Sozialforum Koblenz

Gesellschaftliche Krisen und die Kirchen – eine kritische Analyse

Koblenz. Als es um Waffen für die Ukraine ging, waren die Kirchen schnell dabei, deren Lieferung abzusegnen. Während des Corona-Lockdowns tauchte zwar gelegentlich die Frage auf, wie Gott das Sterben an diesem Virus zulassen könne. Im Vordergrund stand jedoch die Sorge, wie unter Corona-Bedingungen Gottesdienste gefeiert werden konnten. Das Virus und noch mehr der Krieg in der Ukraine sind Ausdruck der eskalierenden Krise des Kapitalismus. Sie befeuern Flucht und Hunger ebenso wie die Klimakrise. Die Kirchen sind vor allem mit dem Kampf um „innere“ Reformen beschäftigt, um darüber Glaubwürdigkeit zurückzugewinnen.

Was treibt die Kirchen dazu, sich um sich selbst zu drehen und auf all die Krisen – wenn überhaupt – gesellschaftlich angepasst zu reagieren? Im Sozialforum wird die Entwicklung der Kirche hin zu „unternehmerischen Kirchen“ kritisch reflektiert. Als „unternehmerische Kirchen“ wollen sie sich in der Konkurrenz zu anderen Anbietern von Spiritualität und ratgebender Begleitung behaupten. Dabei stören Inhalte: sowohl mit Nörgeln assoziierte gesellschaftskritische Reflexion wie auch die Inhaltlichkeit eines Glaubens, der von seinen biblischen Wurzeln untrennbar mit dem Schrei nach Befreiung aus Unrecht und Gewalt wie der Kritik von Herrschaft verbunden ist.

Die Herausforderung der Stunde wäre für die Kirchen, zwischen Gott und Götzen, zwischen dem Gott der Befreiung und Herrschaft legitimierenden Götzen zu unterscheiden. Dies führt ins Zentrum der Kritik des Kapitalismus. Seine Grundlage ist der irrationale Selbstzweck, Geld und Kapital um seiner selbst willen zu vermehren und dabei die minderbewertete weiblich konnotierte Reproduktion abzuspalten. Dieses System stößt gegenwärtig immer mehr auf seine Grenzen. Es „tötet“ – wie Papst Franziskus sagt – bis hin zur drohenden Vernichtung, wenn die im Rahmen des Kapitalismus nicht mehr zu überwindende Krise weiter ihren Gang geht.

Wenn Kirchen wirklich „den‘“ Menschen dienen wollen, können sie es nicht mit dem Rücken zu denen tun, die in und an den Krisen zugrunde gehen und auch nicht mit dem Rücken zur drohenden Vernichtung aller Grundlagen des Lebens. Ihr Platz wäre an der Seite der Opfer. Das hätte Konsequenzen für die Artikulation des Glaubens wie für pastorales Handeln. Die Kirchen müssten mit der Rolle brechen, die gesellschaftlich der Religion zugewiesen wird: Sinn anzubieten, ohne über den gesellschaftlichen Unsinn zu reflektieren, Angebote für die Bewältigung von Scheitern zu servieren und zu den Verhältnissen zu schweigen, die Menschen scheitern und sterben lassen, Tröstliches und Erbauliches zu offerieren, statt mit dem Gott der Befreiung und der damit verbundenen Kritik von Herrschaft zu kommen.

Am Dienstag, 4. Oktober um 19 Uhr im Café Atempause der Christuskirche (Hintereingang in v.Werth-Straße). Referent: Herbert Böttcher, Vorsitzender des Ökumenischen Netzes Rhein-Mosel-Saar und des Vereins für kritische Gesellschaftstheorie „Exit!“. Veranstalter: Ökumenisches Netz Rhein-Mosel-Saar, KHG und pax christi Gruppe Koblenz. Gefördert wird die Veranstaltung von der KEB Koblenz.

Die Veranstalter weisen auf die Möglichkeit des Tragens von Masken sowie Covid-Selbsttests vorab hin.