Andernach feierte sein Stadtorchester bei den Frühlingskonzerten

Größen des Jazz hätten ihre Freude gehabt

Größen des Jazz hätten ihre Freude gehabt

Konzentriert in der musikalischen Dramaturgie: Bertram Kleis.Fotos: MKA

Größen des Jazz hätten ihre Freude gehabt

Frech, fröhlich und verspielt: „Dixieland On Stage“.

Größen des Jazz hätten ihre Freude gehabt

Stehende Ovationen für das Stadtorchester Andernach und sein Programm „Jazz geht’s los“.

Größen des Jazz hätten ihre Freude gehabt

Andernach. Was haben der Runde Turm und das Stadtorchester Andernach gemeinsam? Beide sind Türme – der eine ein mittelalterlicher Wehrturm, der andere ein „Leuchtturm“ der vergangenen fünf Jahrzehnte Andernacher Kulturgeschichte. Nach seinem gelungenen Jubiläumsjahr hatte das musikalische Aushängeschild der Bäckerjungenstadt am Wochenende zu seinen seit 35 Jahren alljährlichen Frühlingskonzerten eingeladen. An zwei Abenden begeisterten die rund 60 Musikerinnen und Musiker unter der Leitung von Musikdirektor Bertram Kleis ihr Publikum in der zweimal ausverkauften Mittelrheinhalle. Unter dem Motto „Jazz geht’s los“ ließ das renommierte Blasmusik-Ensemble mit Jazz- und Big-Band-Klassikern solche Größen wie Benny Goodman, Glenn Miller, Lionel Hampton, George Gershwin, Quincy Jones oder Scott Joplin klangvoll auferstehen.

Musikdirektor Bertram Kleis, der als Dirigent seit 25 Jahren für den richtigen Einsatz, den Takt und die Phrasierung bei den Darbietungen seiner Instrumentalisten steht, unternahm mit seinem Ensemble und den Musikfreunden im Saal eine mitreißende, kurzweilige Reise durch die Welt des Jazz. Ihm zur Seite stand im elften Jahr Moderator Helmut Jäger, der mit seinem unverkrampften Infotainment einmal mehr als Reiseführer überzeugte.

Lebensfreude pur vermittelte „A Tribute To Gershwin“, ein Melodienstrauß gefühlvoller und temperamentvoller Stücke sowie bezaubernder Soli. Mit dem Medley ehrte das Orchester das Werk von George Gershwin, der mit seinen Broadway-Musicals und Orchesterkompositionen den Jazz in die Konzertsäle brachte. In einer Bearbeitung von Uwe Kraus-Lehnitz erinnerte dann „The Entertainer“ an den US-amerikanischen Komponisten und Pianisten Scott Joplin. Im Original ein Klavierstück, diente die Komposition, 56 Jahre nach seinem Tod, als Titelmusik für den mehrfach preisgekrönten Film „Der Clou“.

Vielleicht hat Lionel Hampton, der berühmte Meister des Vibraphons, vom Himmel applaudiert, als ihm Philipp König an dem klassischen Jazz-Instrument, das wie ein Glockenspiel über Klangplättchen aus Metall verfügt, nacheiferte. Sein beeindruckendes Spiel – am Ende hielt Philipp gar sechs Schlägel in den Händen – gab dem berühmten

Vibraphon-Virtuosen das, was ihm gebührt: „A Tribute To Lionel“. Riesenapplaus und Chapeau für diese Darbietung. Viel zu tun für Schlagzeuger und Vereins-Chef Volker Montermann bei „Take Five“ des kalifornischen Jazzpianisten Dave Brubeck. Diese Komposition gilt heute als Jazzstandard. Frech, fröhlich und

verspielt kam „Dixieland On Stage“ daher. Getragen vom Background ihrer Musikerkolleginnen und -kollegen ließen fünf „Front-Instrumentalisten“ den Funken dieser Jazz-Stilrichtung auf ihr Publikum überspringen.

Dieses ging schließlich bei „When the Saints Go Marchin In“ voll mit und belohnte die Künstler mit rhythmischem Beifall.

Nach der Pause ging es mit typischem Big-Band-Sound weiter. Im Arrangement der „Benny Goodman Memories“ hatten die Stadtorchester-Solisten ausreichend Gelegenheit, ihre Virtuosität unter Beweis zu stellen. Mit diesem Medley erinnerte das Ensemble an einen der berühmtesten Bandleader der großen Swing-Ära, den „King of Swing“, Benny Goodman. Quincy Jones, ein Mann mit goldener Nase für Erfolgshits, hatte seinen „Soul Bossa Nova“ in 20 Minuten komponiert. Dem Auditorium gefiel seine Titelmelodie der James-Bond-Parodie Austin Powers.

So manche(r) mag bei „On the Sunny Side Of The Street“ mitgesummt haben, dem Song, der 1930 für das Broadway-Musical „International Revue“ geschrieben wurde. Die wahren Ohrwürmer sollten jedoch noch folgen: Swing-Evergreens des legendären Bandleaders Glenn Miller.

Da wurde mitgeklatscht, geschnippt, mit den Füßen gewippt und dazwischen applaudiert. Als Millers „Moonlight Serenade“ verklang, schloss sich ein überschäumender Begeisterungsapplaus an.

Mit „Birdland“ des Österreichers Josef Erich „Joe“ Zawinul erinnerte das Orchester an den gleichnamigen berühmten Broadway-Jazzclub, den der Komponist in jungen Jahren häufig besuchte. In diesem Stück zog Bertram Kleis sozusagen „alle Register“.

„Es ist Wahnsinn“, rief der Musikdirektor des Stadtorchesters und Diplom-Orchestermusiker des Heeresmusikkorps, als er mit seinem Ensemble den stehenden Applaus der um Zugabe bittenden Musikfreunde im Saal entgegennahm. Sie sollte folgen mit dem zackigen „St.-Louis-Blues March“ und dem gefühlvollen, dankbaren „What A Wonderful World“ – What a wonderful evening, Stadtorchester Andernach.