Allgemeine Berichte | 03.05.2016

KZ-Außenlager „Rebstock“:

Für die SS ein einträgliches Geschäft

Kreis-VHS und Landeszentrale für politsche Bildung luden zu einer Exkursion mit dem Militärhistoriker Wolfgang Gückelhorn ein

Wolfgang Gückelhorn (3.v.l.) bei seiner Exkursion über das Gelände des ehemaligen KZ-Außenlagers „RebstockFoto: Simons

Das Arbeitslager mit dem Tarnnamen „Rebstock“ war eines von 130 Außenlagern des Konzentrationslagers Buchenwald. Es befand sich zwischen Ahrweiler und Rech - im Kuxberg- und im Trotzenbergtunnel sowie auf den Bahndämmen ober- und unterhalb dieser Eisenbahn-Tunnel. Die heute noch sichtbaren Spuren dieses Lagers, in dem im Herbst 1944 an die 1000 Häftlinge aus 12 Nationen schuften mussten, waren Ziele einer Rundwanderung mit dem in Bad Breisig wohnenden Heimat- und Militärhistoriker Wolfgang Gückelhorn, zu der die Kreisvolkshochschule Ahrweiler und die Landeszentrale für politische Bildung Rheinland-Pfalz jetzt eingeladen hatten.

Ahrweiler. Ausgangsort der Exkursion war die Dokumentationsstätte Regierungsbunker am Silberberg oberhalb von Ahrweiler. Dort werden die etwa 39 Teilnehmer von Heike Hollunder, der Leiterin der im Februar 2008 eröffneten Dokumentationsstätte, begrüßt. Die gebürtige Bitburgerin erinnert daran, dass das KZ-Außenlager Teil der Vorgeschichte des Regierungsbunkers ist, bevor Wolfgang Gückelhorn, Autor etlicher Fachbücher, die etwa 30 Teilnehmer mit einem zehnminütigen Referat ins Thema einführt.

Durch die Tunnel, die Teil einer strategischen Bahnlinie für den Ersten Weltkrieg werden sollten, ist nie ein Zug gefahren. Im Rahmen einer Arbeitsbeschaffungsmaßnahme wurden in den leer stehenden Röhren Ende der 1930er Jahre Champignons kultiviert. Wie viele Häftlinge dort später sterben mussten - an Unterernährung, Krankheit oder Misshandlungen –, weiß heute niemand. Aller Wahrscheinlichkeit nach sind auch Häftlinge ermordet worden, durch Erschießung oder den Galgens, der später in Dernau gefunden wurde. Nie wurde jemand für diese Verbrechen zur Rechenschaft gezogen; ein viele Jahre zurückliegendes Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Koblenz musste mangels Beweisen eingestellt werden.

Nach dieser Einführung brechen die Rundwanderer auf. Am Hotel Hohenzollern vorbei geht es steil bergan. Der frische Frühlingswind sorgt für Kühlung; trotzdem ist der Zwischenstopp an einer Weggabelung oberhalb des Altenwegshofes, dem höchsten Punkt der Wanderung, bei den Teilnehmern hoch willkommen. Das Lager „Rebstock“ war für beide Seiten ein einträgliches Geschäft, wie Wolfgang Gückelhorn hier erklärt. Die SS suchte sich im KZ Buchenwald geeignete Häftlinge aus, deren Arbeitskraft sie dann im Ahrtal an die Firma Gollnow & Sohn verkaufte. Vier Reichsmark kassierte die SS von der Firma je Häftling und 12-Stunden-Arbeitstag. Ein ziviler Facharbeiter hätte eine Reichsmark pro Stunde gekostet. Die Häftlinge selbst bekamen keinerlei Gegenleistung dafür, dass sie in dem Eisenbahntunnel die Bodenanlagen für die in Peenemünde entwickelte V 2-Rakete montierten. Die se Anlagen wurden für den Transport und zum Aufrichten dieser weltweit ersten funktionsfähigen Großrakete benötigt.

Gedenkstätte soll entstehen

Nun laufen die Exkursionsteilnehmer in Richtung Kratzenbach. In den heute noch gut erkennbaren Schützengräben wenige Meter links ihres Weges lauerten im Herbst 1944 Wehrmachtssoldaten. Sie sollten verhindern, dass die Häftlinge von Fallschirmjägern befreit werden, die der Feind hinter der Frontlinie abgesetzt hat. Auf dem ehemaligen Bahndamm zwischen den ehemaligen Portalen Kux- und Trotzenbergtunnel wird zum zweiten Mal pausiert. Die Portale wurden nach der Kapitulation von den französischen Besatzern gesprengt. Während des Kalten Krieges entstanden an ihrer Stelle die Eingangsbauwerke für den Regierungsbunker. Die stehen heute noch dort. Etwa 200 Meter oberhalb standen im Herbst 1944 Baracken, in denen die KZ-Häftlinge untergebracht waren, wenn sie nicht im Tunnel arbeiteten. Wolfgang Gückelhorn illustriert seine Ausführungen mit Luftaufnahmen und Fotos aus jener Zeit. In nächster Zeit soll dort eine Gedenkstätte zur Erinnerung an das Leid und an die Opfer entstehen, die das Lager „Rebstock“ forderte. Der Rückweg führt die Wanderer zu einem Aussichtspunkt oberhalb des Gasthauses „Kleinod“. Gückelhorn weist auf vier über die Ahr führenden Eisenbahnbrücken hin, die man von hier aus sehen kann. Diese Brücken waren im Herbst 1944 mehrfach Ziel aliierter Bombenangriffe. Weil der Himmel damals häufig bewölkt war und weil die Flughöhe der Bomber bei mehr als drei Kilometer betrug, schlugen Bomben auch in weitem Umkreis ein. Bei einem Angriff wurden die Häftlingsbaracken in Marienthal getroffen. Über die Zahl der Opfer ist allerdings nichts bekannt.

Nachdem die Tunnel Mitte Dezember 1944 geräumt worden waren, suchte die Bevölkerung der Orte im Ahrtal dort Schutz vor den feindlichen Fliegerbomben. Ein Zeugnis aus dieser Zeit ist der 1953 erschienene Band „Die Stadt im Berg“. Mathilde Husten-Causemann aus Ahrweiler schildert darin ihre persönlichen Erinnerungen an die Zeit, in der sie, wie mehr als 2500 weitere Menschen aus der Stadt, im Silberberg-Tunnel Schutz vor Bomben und Tieffliegern suchte. In der „Stadt im Berg“ gab es damals Buden mit Hausnummern, eine Kapelle und eine Arztpraxis.

Nachdem der Krieg vorbei und die Tunnelportale von den französischen Besatzern gesprengt worden waren, verbarg sich der Eingang zum Silberberg-Tunnel jahrzehntelang hinter Buschwerk und Gestrüpp – bis der Heimatverein „Alt-Ahrweiler“ dort ein kleines Freilichtmuseum einrichtete, das am 3. Juli 2004 eröffnet wurde.Anton Simons

Wolfgang Gückelhorn (3.v.l.) bei seiner Exkursion über das Gelände des ehemaligen KZ-Außenlagers „Rebstock Foto: Simons

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