Jörg Nießen las in Remagen aus seinem Buch „Rettungsgasse ist kein Straßenname“

Ernste Situationen mit schwarzem Humor

Ernste Situationen mit schwarzem Humor

Jörg Nießen berichtete von seinem Arbeitsalltag.Foto: -AB-

Remagen. Was Autofahrern so alles einfällt, wenn sie im Stau stehen, oder wie Restaurantbesucher in Seelenruhe weiter schmausen, wenn direkt neben ihnen ein anderer Genießer in eine lebensbedrohliche Notfalllage gerät, davon wusste Autor Jörg Nießen am Donnerstag im Foyer der Rheinhalle eine Menge zu erzählen. Der 43-jährige Rheinländer Jörg Nießen, in seinem Berufsleben Feuerwehrmann und Notfallsanitäter, las aus seinem neuesten Buch „Rettungsgasse ist kein Straßenname“ und begeisterte damit das große Publikum im Foyer. Im Publikum, das fragte Jörg Nießen nach, natürlich viele Feuerwehrleute und auch eine Reihe von Rettungssanitätern.

Was den Autor auszeichnete, war, dass er das Publikum mit seinem teilweise ganz schön schwarzen Humor bestens unterhielt, ohne den jeweiligen Ernst der Lage aus dem Auge zu verlieren. Mit dabei beim Feuerwehrmann oder Notfallsanitäter Nießen ist immer sein Kollege Hein, der mit deftigen Sprüchen oder auch Wutausbrüchen gegen die Menschen, die sich so völlig falsch oder teilnahmslos verhalten, die Situation häufig auf die Spitze trieb.

Martinshorn nützt nichts

So ging es schon los mit dem durchs Megafon gebrüllten „Bitte eine Gasse bilden“. Am Stadteingang steckte der Notfallwagen im Stau und musste dringend in die Innenstadt zu einem Einsatz. Lieblingskollege Hein erzählt derweil auf dem Einsatzfahrzeug facettenreich über behaarte Männerbrüste durch Koffein-Shampoos oder Datinglines für Elite-Singles. Doch der Ausruf nach der Rettungsgasse nützt mal wieder nichts.

Das Martinshorn wird angeschmissen. Zwischendrin erläutert Jörg Nießen den Ernst der Lage, dass bei Stau sofort eine Rettungsgasse gebildet werden soll, die linke Spur nach links und alle anderen Spuren nach rechts, und das, bevor das Martinshorn ertönt. Doch auch das Martinshorn nütze häufig nicht viel. Meter für Meter müsse sich der Rettungswagen vorkämpfen. Besonders pfiffige Autofahrer kämen da gar auf die Idee, sich dem Rettungswagen anzuschließen, quasi in direkter Verfolgung. Da habe man als Rettungsfahrer schon mal ganz kurz die Idee, den Verfolger durch ein kurzes Bremsen in wahrstem Sinne des Wortes auszubremsen bei seinem Tun.

Und es sei sogar noch schlimmer gekommen. Ein noch pfiffigerer BMW-Fahrer habe sich vor den Rettungswagen gesetzt und so die „Rettungsgasse“ für sich genutzt. Als der noch Pfiffigere dann an die Seite gemusst habe, habe er gar einen Pappbecher Kaffee auf die Windschutzscheibe des Einsatzfahrzeuges geworfen.

Unvernunft der Autofahrer

Nießen schilderte ausführlich die Unvernunft von so manchen Autofahrern, und das in einer humorvollen Sprache, die den Ernst der Lage aber nicht außen vor ließ. Da müsse man häufig die Nerven behalten auf dem Weg zum Einsatzort, machte Nießen klar. Endlich in einem Nobelrestaurant angekommen, mussten Nießen und Hein weitere Widerstände überwinden.

Sie mussten darum kämpfen, durchgelassen zu werden zu einem am Boden liegenden Mann, dem es offensichtlich sehr schlecht geht. Doch die umliegenden Gäste schmausten in aller Ruhe weiter an der Bouillabaisse oder der Crème brûlée. Da mussten sich die beiden erst einmal Platz verschaffen, um den Patienten zu versorgen.

Auch die Reanimation

stört die anderen Gäste nicht

Selbst die Reanimation habe die weiteren Gäste nicht dazu gebracht, den Lammrücken mal kurz aus den Augen zu lassen. „Machen Sie sich keine Sorgen, im Lokal lief alles genauso weiter, selbst als ich dem Patienten ein Loch ins Schienbein bohren musste“, las Nießen, der weiter ausführte, „da bin ich aber mal gespannt, ob die Bouillabaisse noch schmeckt, wenn die Zinkwanne in die Kneipe rollt“.

Der Patient war inzwischen gestorben.

Der Notarzt, der sich auch durch die Gäste kämpfen musste, hatte den Tod festgestellt. „Doch alle wollen gerettet werden“, betonte Nießen sein Unverständnis gegenüber solch unfassbaren Verhaltens von Menschen. Im Anschluss las der Autor noch Geschichten von der Feuerwehrwache, vom Zusammenhalt der Truppe, die diesen sonntags durch ein gemeinsames Frühstück ohne Einsatz stärken möchte. Und dies ohne Fremdwörter oder Anglizismen. Das bringt ordentlich Geld für die Gemeinschaftskasse. So gab es da natürlich kein Baguette oder Bacon, sondern Weißbrotstangen und Speck.

Unfälle in den eigenen Reihen

Auch bei der Feuerwehr selbst gebe es manchmal Unfälle, so Jörg Nießen. So beispielsweise als der Kollege beim Ausrollen des B-Schlauchs von selbigem überholt und mit der Metallkupplung an der Stirn getroffen worden sei. Niemand habe etwas gesagt, aber alle hätten sehr schnell ihre Helme angehabt.

Im zweiten Teil der Lesung kam dann noch der Kindergartenbesuch bei der Feuerwehr zum Tragen. Mit 40 Kindern gehe absolut die Post ab in der Feuerwache. Die Kleinen hätten schon ziemlich wüste Vorstellungen vom Einsatz von Feuerwehrleuten. Draußen habe es dann Streit um den Feuerwehrschlauch gegeben, mit dem Endergebnis, dass alle pitschnass gewesen seien. Hier merkte Nießen an, dass es sinnvoll sei, künftig nur jeweils acht Kinder mit einem Betreuer die Wache besuchen zu lassen.

Besonders beachtlich bei der Lesung war sicher, dass es dem Autor, Feuerwehrmann und Notfallsanitäter gelungen ist, den Ernst der jeweiligen Lage mit viel Humor ans Publikum zu bringen.