Hausschlachtungen waren für Familien auf dem Land alljährlich ein Höhepunkt in der Selbstversorgung

Erm Spätjoahr wuur de Wutz jeschlacht

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Der Kottenheimer Metzger M. bei einer Hausschlachtung um 1930. Foto: VVV Kottenheim

Kottenheim. Viele, nicht alle Bewohner, hielten einst in den Dörfern Haustiere wie Schweine, Ziegen und Hühner, um sich neben den Erzeugnissen aus Feld und Garten nach Möglichkeit weitgehend mit dem Lebensnotwendigen zu versorgen. Während die Ziegen, auch als die Kühe des „kleinen Mannes“ bezeichnet, in der warmen Jahreszeit meist von Kindern oder älteren Personen beim Weiden beaufsichtigt wurden, hielt man die Schweine in der „Persch“ im jeweiligen Stall. In länger zurückliegender Zeit wurden im Herbst die Schweine aus einem überschaubaren Dorfbereich von dem sogenannten „Säuert“ in den Wald getrieben, damit sie sich dort an Eicheln und Bucheckern noch einmal so richtig mästen konnten. Auch die Bezeichnung „Sobach“ - für die heutige Junker-Schilling-Straße - soll mit der Schweinehaltung im Dorf zusammenhängend gewesen sein; die vom Schweinehirt beaufsichtigten Schweine suhlten sich in dem früher dort noch offenen Bachlauf.

In einer amtlichen Viehzählung von 1900 im Bereich Mayen-Land wurde festgehalten, dass in unserem Dorf 323 Schweine und 280 Ziegen (1938 zählte man sogar 325 Ziegen) gehalten wurden. Wurden nun Ziegen für die Milcherzeugung mehrere Jahre gehalten, so war die Lebensdauer, also die Aufzucht eines Schweins bis zur Schlachtreife, auf rund ein Jahr begrenzt. Etliche Tiere werden wohl von den Bauern an ortsansässige oder auswärtige Metzger verkauft worden sein, doch ein Großteil der von den privaten Haushalten gemästeten Schweine wurde zum eigenen, späteren Verzehr hausgeschlachtet. Dies dürfte wohl für eine lange Zeit so uneingeschränkt praktiziert worden sein. Doch als es während des Ersten Weltkrieges wegen Wirtschaftsblockaden der Kriegsgegner zu Engpässen in der Lebensmittelversorgung kam, wurden gewisse Einschränkungen für diesbezügliche Hausschlachtungen verfügt: „…Die Schlachtung von einem Schwein für die Haushaltung wurde durch Aushändigung eines Schlachtscheines von Oktober bis April gestattet, dagegen mußten aber von dem geschlachteten Schwein 4 % Speck oder Fett an die Kommunalverwaltung abgegeben werden“, hielt der örtliche Chronist fest. Auch nach dem Zweiten Weltkrieg gab es etliche Einschränkungen, da die Bevölkerung hungerte. Fleisch und Fett gab es, wie viele andere Nahrungsmittel auch, nur noch mit Lebensmittelkarten. Bauern wurden aufgefordert, „…alles, was nicht für den eigenen Haushalt benötigt wurde, abzuliefern“, wie es 1946 in einem öffentlichen Aufruf an alle Landwirte hieß. Schwarzschlachtungen wurden verboten.

Schlachtung in den Höfen

Von alle dem hat man als Kind nicht viel mitbekommen. In meiner Erinnerung ist jedoch, dass der auf dem Bild abgelichtete Metzger Ende der 1940er Jahre bei uns die letzte Ziege und, was mich sehr betroffen machte, unser Zeckelchje bei uns im Hof schlachtete.

Das Halten und Mästen eines Schweines als Fleisch-, Wurst- und Fettlieferant war für eine Familie sicher davon abhängig, was man so neben dem eigenen Bedarf an Feld- und Gartenerzeugnisse für die Tiere davon übrig, beziehungsweise zur Verfügung hatte. Übergroße oder so genannte wasserharte, ferner bei der Ernte beschädigte Kartoffeln, bezeichnete man als „Säukrombiere“; sie wurden vielfach mit Kleie angedickt dem Borstenvieh verfüttert. Damals kannte man noch keine Bio-Tonne, folglich landeten alle möglichen Essenreste, Gemüseabfälle und Kartoffelschalen pp. im Fresstrog der Allesfresser. Da wir zu Hause nach den geschlachteten Ziegen, außer Hühnern, keine Tiere mehr im Stall hielten, bekam alle unsere Abfälle das jeweilige Schwein einer Nachbarsfamilie.

Wenn dann irgendwann bei diesen Nachbarn der Kottenheimer Metzger Max M. und sein Gehilfen Alois M. aufkreuzten, war für mich als Beobachter klar, heute wird das auch von mir gefütterte Schwein geschlachtet und sofort war ich zur Stelle. Das bis dahin im Stall gehaltene Tier wurde aus seiner Peresch (abgetrennter Bereich) in den Hof getrieben und umgehend mit einem Bolzenschuss-Apparat getötet. Nun hievte man es in eine Wanne und übergoss es mit heißem Wasser. Der beiden Schlachter entfernten dann die Borsten nicht nur mit einem Schaber, sondern auch zusätzlich mit einer um das Schwein gelegte Kette, mit der sie das getötete Tier in der Wanne hin und her zogen. Danach ließ man es ausbluten. Das ausgetretene, gesammelte Blut wurde fortwährend in einer großen Schüssel umgerührt, damit es für die spätere Blutwurstherstellung auch zu gebrauchen war. Nun hängte man das Schwein an einer Leiter kopfüber auf und zerlegte es in zwei Hälften. Zudem erschien der bestellte, nebenberufliche Fleischbeschauer Josef M., der verschiedene Proben entnahm und untersuchte, damit der spätere Verzehr – sofern keine Beanstandungen - auch ohne Probleme möglich wurde. Damit endeten meine Schlachtbeobachtungen im Hof; manchmal gab mir der Metzger noch die mit Luft gefüllte Schweinsblase, die ich wie eine Trophäe nach Hause trug. Später bekam ich natürlich auch ein Hetzelmännchen (kleine Blut- oder Leberwurst) von der Nachbarsfrau.

Die anschließende Verarbeitung und Wurstgewinnung in der Küche des Hauses war sicherlich zeitaufwendig, wobei auch Familienmitglieder neben dem Metzger voll eingespannt waren. So wurden die für den Schinken vorgesehenen Beinkeulen in Bottichen eingepökelt, Rippenstücke zu Koteletts zerteilt, Innereien für die Wurstherstellung separiert, Speckschichten getrennt und etliches mehr. Als man noch keine Konservendosen kannte, mussten die Gedärme äußerst reinlich gesäubert werden, um darin die hergestellte Wurst einzufüllen. In einem großen Kessel wurde diese dann aufgekocht und somit für eine gewisse Zeit haltbar gemacht. Ging dabei eine Wurst zu Bruch, war dies für die Brühe, die spätere Wurstsuppe, sicherlich eine substanzielle und geschmackliche Verbesserung.

Verwandte wurden auch bedacht

Ein schöner, alter Brauch unter Verwandten im Dorf war, dass man sich gegenseitig mit ein paar Koteletts, einem weißen und einem roten Hetzelmännchen, dazu eine Kanne Wurstsuppe nach einer Schlachtung beschenkte. Dieses freigebig anmutende Verteilen war aber fast auch eine Notwendigkeit, warum? Frische, nicht geräucherte Wurst war und ist ja nicht von langer Haltbarkeit, sodass manche Familie diese selbst gar nicht in absehbarer Zeit alle verspeisen konnte. Das Einfrieren von Lebensmittel war bei den Haushalten damals noch unbekannt.

Das eingepökelte Fleisch, der Speck und die Schinken wurden geräuchert. Als in späteren Jahren Konservendosen für eine längere Haltbarkeit von Wurst und Fleisch in Gebrauch kamen, brachte man die offenen Dosen zur Firma Johann Lung (an May´s Eck), wo die blechernen Behältnisse an einem Gerät luftdicht verschlossen wurden.

War ein Schwein geschlachtet und alle damit gewonnenen Vorräte entsprechend verarbeitet, besorgte man sich erneut Ferkel; vorwiegend wohl auf dem Mayener Viehmarkt. Die Aufzucht und das Mästen des nächsten Fleischlieferanten konnten im Jahreslauf von Neuem beginnen. Eine Kottenheimer Hausfrau riet einst ihrem Mann, als dieser für einen Ferkelkauf nach Mayen gehen wollte: „Hannes, wenn kän Ferkele off em Moart säin, dann brauchste och kän mertzebrenge.“

Franz G. Bell