Kaufempfehlungen unter den alten Sinzigern

Einkaufennoch nicht alles unter einem Dach

Einkaufen
noch nicht alles unter einem Dach

Schon die Kleinsten wurden ausgestattet mit einer Schirmmütze, zu deren Herstellung in Sinzig de Kappe Frings zuständig war.privat

Sinzig. Wöchentlich werden wir über verschiedene Presseorgane und über Internet zu Hause darüber informiert wo es was, zu welchem Preis zu kaufen gibt. Diese Markttransparenz gab es vor dem 2. Weltkrieg und in den ersten Jahren nach der Währungsreform hier in Sinzig noch nicht. Auch war ein Einkaufen alles unter einem Dach wie z. B. heute bei Aldi oder Kaufland noch nicht möglich. Und trotzdem gab es ein umfangreiches Angebot von Waren und Dienstleistungen in kleinen Geschäften innerhalb der Stadt. Gute Werbung leistete damals die Mund-zu-Mund-Propaganda unter den Sinzigern mit Empfehlungen zum Kauf bei zahlreichen Anbietern. Sie geben auch einen Überblick über die Vielfalt der Angebote.

Kaufempfehlungen

vor oder nach dem 2. Weltkrieg

Die folgenden Kaufempfehlungen wurden vor oder nach dem 2. Weltkrieg gegeben, als Sinzig noch weit weniger Einwohner hatte als heute, die Anzahl der von außen zugezogener Personen noch nicht hoch war und als sich die „Altsinziger“ noch untereinander kannten mit Namen und Vorname und sich in ihrem Dialekt unterhielten. Deshalb kam es nicht selten vor, dass Personen mit Familienname und Vorname oder zur besseren Identität mit einem Zusatz über die Eigenart oder den Beruf der Person genannt wurden. So wurde z. B. empfohlen zu kaufen

- Heringe im Paketche jit et nur beim Menze Gretche,

- Heringe frisch und fein, jit et nur beim Menze Hein,

- enjelegte Heringe mit viel Zaus on Öllisch bei Wills-Mädche,

- Mostert für en Grosche beim Frings en de Rennjaß,

- Häff für en Gerosche beim Häff-Wissem en de Eulejaß,

- en Doos Bohnerwachs vom Schoofs-Matt,

- jet Kamelle beim Stupp´s Marie,

- jet Jemös vom Feltemattes,

- hausgemachte Sülze, Blood- on Leverwusch bei onne Wils,

- e paar Kaffeedeilche von Close am Jeißemaat,

- e jeruß Sößdeilche met viel Zucker ovendrop von Köpchens am Kreuz,

- en Tass Kaffee on e Stöck Koche im Café Asch,

- en Mätesweck vom Zepp an de Lindestroß, der hät immer de jerüßte,

- e Eis vom Zilligens Pitter,

- Nähjarn, Knöpp, Durchziejummi on e schön Deckche bei Ricks Maria,

- jet Strickjarn vom Schnurfuchs,

- e Paar Schoo vom Broich´s Söff oder Funke Heinz dem Vornehmen,

- e schön Hötsche vom Paal´s Adelche,

- e neu Kapp vom Kappe-Frings,

- e Korsolett beim Mieder-Fuchs,

- e paar Blömche von de Klemmisch Fraulöck,

- e Kochkessel´che von Marxse am Maat,

- für en Taxifahrt met em Büntchens-Chef oder Krohms-Jäk,

- für en Fahrt en de Eifel met em Klotemöpp senge Bütt,

Hauptsächlich für die

Männer gedachte Empfehlungen

- e jood Schöpp´che (Glas Wein) en de Traube bim Contzens-Drees, em „Deutsche Haus“ beim immer lachenden Wirt Lennarz, bei Zimmermanns oder Lenze op de Usbije-Stroß oder em „Jäger Hof“ bei de emmer jood gelaunte Oma,

- e jood Schnäpsje an de Kommunionbank beim Lenneps Els.

Dass ein Einkauf auch früher schon anstrengend war, ist aus folgendem Hinweis zu erkennen:

Hast du den stressigen Einkauf beendet, hast du sicherlich Beschwerden on Koppeng. Dann raten wir dir, gehe zum Dr. Leyendecker am Kirchplatz, dieser verschreibt dir e Püllveche, wat der Apotheker Pohle dir gewissenhaft mischt on e su enpacke deit, dat du dat Papier noch zom Umrühre em Glas jebrauche kannst.

Zu diesen Empfehlungen

noch folgende Anmerkungen

Neuer Hut: Eitel waren sie immer, die Damen. Dies auch in schlechten Zeiten. Es galt auch in Sinzig „Dame mit Hut!“ Jedoch war das Angebot an neuen Hüten hier in Sinzig noch nicht groß. 1)Und der Geschmack! Der Hut musste ja gefallen. In dieser Situation erinnerte sich manche Dame an einen längst nicht mehr modernen alten Hut in ihrem Kleiderschrank. Den umgepreßt nach den Vorstellungen der Hutträgerin, das war die Idee! Erste Adresse für ein Ummodellieren eines Hutes war in Sinzig „et Paals Adele“ (Beruf: Putzmachermeisterin, Geschäft im Haus Nr. 10 an der Koblenzer Straße). Hier wurde in der Mangelzeit während und nach dem Krieg mancher Hut umgepresst und mit anderem äußeren Zierrat versehen, sodass er wieder „wie neu“ wirkte. Also mit wenig Geld eine große Wirkung.

Kappen: Ob es deshalb war, dass die Männer den Frauen nicht nachstehen wollten und auch nach einer Kopfbedeckung strebten? Ich weiß es nicht. Jedenfalls war bei den Männern nicht der Hut der begehrte Artikel, sondern eine Mütze (en Kapp). Das fing schon bei den Kindern an. Als ich 1949 mit zur Kommunion ging - formvollendet natürlich mit Mütze! Wo eine Schirmmütze kaufen? Benutzung voraussichtlich nur während weniger Tage. Dem damals allgemeinen Trend folgend, ging meine Mutter zum Kappe-Frings, der seine Werkstatt in einem Zimmer in seinem Haus Wallstraße Nr. 10 hatte. Es war noch Mangelzeit. Deshalb wurde der Auftrag nur angenommen, wenn vom Besteller auch der Stoff besorgt wurde. Jetzt war wieder meine Mutter gefragt. Eine alte Anzugsjacke meines Vaters wurde geopfert, aufgetrennt und zur Kappe verarbeitet. So konnte ich zur Kommunion mit einer dunkel blauen Mütze auftreten.

Milch: Damals gab es noch keine Milch in Pappkartons mit aufgedrucktem Fettgehalt zu kaufen. Lose wurde die Milch gehandelt. Zu kaufen war sie u. a. beim Wißkirchens Lorenz (Bachovenstraße, Haus Nr. 20) und beim Milchpitter (Peter Schmitz, Kirchplatz, Haus Nr. 1). Meine Eltern haben die Milch immer beim Bauer August Wißkirchen gekauft (Ausdorferstraße, Haus Nr. 3). Der Fettgehalt der Milch war damals beim Kauf noch kein Thema. Der Fettgehalt wurde bei uns zu Hause nur nach der Dicke der Rahmschicht nach Abkühlen der Milch beurteilt. Da die Milch noch von glücklichen Kühen stammte, die noch grüne Weiden gesehen, frisches Gras gefressen und nicht mit Kraftfutter auf Leistung getrimmt waren, war die Rahmschicht auch dick und schmackhaft und auch als Brotaufstrich begehrt.

Heringe: Salzheringe standen bei mir zu Hause im Winter öfters auf dem Speiseplan. Diese Salzheringe wurden damals einzeln gekauft. Im Geschäft standen sie in einem großen Holzfass zum Verkauf. Vor dem Verzehr mussten die Heringe zunächst zum Essen hergerichtet und gewässert werden, um den Geschmack des Salzes zu reduzieren. Einmal hatte meine Mutter die Heringe nicht lange genug gewässert. Der gegenüber sonst etwas salzigere Geschmack der Heringe fiel zwar beim Essen auf, aber deshalb wollte keiner auf den weiteren Verzehr verzichten. Am nächsten Morgen erschienen meine Eltern und ich am Frühstückstisch mit aufgedunsenem Gesicht. Grund: eine Salzvergiftung vom Verzehr der zu salzigen Heringe.

Hefe: Früher wurde ein Hefekuchen auch mit der gleichen Menge Hefe gebacken wie heute. Nur war die Hefe ein Artikel, der nur beim Häff-Wissem zu kaufen war. Er verkaufte nicht nur in kleinen Mengen, sondern belieferte auch die Bäcker am Ort mit Hefe. Er bekam daher die Hefe in Stangen geliefert, von denen die jeweils zu verkaufende Mange abgeschnitten wurde. Eingekauft wurde für den Hausgebrauch nicht nach Gewicht, sondern nach dem Preis, z. B. für einen oder zwei Groschen. Abgewogen wurde vom Verkäufer mit einer Waage mit verschiedenen Gewichten, die je nach der Menge der zu verkaufenden Hefe zum Einsatz kamen.

Eis: Was heute die italienischen Eissalons anbieten, Eis aus einem Verkaufswagen, war früher eine Sache von Zilligens Pitter. Mit seinem auf ein Dreirad montierten Kasten mit Eis stand er meist auf dem Markt. Das Eis wurde in seinem Haus in der Eulengasse hergestellt. Ob er die heutige amtliche Hygieneprüfung unbeanstandet überstanden hätte, ist zu bezweifeln. Peter Zilligen war eine kleine Person. Seine Körpergröße wurde einmal von einem Spötter so beschrieben. „De Pitter es esu jeruß, dem können de Höhner de Weizekörner aus de Botzetasch picken.“

Die neuesten

Nachrichten aus der Stadt

In diesem Zusammenhang muss auch erwähnt werden, dass in der Zeit vor oder nach dem 2. Weltkrieg nur die wenigsten verheirateten Frauen berufstätig waren. Sie waren „nur“ Hausfrau. Deshalb war der Einkauf in der Stadt für sie die Abwechslung des Tages, bei dem sie nicht unter Zeitdruck standen. Trafen sie unterwegs eine Bekannte, wurde mit dieser ein „Klaaf“ begonnen, meist über die eigene Familie oder über andere Leute. So erfuhren sie das Neueste, was in der Stadt passiert war. Diese Kommunikation während der Stadtgangs war für viele Frauen ein weiterer Anreiz zum Gang in der Stadt.

Hans Josef Moeren