Prozessauftakt zu den Misshandlungsvorwürfen in der Kita Antweiler am Landgericht Koblenz

Ex-Erzieherinnen schweigen zu Vorwürfen

Ex-Erzieherinnen schweigen zu Vorwürfen

Die vier angeklagten Ex-Erzieherinnen der Kita Antweiler und ihre Anwälte beim Prozessauftakt im Landgericht Koblenz. UBU

Ex-Erzieherinnen schweigen zu Vorwürfen

Nebenklägerin Irina Enting stellt sich den Fragen der Presse.

Ex-Erzieherinnen schweigen zu Vorwürfen

Wolfgang Wagner (Mitte) betroffener Vater ist enttäuscht vom Prozessauftakt.

Koblenz/Antweiler. Lange haben betroffene Eltern auf den Prozess gewartet, der vergangene Woche vor dem Landgericht Koblenz begann. Die mutmaßlichen Vorkommnisse in der Kindertagesstätte „Regenbogen“ in Antweiler liegen bereits fünf Jahre zurück. Vier ehemalige Erzieherinnen sollen sich wiederholt an den Kindern vergriffen haben, sie an Stühle gefesselt und zum Essen gezwungen haben. Im Prozess schweigen die Angeklagten zu den Vorwürfen.

Hetzkampagne der Eltern ?

Kurz vor Prozessbeginn war die Stimmung im Wartebereich vor dem großen Sitzungssaal 128 spürbar angespannt. Kaum jemand sprach ein Wort. Rund 50 Menschen hatten sich versammelt, um den Prozessauftakt zu verfolgen. Unter den Anwesenden waren nicht nur Betroffene, die an die Schuld der Erzieherinnen glaubten, sondern auch diejenigen, die die Vorwürfe für eine Hetzkampagne einiger Eltern hielten. Die wenigsten waren zu Stellungnahmen gegenüber den Fernsehteams und Pressevertretern bereit.

Für Irina Enting, die in dem Prozess als Nebenklägerin auftritt, nachvollziehbar. „Die meisten sind in den Dörfern stark verwurzelt und trauen sich möglicherweise deshalb nicht sich öffentlich zu äußern.“ Enting, Mutter von drei Töchtern, von denen zwei Opfer der vermeintlichen Misshandlungen durch die Ex-Erzieherinnen der Kita Regenbogen in Antweiler gewesen seien, hatte kaum mehr daran geglaubt, dass es überhaupt zu einem Prozess komme. Jetzt wünsche sie sich eine lückenlose Aufklärung, um endlich mit der Geschichte abzuschließen zu können. Einen fairen Prozess und ein gerechtes Urteil erhofft sich auch Wolfgang Wagner. Der 47-jährige Vater, dessen heute siebenjähriger Sohn ebenfalls den Misshandlungen durch die vier Ex-Erzieherinnen ausgesetzt gewesen sein soll, wurde nicht als Nebenkläger zugelassen. „Scheinbar ist meinem Sohn nicht genug widerfahren“, so der Heilerziehungspfleger. Dabei leide sein Junge noch heute unter Essstörungen. Wagner erzählt, dass die Frauen seinen Sohn seinerzeit gewaltsam zum Essen gezwungen hätten. Bei Ungehorsam sei er zur Strafe in einen abgedunkelten Raum gesperrt worden.

Strenge Tischregeln der Erzieher

Mucksmäuschenstill ist es schließlich im Gerichtssaal, als Staatsanwältin Daniela Knoop-Kosin die Anklage verliest. Die Staatsanwältin wirft drei der ehemaligen Erzieherinnen des Kindergarten Regenbogens in Antweiler vor, zwischen Februar 2012 und November 2013 neun Kinder misshandelt zu haben. Die vierte Frau habe trotz ihrer Rechtspflicht dazu, die Taten nicht verhindert. Die Vorfälle haben, laut Staatsanwältin, 2012 mit der Errichtung des neuen Speisesaals begonnen. Hier sollten alle Gruppen zur gleichen Zeit ihre Mahlzeiten einnehmen. Für die Erzieherinnen habe dies schlichtweg Unruhe in Verbindung mit einem stark erhöhten Geräuschpegel bedeutet. Um dem entgegenzuwirken soll eine Erzieherin strenge Tischregeln durchgesetzt haben, die von den Kolleginnen akzeptiert worden seien.

Misshandlungen in 15 Fällen

Wiederholt sollen sich die Frauen an den Kindern vergriffen haben. So sollen sie Kinder, die ihre Mahlzeiten nicht oder nicht vollständig gegessen oder ausgespukt haben, in viel zu kleine Hochstühle gequetscht, an den Stuhl gefesselt, geschlagen oder durch sonstige körperliche Gewalt dazu gezwungen haben, das ausgespuckte Essen erneut in den Mund zu nehmen und hinunterzuschlucken. Unruhigen Kindern sollen sie den Mund zugeklebt, sie gefesselt und in abgedunkelte Räume gesperrt haben. Viele der kleinen Opfer hätten Entwicklungsstörungen und posttraumatische Belastungsstörungen davongetragen, so die Staatsanwältin. Knoop-Kosin listete Misshandlung von Schutzbefohlenen, Freiheitsberaubung und Nötigung in insgesamt 15 Fällen auf.

Die vier angeklagten Frauen im Alter von heute 31, 34, 48 und 55 Jahren, schwiegen beim Prozessauftakt. Nur eine Verteidigerin, Sandra Karduck, wies die Vorwürfe gegen ihre Mandantin entschieden zurück. Die Anwältin sprach von einer „Hexenjagd“, die eine bestimmte Person losgetreten habe. Dabei bezog sich die Anwältin vermutlich auf eine Mutter betroffener Kinder, die als Nebenklägerin auftrat. Karduck betonte, dass es sich bei diesem Prozess um ein hochemotionales Verfahren handele, indem Angaben gemacht würden, die so nicht geschehen seien. In diesem Zusammenhang appellierte sie an die Medien, die Grundsätze der Verdachtsberichterstattung zu wahren. Für ihre Mandantin seien die vergangenen Jahre ein „Albtraum“ gewesen. Sie habe nicht nur ihren Job verloren, sondern stehe, ebenso wie ihre Mitangeklagten, seither am Pranger und sei Stigmatisierungen ausgesetzt. Die Staatsanwaltschaft kritisierte sie dafür, kein aussagepsychologisches Gutachten in Auftrag gegeben zu haben. Abschließend verwies Karduck auf die aufsehenerregenden Prozesse wegen Kindesmissbrauch vor dem Mainzer Landgericht in den neunziger Jahren, bei denen alle 25 Angeklagten aus Worms nach langwierigen Verfahren freigesprochen wurden.

„Damit habe ich nicht gerechnet“

Nebenklägerin Irina Enting zeigte sich über die umfangreiche Anklageschrift erleichtert. „Es sind mehr Fälle aufgelistet, als ich erhofft hatte. Damit habe ich nach so langer Zeit nicht mehr gerechnet.“

Entmutigend empfand indes Wolfang Wagner den Prozessauftakt. Insbesondere der Verweis der Verteidigerin auf den Prozess in Mainz, lasse ihn nicht mehr an einen fairen Prozess glauben. „Zudem ist es ein starkes Stück, den Eltern eine Hetzkampagne zu unterstellen“, ärgert sich der 47-Jährige. Sein Sohn leide heute noch unter einem starken Trauma. Er habe in seiner Not sogar damit gedroht, die Kita zu zerstören und gesagt, dass er sich wünschte, die Erzieherinnen würden alle sterben. „So etwas legen wir dem Kind ja nicht in den Mund“. Dennoch sei er froh, dass Geschichte bald ein Ende nimmt.

Der Prozess geht am 16. Mai weiter – vorerst sind 13 Verhandlungstage bis Mitte Juli geplant.