Rathaussturm in Linz

Hajo I. eroberte mit seiner Rocker-Gang das Rathaus der Bunten Stadt

Hajo I. eroberte mit seiner Rocker-Gang das Rathaus der Bunten Stadt

Von Hajo I. wieder vor sein Allerheiligstes gezerrt, wollte sich der Bürgermeister immer noch nicht so recht vom Stadtschlüssel trennen. Fotos: DL

Hajo I. eroberte mit seiner Rocker-Gang das Rathaus der Bunten Stadt

Erst vor dem Ratssaal konnte die Tollität den machtlosen Stadtchef stellen.

Hajo I. eroberte mit seiner Rocker-Gang das Rathaus der Bunten Stadt

Mit schweren Motorrädern fuhr der Linzer Prinz mit seiner „Hajo-Gang“ auf dem Marktplatz vor.

Linz. Jede Menge Schaulustige hatten sich am Sonntagmittag auf dem Linzer Marktplatz versammelt, wollten sie sich das Schauspiel der Rathauserstürmung doch nicht entgehen lassen. Markus Mollberg führte seinen Musikzug vor den Schraatesaal, vor dem die Stadtsoldaten um Kommandant Markus Paffhausen ihre Verteidigungslinie aufbauten. Und prompt wurde das trotzige „Mer bruche keene, der us säht, wie mer et Rothuus ze verteidije dät“ von den dumpfen Trommeln der Hunnen übertönt, die etwa vom „Blechjedöns“ und von Musikern des bayrischen Gebirgsbatallons um den blau-wiessen Ehrensenator Karlheinz Werner abgelöst wurden, von dem grün-weißen Musikzug des Jubiläums-Husarencorps ganz zu schweigen. Mit den Heerscharen von Hajo I. „von den Ufern des Alwiesbachtals“ waren auch die Mi-Careme Freunde um die Pornicer Beigeordnete Christiane van Goethem auf dem Marktplatz angekommen, während Stadtbürgermeister Hans-Georg Faust mit seinem „Dreigestirn“, Helmut Muthers, Michael Schneider und Karl-Heinz Wölbert, zuvor schon eine um Fastelovend-Beistand bittende Delegation aus der österreichischen Partnerstadt Linz an der Donau empfangen hatte. Dafür hatten sie ihm ihre Unterstützung bei der Rathausverteidigung gegen Hajo I. zugesagt, als der auch schon mit seinen Adjutanten, Toni Derek und Kevin Schopp, auf schweren Zweirädern vorgefahren kam.

Karneval beweist, dass Rassismus nicht naturgegeben ist

Zum Angriff blasen konnte er jedoch noch lange nicht. „Bevor es zum traditionellen Hauen und Stechen kommt, werde ich alle, die an eine humane Zukunft glauben, bitten, einen Moment innezuhalten“, hatte der Stadtchef im Vorfeld angekündigt, um zum Gedenken der Menschen aufzurufen, „die sterben mussten, weil sie zu Zielobjekten eines von Rassismus zerfressenen Verschwörungstheoretikers geworden sind.“ Solchen Strömungen von Fremdenhass und Rassismus Einhalt gebieten könne man nur, indem man sich, insbesondere aber die Jugend, immer wieder an die entsetzlichen Ereignisse in der deutschen Geschichte erinnere. Wer geglaubt habe, die deutsche Nachkriegsdemokratie sei gegen rechtes Gedankengut immun geworden, sei durch die kriminellen Taten der Vergangenheit eines Besseren belehrt worden, mahnte der Stadtchef. „Wilde Verschwörungstheorien werden, gemischt mit Gewaltphantasien, nicht nur bei Psychopathen zu einem giftigen Gebräu, für das Sündenböcke gesucht und gefunden werden“, warnte er. „Im Karneval haben wir eine wichtige Aufgabe. Wenn ‚Anderssein‘ im Fastelovend ausgelebt werden kann, wenn sich fremde Menschen nahekommen, wenn die Indianerin den Chinesen bützen darf und wenn Unbekannte zum Kölsch an der Theke eingeladen werden, dann ist der rheinische Karnevals doch der Beweis dafür, dass Rassismus und rechtes Gedankengut nicht naturgegeben sind. Deshalb dürfen wir nicht nur nach dem Morden von Hanau Karneval feiern, wir müssen Karneval feiern. Auf dem Linzer Marktplatz ist kein Platz für Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Terrorismus!“, beendete der Stadtchef unter dem lebhaften Beifall der mehreren hundert Gäste und der Corpsmitglieder seine Rede, die von Helmut Muthers und Karl-Heinz Wölbert mit dem „Stammbaum“ der „Bläck Fööss“ eindrucksvoll unterstrichen wurden. Währenddessen hatte der Prinz mit seinen beiden „Hajo-Angels“ und KG-Präsidentin Yvonne Adams-van Beek seinen Feldherrenhügel erklommen, um den Rathaus-Pappnasen zu zeigen, wo der Hammer hängt. Allerdings ließ sich weit und breit kein Vertreter der Stadt sehen. „Die sin wahrscheinlich so im Rausch mit ihrem digitalen Linz, dass sie irgendwo intellenz-dumm rumsitzen und dat janze Schmölzj he irgendeiner App überlassen“, mutmaßte die Präsidentin. Erst als Hajo I. den Stadtsoldaten das Temperament einer Computeranimation zusprach und die Butzedrisser und Weicheier aufforderte, sich sehen zu lassen, tauchte der Stadtchef mit dem ehemaligen Nippemann Schneider auf. „Wir kommen doch nicht galoppiert, nur weil eine Masseuse in Pumphosen mit ihren zwei Lamettaboys laut rum schreit“, reizte er den Prinzen, während sein Leibwächter die Adjutanten als Möchtegern-Rocker und grün-weiße Ballettschnallen verunglimpfte. Prompt bezeichnete et Yvönnche die Stadtsoldaten als „Ansammlung verbrauchter Blechbüchsen“, während für den Nippemann seine Kollegen „Testosteron gesteuerte Kampfmaschinen“, nach deren Kampfeinsatz Hajo in seiner Physio-Praxis ein Lazarett aufmachen könne.

Rathaus wurde gestürmt

Natürlich ließe es sich die Tollität als eingefleischter Motorradfahrer nicht nehmen, über die „Elektrofahrrad“-Tanke am Rathaus herzuziehen, bevor er drohte, das Bürgermeisterbüro zum Umschlagplatz für rheinische Drogen, eben Kölsch un Schabau sowie Blootwoosch un Uhles zu machen und den Ratssaal zur Mensch-ärgern-dich nicht-“ und „Mau-Mau“- Spielhölle umzufunktionieren. „Ich werde das auf keinen Fall zulassen, dass du mein Rathaus in ein ‚Haus der Freuden‘ verwandelst“, wetterte Hans Georg Faust, forderte Markus Paffhausen auf, seine staatzen Kääls in Stellung zu bringen – und ward vorerst nicht mehr gesehen, jedenfalls nicht vor seiner Machtzentrale. Das fiel Hajo I,aber erst auf, als er mit seinen Grün-Weißen im Sturm mühelos die Kette der Stadtsoldaten durchbrochen hatte und vor der Rathaustreppe angekommen war. Von seinen beiden Kollegen, Helmut Muthers und Michael Schneider, die 2005 und 04 selber Prinz von Linz gewesen waren, im Stich gelassen, sah sich Karl-Heinz „Flippo“ Wölbert trotz seiner kriminalistischen Schulung und Erfahrung sowie der Unterstützung etlicher Ratsmitglieder nicht in der Lage, sich der närrischen Übermacht entgegenzustemmen, zumal ihm das Ratsmitglied Jürgen Pappendorf auch noch in den Rücken fiel. Als Cremeschnittchen lief dieser zu den Jecken über und öffnete ihnen bereitwillig die Ratshaustür, so dass Hajo I. von seinen Heerscharen in den Schraatetempel gespült wurde. Diese unblutige Eroberung stimmte den neuen Regenten der Stadt überaus gnädig, zumal nun auch die vorangegangene Rede von Hans-Georg Faust bei der Tollität Wirkung zeigte. Ohne Kampf stellte er den geflohenen Stadtchef vor dem Ratssaal, der ihm bereitwillig den Schlüssel der Stadt überließ.

Bei allem Wohlwollen und trotz aller Verbrüderungen, seinen uneingeschränkten Sieg der Narrenschar vor dem Rathaus kund tun, wollte Hajo I. dann aber doch. Entsprechend zeigte er sich seinem jecken Völkchen mit dem entmachteten Bürgermeister, bevor im Schraatesaal auf die gelungene Rathausbesetzung angestoßen wurde.