oder „Ära“ erfahren eine fast schon inflationäre Verwendung. Wenn allerdings ein Dirigent fast zwei Jahrzehnte die musikalische Verantwortung für einen Chor hatte, dann ist der Begriff „Ära“ (lateinisch für „Zeitalter“) durchaus angebracht. Mario Siry, weithin bekannter Chorleiter und Dirigent aus Großholbach, hat eine solche Ära beim Männergesangverein Mendelssohn Bartholdy 1855 eV Montabaur geprägt, die nun aber zu Ende geht.

Dienstagabend, 22 Uhr – Zeit für ein kühles Helles nach der Probe und für Gespräche über Gott und die Welt, locker und ungezwungen, mit „Open End“. Doch nicht so an diesem Abend. Nicht nur, weil es zur zweiten musikalischen Stadtführung in 2019 durch die Altstadt ging, gemeinsam mit 15 Gästen und Paul Widner, dem ehemaligen Lehrer und jetzigen Stadthistoriker von Montabaur. Sondern vor allem auch, weil an diesem Abend Mario Siry verabschiedet wurde, der den Männergesangverein Mendelssohn Bartholdy 1855 eV Montabaur fast zwei Jahrzehnte als Dirigent musikalisch geleitet und geprägt hat. Siry, in dessen Zeit mehrere Auslandsfahrten (u.a. nach Tonnerre) und CD-Aufnahmen rund um das 150ste Jubiläum des Chors fielen, übernimmt ab Oktober ein neues Dirigat, das sich mit den Terminen des MGV nicht vereinbaren ließ. „Niemand reißt gerne ein eingespieltes Team auseinander. Da wir unserem langjährigen und verdienten Dirigenten in seiner beruflichen Weiterentwicklung jedoch nicht im Wege stehen wollten, tragen wir seine, uns überraschende Entscheidung dennoch mit“, äußert Michael Kien, seit 2017 Vorsitzender des Traditionsvereins und der vierte in der ‚Arä Siry‘, Verständnis für die vom Zeitpunkt her nicht erwartete Neuorientierung des Dirigenten. Denn das gerade gestartete neue Chorprojekt der „Mendelssöhne Montabaur“, das sich der Musik der Beatles widmet, wurde gemeinsam mit Siry zu einem Zeitpunkt entwickelt, wo beide Seiten nicht ahnten, welchen Gang die Dinge im Frühsommer 2019 nehmen sollten.

Breites Gesangsspektrum

in der Ära von Mario Siry

„Mario Siry hat sich dennoch unbestritten Verdienste um unseren Chor erworben. Sei es unsere erfolgreich bestandene Meisterchor-Prüfung am Anfang seines Wirkens, sei es das Einstudieren von anspruchsvollen Werken wie der ‚Rheinberger Messe‘ oder auch das Anpacken neuer Wege und Formate in den letzten Jahren, wie zum Beispiel der musikalischen Stadtführung oder dem Singen auf der ‚Bühne im Gebück‘, bzw. noch vor Kurzem in der Fußgängerzone am Großen Markt, vor den Toren des historischen Rathauses in Montabaur“, zählt Christoph Kuhl einige Elemente der musikalischen Vita Sirys in seiner Zeit beim MGV auf. Kuhl, amtierender zweiter Vorsitzender, wurde kurz nach Sirys Beginn im Chor zum Vorsitzenden gewählt, nachdem Alfons Henkes, der mittlerweile verstorbene Co-Dirigent des Chores, als damaliger Vorsitzender Mario Siry in den Chor geholt hatte. Zwischen Kien und Kuhl war für ein Jahrzehnt Ernst Krifka Vorsitzender des Chores. In dessen Zeit fielen die Feierlichkeiten zum 160sten Jubiläum 2015, zu dessen Anlass die Mainzer Hofsänger nach Montabaur eingeladen worden waren. Siry hatte auf Initiative des heutigen Vorsitzenden extra dafür ein Chorprojekt gestartet, an dessen Ende ein gemeinsamer Auftritt mit den Hofsängern stand. Für alle Beteiligten ein ganz besonderes Erlebnis. Gleiches gilt für das Chorprojekt „Deutsch & Pop“, das im Frühjahr 2018 in ein von mehreren mitwirkenden Chören und Interpreten gestaltetes, sehr gut besuchtes Konzert mündete. Darin sangen die Mendelssöhne mit den Projektsängern Lieder von Herbert Grönemeyer, Westernhagen und Max Giesinger – ganz neue und unerwartete Töne des eigentlich klassisch ausgebildeten Chores. Eine Neuorientierung, die unter Leitung von Mario Siry Mut zu mehr machte, nicht zuletzt zum aktuellen Beatles-Projekt.

Verabschiedung mit Bilder-Collage und Faksimile-Druck

Andere Wege sollten auch bei der Verabschiedung Sirys beschritten werden, darin war sich der Vorstand im Vorfeld schnell einig geworden. Deshalb wurde anstelle einer klassischen Laudatio mit Aufzählung aller Ereignisse in den vergangenen, nahezu 19 Jahren, das Überreichen einer DINA3-großen, eingerahmten Bilder-Collage gewählt, die auf über 50 Fotos „Highlights“ und „besondere Momente“ aufzeigte. Ein lockerer Plausch zu einzelnen Bildern, garniert mit spontanen Erzählungen der „altgedienten Sänger“ zu einzelnen Episoden, ließ da bei vielen die Vergangenheit neu lebendig werden. Als dann noch der Schatzmeister Wolfram Walden Mario Siry ein besonderes Weinpräsent samt Glückwunschkarte mit den Unterschriften aller Sänger überreichte und der Ehrenvorsitzende Hermann Altenhofen ein ganz außergewöhnliches Geschenk für Mario Siry hervorholte, war der Höhepunkt der Abschieds-Feierlichkeiten erreicht: Der „Faksimile“-Nachdruck einer mit der Original-Handschrift von Felix Mendelssohn Bartholdy abgebildeten Partitur der Motette „Denn er hat seinen Engeln befohlen über Dir“.

Spätestens da merkte man Mario Siry und dem Chor an, dass beiden Seiten der Abschied nicht ganz so einfach fiel. Siry war angesichts der ihm überreichten Geschenke und entgegengebrachten Wertschätzung sehr gerührt. Er wünschte dem Chor für die Zukunft nicht nur weiterhin Erfolg, sondern auch ein gutes Vorankommen auf dem eingeschlagenen Weg, insbesondere mit dem gut gestarteten Beatles-Chorprojekt. Doch um aufkommender Wehmut entgegenzuwirken, sang der Chor unter letztmaliger Leitung von Siry kurz darauf seinem langjährigen Mitglied Peter Wallrath, der tags zuvor seinen Geburtstag gefeiert hatte, ein fröhliches Glückwunsch-Ständchen. Das nachfolgende, nicht minder kräftig vorgetragene „Bierlied“ leitete dann den letzten Teil des Abends ein, den die Mendelssöhne Montabaur in fröhlicher Runde erst nach Mitternacht ausklingen ließen. Sicherlich mit nicht nur einem „kühlen Hellen“ und manchem Gespräch über „Gott und Welt“.

Bilder und Eindrücke zur Verabschiedung von Mario Siry sowie weitere Informationen zum Chor, seinem aktuellen Beatles-Projekt und den sonstigen Aktivitäten gibt es unter www.mendelssoehne-montabaur.de