Vortrag bei der Hospiz-Stiftung Rhein-Ahr-Eifel

Für den guten Umgang mit dem Sterben

Für den guten Umgang mit dem Sterben

(v.l.) Thomas Theisen (Stiftungsrat), Monika Lessenich (Stiftungsvorstand), Lukas Radbruch, Rolf Eberle (Stiftungsrat), Stephan Maria Glöckner (Botschafter der Hospiz-Stiftung Rhein-Ahr-Eifel), Ulrike Dobrowolny (Stiftungsvorstand), Kay Andresen (Stiftungsrat). Fotos: Hospiz-Stiftung Rhein-Ahr-Eifel

Für den guten Umgang mit dem Sterben

Lukas Radbruch sprach in der „Kleinen Bühne im Kurpark“.

Kreis AW. „Es geht voran“, stellte Professor Dr. Lukas Radbruch als einer der führenden Palliativmediziner in Deutschland fest. Vieles sei schon erreicht, aber es bleibe auch noch Vieles zu tun. Das zeigte sein Vortrag über „Herausforderungen in der palliativen Versorgung“. Dazu begrüßte Ulrike Dobrowolny als Vorstandsvorsitzende der ausrichtenden Hospiz-Stiftung Rhein-Ahr-Eifel den Hochschullehrer und Leiter der Klinik für Palliativmedizin am Uniklinikum Bonn und Präsident der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin (DGP), der unter anderem auch Vorsitzender der ökumenischen Hospizgruppe Rheinbach-Meckenheim-Swisttal und der „International Association for Hospice and Palliative Care“ ist.

Gerne sei er in die „Kleine Bühne am Kurpark“ in Bad Neuenahr gekommen, sagte Radbruch. Er fand es „toll“, dass auch der gewählte Ort die Hospiz- und Palliativversorgung und Themen wie schwere Krankheit, Sterben, Tod und Leid „herausholt aus dem Bereich Krankenhaus und Pflegeheime, wo es sonst immer hineingesteckt wird“.

Beginn der modernen

Palliativversorgung

Für seine rund 150 Zuhörer spannte er den Bogen vom Beginn der modernen Palliativversorgung mit Eröffnung des ersten Hospizes durch die Ärztin und Sozialarbeiterin, Cicely Saunders, im Jahr 1967 in England bis zur bevorstehenden Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts Ende Februar über die Rechtmäßigkeit des assistierte Suizids in Deutschland. „Wir akzeptieren den Sterbewunsch eines Patienten, aber wir werden nicht dabei assistieren“, stellte Radbruch aus Sicht des Palliativmediziners klar: „Wir würden auch keine Mittel dazu besorgen oder die Reise in die Schweiz organisieren.“ In der Palliativmedizin gehe es schließlich nicht um das Beschleunigen oder Hinauszögern des Todes oder um Heilung, sondern um Linderung von schweren Erkrankungen und schwerem gesundheitsbezogenem Leid. Und darum, eine möglichst hohe Funktionsfähigkeit und Lebenszufriedenheit des Patienten zu erhalten sowie die Lebensqualität zu verbessern. Dazu müssten zunächst die Bedürfnisse des Patienten erkannt werden, was schon die erste Herausforderung darstelle.

An Beispielen erklärte er, dass es etwa die Schmerzkontrolle bei Krebserkrankungen meist relativ einfach zu erreichen sei. Schlimmer als der Schmerz werde von einem Drittel der Palliativpatienten die Furcht vor Luftnot empfunden, die unterschiedliche Gründe habe. Wo andere Mediziner reflexartig zur Sauerstoffgabe tendierten, sei das menschliche Da-Sein oft die angemessene Hilfe gegen die Angst der Betroffenen. Eingehend widmete sich Radbruch auch der Herausforderung des freiwilligen Verzichts auf Essen und Trinken bei Patienten. Dieses „Sterbefasten“ sehe die DGP nicht als Suizid an und gemeinhin auch als alleinige Entscheidung des Patienten.

Gespräche und Alternativen

bei Sterbewunsch

Aber er stellte aus seiner langjährigen Erfahrung auch fest: „In vielen Fällen ist der Sterbewunsch die Frage nach einem Gespräch und die Frage des Patienten nach Alternativen.“ Und Gespräche sowie Alternativen könne die Palliativmedizin bieten.

Dabei stünden in der Palliativmedizin nicht mehr wünschenswerte Sauerstoffwerte im Blut oder andere sonstige medizinische Parameter im Vordergrund. „Es geht immer darum, wie der Patient sich fühlt“, betonte Radbruch wiederholt. Symptomkontrolle sei das eine. „Was aber fast noch mehr Zeit und Energie braucht, ist, dass wir Patienten begleiten wollen.“

Er freute sich, dass dank 1324 Hospizdienste, 243 stationärer Hospize, 293 Teams für die Spezialisierte ambulante Palliativversorgung (SAPV) und 343 Palliativstationen in Deutschland die Zahl derer, die Zugang zur Palliativversorgung hätten, mittlerweile eine „deutlich messbare Größe“ geworden sei. Er lobte auch das herausragende Engagement des Hospiz-Vereins Rhein-Ahr und begrüßte überdies, dass sich Hospizvereine zusammen mit palliativen Beratungsdiensten um die Versorgungslücken auf dem Land kümmerten, wo „enorm weite Fahrstrecken zurückzulegen sind“. Darüber hinaus sah er SAPV-Satellitenteams oder eine besondere Befähigung von Hausärzten und Pflegediensten als weitere Möglichkeiten der Versorgungsverbesserung und zugleich als Herausforderung an. Dabei sei auf die Qualifizierung der Beteiligten und die Sicherung der Qualität der Versorgung zu achten.

Unterstützung

durch Ehrenamtliche

Ausdrücklich verwies Radbruch auf die Unterstützung der professionell Tätigen durch Ehrenamtliche, die wichtige psychosoziale Begleitung leisteten. Eine wichtige Rolle könnten Ehrenamtliche auch in Pflegeheimen mit zu wenig ausreichend qualifizierten Mitarbeitern übernehmen, weil sie als kundige ehrenamtliche Begleiter mit Zeit für die einzelnen Bewohner sehr gut über deren Befinden Auskunft geben könnten. „Und nicht nur das: Ehrenamtliche Begleiter sind Botschafter für den guten Umgang mit dem Sterben und dem Tod. Sie sind auch als Botschafter der Hospizbewegung unterwegs, die schon ein richtig große Bewegung geworden ist.“ Rund 100 000 ehrenamtliche Begleiter sind derzeit in der Hospizbewegung in Deutschland tätig.

Zu den Herausforderungen in der Zukunft gehört laut Radbruch aber auch eine Überalterung im Ehrenamt und, dass Ehrenamtler generell in vielen Bereichen gesucht würden. Sein Wunsch: Dass die Hospiz- und Palliativversorgung auch durch die „Charta zur Betreuung schwerstkranker und sterbende Menschen in Deutschland“ noch mehr gesamtgesellschaftlich Unterstützung erfährt. Radbruch warnte aber auch vor einer Professionalisierung im Ehrenamt. Früher habe er im Gegensatz zu heute einen Hospizdienst-Mitarbeiter gegebenenfalls auch bitten können, mit auf die regelmäßige Medikamenteneinnahme eines Patienten zu achten. Radbruch: „Da muss man aufpassen, dass das nicht zu spezialisiert wird, dass das Ehrenamt nicht zu sehr in eine Profirolle reinrutscht, sondern dass es weiterhin diese Breite hat: Dass man mit offenen Armen und offenen Augen zu jemandem hingeht und fragt: ‚Was brauchst du?‘“. Abschließend nahm sich Radbruch nicht nur Zeit, die Fragen des Publikums zu beantworten, sondern auch Zeit für einen Besuch im stationären Hospiz im Ahrtal. Von den wechselnden Ausstellungen im Hospiz, von der Küche, in der täglich frisch gekocht wird, und überhaupt von der gesamten Atmosphäre, die dort herrscht, war er sehr angetan.