Vortrag zum jüdischen Leben in Dernau/Ahrweiler im Camp der Jugendbauhütte in Krälingen

Engagierter Einsatz fürdas kulturelle Erbe im Ahrtal

Engagierter Einsatz für
das kulturelle Erbe im Ahrtal

Erneuerung der Lehmstakendecke in Gustels Haus, der ehemaligen Synagoge Dernau. Foto: Deutsche Stiftung Denkmalschutz

Ahrweiler. In der zweiten Woche des Fluthilfecamps der Jugendbauhütte der Deutschen Stiftung Denkmalschutz sind weit mehr als 100 freiwillige und ehrenamtliche Helfer im Ahrtal im Einsatz. Hier werden unter fachlicher Anleitung traditionelle Handwerkstechniken erlernt. Nach dem Vorbild der mittelalterlichen Bauhütten wird gemeinsam gearbeitet und in einem Baucamp gelebt.

Eines der zu sanierenden Projekte im Ahrtal ist die ehemalige Synagoge in Dernau. Seit Wochen sind viele der jungen Leute im Einsatz und bringen die Sanierung Schritt für Schritt voran. Matthias Bertram aus Ahrweiler war von der Deutschen Stiftung Denkmalschutz gebeten worden, den jungen Helfern in ihrem Wohncamp in Krälingen etwas zur Geschichte des Hauses vorzutragen.

Einleitend ging Bertram auf ein frühes Dokument zu Juden in der Herrschaft Saffenburg ein (1434), um dann intensiver über die Familie Heymann, die ehemaligen Eigentümer des Hauses, zu berichten. Die Vorfahren der Heymann kamen nach mündlichen Überlieferungen, nachdem sie im 15./16. Jahrhundert aus Spanien/Portugal vertrieben worden waren, über Amsterdam ins Ahrtal. Es wird berichtet, dass der niederländische Philosoph und Gelehrte Spinoza (geb. 1632 in Amsterdam), ein Verwandter der Familie gewesen sein soll. Erste eindeutige schriftliche Nachweise zur Familie gibt es erst aus der Zeit des 18. Jahrhunderts. Da im 18. Jahrhundert der Bau eines Bethauses in Ahrweiler nicht gewünscht war, besuchten die Ahrweiler Juden die Betstube im Hause des Chaim ben Isaac in Dernau. Dieser galt um 1800 als der Kopf des Judentums im Ahrtal. Mit den Napoleonischen Gesetzen wurden die Juden ab 1808 gezwungen vererbliche Nachnamen anzunehmen. Chaim ben Isaac legte für sich und damit für seine Familie und Nachkommen fest, dass der zukünftige Familienname, in Anlehnung an seinen eigenen Vornamen „Chaim“, nun „Heymann“ sein sollte.

Die jüdischen Bürger besaßen Häuser, Felder, Gärten, aber aus dem Dernauer Morgenbuch von 1813 wissen wir, dass sie noch 1813 nicht im Besitz von Weinbergen waren. Dies sollte sich nach der französischen Zeit, nun als Bürger der preußischen Rheinprovinz, ändern. Einzelne Familienmitglieder erwarben Weinberge und wurden Weinhändler.

Waren um 1850 ca. 5 Prozent der Einwohner Dernaus jüdischen Glaubens, so reduzierte sich diese Zahl bis 1880 auf ca. 1 Prozent infolge von Umzug und Heirat in andere Ortschaften. Seit 1842 zogen nach und nach alle Mitglieder der Familie Heymann Richtung Ahrweiler bzw. andere Städte. Nachdem das Familienoberhaupt Marc Heymann im Jahr 1862 im Alter von 68 Jahren gestorben war, verkaufte seine Witwe Elisabeth Heymann geb. Wolff im Jahr 1869 das Dernauer Anwesen, welches noch bis ca. 1860 als Betstube/Synagoge und Schulhaus für die jüdischen Kinder des Ortes gedient hatte, und zog ebenfalls nach Ahrweiler. Um das Jahr 1900 kam der Hof nach einem weiteren Verkauf in den Besitz der Familie Bernards, deren Nachkommen die heutigen Besitzer sind.

Das Baujahr des Heymann Hauses in Dernau wurde bisher aufgrund spezifischer baulicher Eigenheiten (stark ausgeschmückte Kölner Decken in verschiedenen Räumen, Türen und Treppen, etc.) und auf Grund der Angaben der Besitzerin Gustel Lindener auf ca. 1700 geschätzt. Nun wurde berichtet, dass dendrochronologische Untersuchungen auf ein Baujahr um 1692 hinweisen. Auch die Frage, wo sich in diesem Hause die Mikwe, als notwendiges rituelles Bad, befunden habe, konnte geklärt werden. Bisher war u.a. vermutet worden, dass entweder in einem der Keller des Hauses ein solches Bad gewesen wäre oder aber ein verdeckter Brunnen, der sich im nordöstlichen Flügel des Gebäudes (heute im Nachbargebäude) befand, habe möglicherweise etwas mit einem jüdischen Bad zu tun. Nun wurde dieser Brunnen durch die Flut des Jahres 2021 besser freigelegt. Die Tiefe und der Wasserzulauf zu diesem Schachtbrunnen legen nahe, dass es sich tatsächlich um eine Mikwe gehandelt haben dürfte. Jedenfalls erklärten jüdische Freunde aus Israel erst vor wenigen Tagen, dass sie persönlich annehmen, dass dies die Mikwe, das Tauchbad, der Dernauer Synagoge gewesen sei.

Zur Würdigung des Engagements der jungen Helfer der Deutschen Stiftung Denkmalschutz überreichte Bertram eine Radierung, die das Gebäude und den Hof der Familie Heymann zeigt und einen Linoldruck mit der Synagoge in der Altenbaustrasse in Ahrweiler.