Hausschlachtungen waren für Familien auf dem Land alljährlich ein Höhepunkt in der Selbstversorgung

Erm Spätjoahr wuur de Wutz jeschlacht

Erm Spätjoahr wuur de Wutz jeschlacht

Der Kottenheimer Metzger M. bei einer Hausschlachtung um 1930. Foto: VVV Kottenheim

27.10.2021 - 10:45

Kottenheim. Viele, nicht alle Bewohner, hielten einst in den Dörfern Haustiere wie Schweine, Ziegen und Hühner, um sich neben den Erzeugnissen aus Feld und Garten nach Möglichkeit weitgehend mit dem Lebensnotwendigen zu versorgen. Während die Ziegen, auch als die Kühe des „kleinen Mannes“ bezeichnet, in der warmen Jahreszeit meist von Kindern oder älteren Personen beim Weiden beaufsichtigt wurden, hielt man die Schweine in der „Persch“ im jeweiligen Stall. In länger zurückliegender Zeit wurden im Herbst die Schweine aus einem überschaubaren Dorfbereich von dem sogenannten „Säuert“ in den Wald getrieben, damit sie sich dort an Eicheln und Bucheckern noch einmal so richtig mästen konnten. Auch die Bezeichnung „Sobach“ - für die heutige Junker-Schilling-Straße - soll mit der Schweinehaltung im Dorf zusammenhängend gewesen sein; die vom Schweinehirt beaufsichtigten Schweine suhlten sich in dem früher dort noch offenen Bachlauf.

In einer amtlichen Viehzählung von 1900 im Bereich Mayen-Land wurde festgehalten, dass in unserem Dorf 323 Schweine und 280 Ziegen (1938 zählte man sogar 325 Ziegen) gehalten wurden. Wurden nun Ziegen für die Milcherzeugung mehrere Jahre gehalten, so war die Lebensdauer, also die Aufzucht eines Schweins bis zur Schlachtreife, auf rund ein Jahr begrenzt. Etliche Tiere werden wohl von den Bauern an ortsansässige oder auswärtige Metzger verkauft worden sein, doch ein Großteil der von den privaten Haushalten gemästeten Schweine wurde zum eigenen, späteren Verzehr hausgeschlachtet. Dies dürfte wohl für eine lange Zeit so uneingeschränkt praktiziert worden sein. Doch als es während des Ersten Weltkrieges wegen Wirtschaftsblockaden der Kriegsgegner zu Engpässen in der Lebensmittelversorgung kam, wurden gewisse Einschränkungen für diesbezügliche Hausschlachtungen verfügt: „…Die Schlachtung von einem Schwein für die Haushaltung wurde durch Aushändigung eines Schlachtscheines von Oktober bis April gestattet, dagegen mußten aber von dem geschlachteten Schwein 4 % Speck oder Fett an die Kommunalverwaltung abgegeben werden“, hielt der örtliche Chronist fest. Auch nach dem Zweiten Weltkrieg gab es etliche Einschränkungen, da die Bevölkerung hungerte. Fleisch und Fett gab es, wie viele andere Nahrungsmittel auch, nur noch mit Lebensmittelkarten. Bauern wurden aufgefordert, „…alles, was nicht für den eigenen Haushalt benötigt wurde, abzuliefern“, wie es 1946 in einem öffentlichen Aufruf an alle Landwirte hieß. Schwarzschlachtungen wurden verboten.


Schlachtung in den Höfen


Von alle dem hat man als Kind nicht viel mitbekommen. In meiner Erinnerung ist jedoch, dass der auf dem Bild abgelichtete Metzger Ende der 1940er Jahre bei uns die letzte Ziege und, was mich sehr betroffen machte, unser Zeckelchje bei uns im Hof schlachtete.

Das Halten und Mästen eines Schweines als Fleisch-, Wurst- und Fettlieferant war für eine Familie sicher davon abhängig, was man so neben dem eigenen Bedarf an Feld- und Gartenerzeugnisse für die Tiere davon übrig, beziehungsweise zur Verfügung hatte. Übergroße oder so genannte wasserharte, ferner bei der Ernte beschädigte Kartoffeln, bezeichnete man als „Säukrombiere“; sie wurden vielfach mit Kleie angedickt dem Borstenvieh verfüttert. Damals kannte man noch keine Bio-Tonne, folglich landeten alle möglichen Essenreste, Gemüseabfälle und Kartoffelschalen pp. im Fresstrog der Allesfresser. Da wir zu Hause nach den geschlachteten Ziegen, außer Hühnern, keine Tiere mehr im Stall hielten, bekam alle unsere Abfälle das jeweilige Schwein einer Nachbarsfamilie.

Wenn dann irgendwann bei diesen Nachbarn der Kottenheimer Metzger Max M. und sein Gehilfen Alois M. aufkreuzten, war für mich als Beobachter klar, heute wird das auch von mir gefütterte Schwein geschlachtet und sofort war ich zur Stelle. Das bis dahin im Stall gehaltene Tier wurde aus seiner Peresch (abgetrennter Bereich) in den Hof getrieben und umgehend mit einem Bolzenschuss-Apparat getötet. Nun hievte man es in eine Wanne und übergoss es mit heißem Wasser. Der beiden Schlachter entfernten dann die Borsten nicht nur mit einem Schaber, sondern auch zusätzlich mit einer um das Schwein gelegte Kette, mit der sie das getötete Tier in der Wanne hin und her zogen. Danach ließ man es ausbluten. Das ausgetretene, gesammelte Blut wurde fortwährend in einer großen Schüssel umgerührt, damit es für die spätere Blutwurstherstellung auch zu gebrauchen war. Nun hängte man das Schwein an einer Leiter kopfüber auf und zerlegte es in zwei Hälften. Zudem erschien der bestellte, nebenberufliche Fleischbeschauer Josef M., der verschiedene Proben entnahm und untersuchte, damit der spätere Verzehr – sofern keine Beanstandungen - auch ohne Probleme möglich wurde. Damit endeten meine Schlachtbeobachtungen im Hof; manchmal gab mir der Metzger noch die mit Luft gefüllte Schweinsblase, die ich wie eine Trophäe nach Hause trug. Später bekam ich natürlich auch ein Hetzelmännchen (kleine Blut- oder Leberwurst) von der Nachbarsfrau.

Die anschließende Verarbeitung und Wurstgewinnung in der Küche des Hauses war sicherlich zeitaufwendig, wobei auch Familienmitglieder neben dem Metzger voll eingespannt waren. So wurden die für den Schinken vorgesehenen Beinkeulen in Bottichen eingepökelt, Rippenstücke zu Koteletts zerteilt, Innereien für die Wurstherstellung separiert, Speckschichten getrennt und etliches mehr. Als man noch keine Konservendosen kannte, mussten die Gedärme äußerst reinlich gesäubert werden, um darin die hergestellte Wurst einzufüllen. In einem großen Kessel wurde diese dann aufgekocht und somit für eine gewisse Zeit haltbar gemacht. Ging dabei eine Wurst zu Bruch, war dies für die Brühe, die spätere Wurstsuppe, sicherlich eine substanzielle und geschmackliche Verbesserung.


Verwandte wurden auch bedacht


Ein schöner, alter Brauch unter Verwandten im Dorf war, dass man sich gegenseitig mit ein paar Koteletts, einem weißen und einem roten Hetzelmännchen, dazu eine Kanne Wurstsuppe nach einer Schlachtung beschenkte. Dieses freigebig anmutende Verteilen war aber fast auch eine Notwendigkeit, warum? Frische, nicht geräucherte Wurst war und ist ja nicht von langer Haltbarkeit, sodass manche Familie diese selbst gar nicht in absehbarer Zeit alle verspeisen konnte. Das Einfrieren von Lebensmittel war bei den Haushalten damals noch unbekannt.

Das eingepökelte Fleisch, der Speck und die Schinken wurden geräuchert. Als in späteren Jahren Konservendosen für eine längere Haltbarkeit von Wurst und Fleisch in Gebrauch kamen, brachte man die offenen Dosen zur Firma Johann Lung (an May´s Eck), wo die blechernen Behältnisse an einem Gerät luftdicht verschlossen wurden.

War ein Schwein geschlachtet und alle damit gewonnenen Vorräte entsprechend verarbeitet, besorgte man sich erneut Ferkel; vorwiegend wohl auf dem Mayener Viehmarkt. Die Aufzucht und das Mästen des nächsten Fleischlieferanten konnten im Jahreslauf von Neuem beginnen. Eine Kottenheimer Hausfrau riet einst ihrem Mann, als dieser für einen Ferkelkauf nach Mayen gehen wollte: „Hannes, wenn kän Ferkele off em Moart säin, dann brauchste och kän mertzebrenge.“

Franz G. Bell

Artikel bewerten

rating rating rating rating rating
Kommentare können für diesen Artikel nicht mehr erfasst werden.
Stellenmarkt
Weitere Berichte

Geldautomatensprengungen in Andernach und Montabaur

Polizei schnappt Automatensprenger: 20-Jähriger erbeutete mehrere hunderttausend Euro

Region. Nach einer Serie von Geldautomatensprengungen führten die Staatsanwaltschaft und die Polizei Köln am Morgen des 24. April Durchsuchungen in mehreren Privatwohnungen und Büros in Köln, Rheinbach und Heimerzheim sowie in einer Justizvollzugsanstalt in Nordrhein-Westfalen durch. Die umfangreichen Ermittlungen konzentrierten sich auf einen 20-jährigen Mann, der seit Februar 2024 in Haft ist und eine Strafe für ein Raubdelikt verbüßt. mehr...

Angeklagte sollen Frau schwer misshandelt, zur Prostitution gezwungen und getötet haben

Nach Mord im Koblenzer Rotlichtmilieu: Anklage gegen zwei Personen erhoben

Koblenz. Wie die Staatsanwaltschaft Koblenz mitteilt, wurde nach dem Tötungsdelikt im Koblenzer Rotlichtmilieu vergangenen November nun Anklage gegen eine 40-jährige Frau und einen 48 Jahre alten Mann (beide bulgarischer Nationalität) erhoben. Den beiden Beschuldigten wird zur Last gelegt, eine mit ihnen zusammenlebende 31-jährige Bulgarin grausam und aus niedrigen Beweggründen getötet zu haben.... mehr...

Regional+
 

Helferstab: Stelle zur Förderung von Kultur

Kreis Ahrweiler. Ab April 2024 nimmt die vom Land Rheinland-Pfalz geförderte Stelle „Regionalmanagement für Kultur“ für den Kreis Ahrweiler ihre Arbeit auf. Die zunächst auf ein Jahr befristete Stelle konzentriert sich auf die Vernetzung und Sichtbarkeit kultureller Akteure aus dem Kreis Ahrweiler sowie die Umsetzung von Kulturprojekten. In anderen Landkreisen ist eine solche Stelle vor allem bei den Kommunen zu finden. mehr...

Anzeige
 
Sie müssen angemeldet sein, um einen Leserbeitrag erstellen zu können.
Weitere Berichte
Positiver Drogentest nach Verfolgungsfahrt in der Nacht

Flucht vor der Polizeikontrolle führt zur Beschlagnahmung eines Pkw in Euskirchen.

Positiver Drogentest nach Verfolgungsfahrt in der Nacht

Euskirchen. Gestern Nacht (Donnerstag, 25. April 2024) kam es in Euskirchen zu einer Verfolgungsfahrt. Im Rahmen einer Streifenfahrt kam den Polizeibeamten auf der Oststraße in Euskirchen ein Pkw entgegen. mehr...

Bargeld aus Lebensmittelmarkt entwendet

Einbruch bei Nacht in Puderbach

Bargeld aus Lebensmittelmarkt entwendet

Puderbach. In der Nacht von Dienstag, 23. auf Mittwoch, 24. April 2024 brachen bislang unbekannte Täter in einen Lebensmittelmarkt in Puderbach, Auf der Held, ein. mehr...

Alkohol und Drogen im Straßenverkehr

Aus dem Polizeibericht

Alkohol und Drogen im Straßenverkehr

Montabaur. Die Polizeiinspektion Montabaur führt derzeit verstärkte Kontrollen im Straßenverkehr durch, insbesondere mit dem Fokus auf Alkohol- und Drogenkonsum. Aufgrund eines Hinweises aus der Bevölkerung... mehr...

SPD Niederbieber-Segendorf

Bürgergespräch

Neuwied-Rodenbach. Der OV SPD Niederbieber-Segendorf lädt zum Bürgergespräch am Sonntag, 5. Mai nach Neuwied-Rodenbach ein. Um 11 Uhr trifft man sich zum traditionellen Rundgang am Dorfplatz in Neuwied-Rodenbach. mehr...

SPD Ortsverein Neuwied Stadtmitte und Irlich

Wiederherstellung der Postdienstleistungen in der Pfarrstraße

Neuwied. Der SPD Ortsverein Neuwied Stadtmitte und Irlich, unter der Führung von Fredi Winter, reagiert entschieden auf die Ankündigung, dass die ehemalige Hauptpost von Neuwied in der Pfarrstraße seit dem 2. Mai keine Dienstleistungen der Deutschen Post oder DHL mehr anbietet. mehr...

Bürgerjournalismus im Offenen Kanal Neuwied

Redaktion sucht Zuwachs

Neuwied. Im April startete das Bildungszentrum BürgerMedien e.V. mit Unterstützung des Ministeriums für Arbeit, Soziales, Transformation und Digitalisierung (MASTD) das Projekt „Bürgerjournalismus in Offenen Kanälen“ im Offenen Kanal Neuwied. mehr...

Verleihung der Sportabzeichen

SV Unkel 1910 e.V.

Verleihung der Sportabzeichen

Unkel. Unkel ein Stelldichein, um aus den Händen von Bürgermeister Karsten Fehr und Hans-Willi Korf vom SV Unkel verdientermaßen ihre im Jahr 2023 erlangten 29 Sportabzeichen feierlich in Empfang zu nehmen. mehr...

TC Rot-Weiss Neuwied

Tennis für Anfänger und Fortgeschrittene

Neuwied. Der TC Rot-Weiss Neuwied betreibt seit Jahren eine erfolgreiche Kooperation mit der VHS Neuwied. Auch in diesem Jahr haben Tennisfreunde wieder die Möglichkeit, den Sport neu zu erlernen oder Vorkenntnisse auszubauen. mehr...

Eltern-Kind-Turnen beim VfL Waldbreitbach

Trainerin bzw. Trainer gesucht

Waldbreitbach. Für das beliebte Eltern-Kind-Turnen sucht der VfL Waldbreitbach eine neue Trainerin bzw. einen neuen Trainer. Das Angebot soll, wie bisher, immer dienstagsnachmittags in der Sporthalle... mehr...

LESETIPPS
GelesenNeueste
Kommentare
K. Schmidt:
Ich glaube, innerhalb der anderen Parteien verstehen das sehr, sehr viele. Aber weil die Entscheidungsträger auf Bundes- und Landesebene zu sehr befürchten, Macht abzugeben, oder aus anderen unerfindlichen Gründen, nimmt man dort schon gar nicht mehr wahr, was die eigene Parteibasis denkt. Wenn man...
Amir Samed:
Am meisten nutzt es der AfD aber, dass die in Bund und Ländern regierenden Parteien immer noch nicht verstehen wollen, was ihnen die meisten AfD-Wähler mit ihrer Stimmabgabe eigentlich sagen möchten....
K. Schmidt:
Herr Müller: "Die Lüge gehört zum politischen Geschäft... Man mag mit der Politik der vergangenen Jahrzehnte nicht einverstanden sein, was man auch nicht kann..." Richtig erkannt. Nur wen wählt man nun? Und wie stehen Sie zu der von den "Omas" offenbar gefeierten "Brandmauer", die in sehr vielen Konstellationen...
Gabriele Friedrich:
@Amir Samed, Sie sollten besser aufpassen mit ihrem Betondenken der AfD....
Gabriele Friedrich:
Ach die AfD, blamiert sich mittlerweile nur noch und langsam kommen die Straftaten raus. Ist doch hervorragend wie *Krah* sich selber entfernt von den Wahlplakaten, wie Höcke sich schwitzend blamiert mit seinem Geschichtsbuch und er vor Gericht musste. Die Weidel wird auch immer blasser und Chrupalla...
Amir Samed :
@Utz der Bär, ich bevorzuge wissenschaftliche Literatur. ...
Utz der Bär:
@Amir Samed: Glauben Sie ernsthaft, dass mehr als 200 Jahre Industrialisierung spurlos an unserer Umwelt vorbeigegangen sind? Denken Sie doch einfach mal selber nach, anstatt nachzuplappern, was ihnen irgendwelche Pseudo-Schwurbler auf Tiktok oder wo-auch-immer weismachen wollen! Was uns alle noch viel...
Amir Samed :
@juergen mieller, ich habe schon einiges an Niveaulosen und inhaltsleeren gelesen, Sie schaffen es dies noch zu unterbieten. Solange Sie auf dieser Ebene weiter agieren und sich einer sachlichen Diskussion und Argumentation verweigern, bleiben ihnen Antworten von mir erspart. Es ist nie zu spät, lernen...
Haftnotiz+
aktuelle Beilagen
Inhalt kann nicht geladen werden

 

Firma eintragen und Reichweite erhöhen!
Service