Interview mit Fridays-for-future-Aktivisten

„Keiner von uns ist perfekt, aberwir versuchen es wenigstens“

„Keiner von uns ist perfekt, aber
wir versuchen es wenigstens“

Bei der Fridays-for-future-Demo (v. li.): Christine Dinkel, Linus Orfgen, Alexander Arenz, Pierre-Marc Hartenfels, Luur Rrez und Lasse Machalet.Foto: GBA

Ihr macht die Fridays-for-future-Demo nicht zum ersten Mal mit. Greta Thunberg wird für ihre Schifffahrt kritisiert. Wäre sie vielleicht lieber geflogen?

Pierre-Marc Hartenfels: Egal, was sie gemacht hätte, ob mit dem Flugzeug, mit der Bahn, mit dem Bus oder egal wie – es wäre immer etwas gefunden worden, um sie zu kritisieren. Wenn ich mir die Kommentare auf Facebook anschaue, sind es immer dieselben Plattitüden, die da geschrieben werden. Deswegen finde ich das ein wenig schade. Wenn jemandem wirklich etwas an der Umwelt liegt und etwas dagegen hat, wie sie da reist, kann das jeder gern sachlich und argumentativ belegen. Das ist überhaupt kein Problem. Damit kann jeder arbeiten.

Wurdest du schon kritisiert für die Unterstützung von „Fridays for future“?

Hartenfels: Es kommt tatsächlich darauf an, wo du bist. In Koblenz findet das mehr Akzeptanz als teilweise im Westerwald, gerade auch an den Schulen. Im Freundeskreis natürlich, aber auch auf Facebook haben wir schon krasse Hasskommentare bekommen, wo uns teilweise auch gedroht wird.

Wovor haben die Leute denn Angst?

Hartenfels: Das ist eine gute Frage. Irgendwie sind es immer dieselben, etwas ältere Personen, die anscheinend Angst haben vor einem kleinen Mädchen namens Greta. Wovor genau sie Angst haben? Keine Ahnung. Wir wollen den Leuten nicht das Schnitzel wegnehmen. Das ist nicht die Intention der ganzen Sache. Wir möchten die Leute einfach sensibilisieren. Wir müssen nicht jeden Tag mit dem Auto fahren. Natürlich muss dann auch gesagt werden: Wir müssen den ÖPNV ausbauen.

Im Westerwald ist es mau mit dem ÖPNV, oder?

Hartenfels: Ja, genau das ist das Problem. In Koblenz ist es um Weiten besser, aber auch nicht supergut. Aber da sollte definitiv etwas gemacht werden. Jeder Bürger könnte daran appellieren, vielleicht mit einem Leserbrief. Oder sich einfach mal melden, bei einer Demonstration teilnehmen.

Wie soll der Ausbau des ÖPNV finanziert werden?

Hartenfels: Das ist eigentlich ganz witzig, dass so etwas gefragt wird. Oft wird gesagt, dass „Friday for future“ nur Forderungen stellt. Natürlich ist es in einer Streikbewegung so, dass Forderungen gestellt werden. Wir sind aber auch dazu bereit, diese Forderungen mit den Politikern umzusetzen. Das heißt: Wir waren auch hier im Westerwald im Kreistag. Wir wollten den Klimanotstand ausrufen. Wir haben den Politikern gesagt, dass wir bereit sind, in Sondierungsgespräche zu gehen. Wir sind bereit, Arbeitskreise zu gründen und wirklich Freizeit reinzustecken, um den ÖPNV oder sonst irgendetwas hier im Westerwald auszubauen. Bis jetzt haben wir keine Antwort bekommen, was erschreckend und sehr frustrierend ist.

Gab es das Thema schon im Unterricht oder seid ihr selbst auf das Thema gekommen?

Christine Dinkel: Ja, wir hatten das schon am Mons-Tabor-Gymnasium im Unterricht, vor allem in Ethik oder in Sozialkunde. Da kam das schon öfter auf. Was wir davon halten, wie auch wir junge Menschen etwas verändern können, ob Demos überhaupt irgendetwas bringen und ob es andere Alternativen gibt, um überhaupt irgendetwas dabei zu verändern.

Und bringen Demos was?

Dinkel: Ich denke auf jeden Fall, dass Demos etwas bringen, wenn wir genug Leute haben, die da überhaupt mitmachen, damit wir den Politikern symbolisch zeigen können, dass wir da sind, dass wir etwas verändern wollen und dass wir uns auch engagieren dafür.

Greta Thunberg wünscht sich ja, dass die Leute panisch werden, vor dem Klimanotstand Angst haben.

Dinkel: Das wäre natürlich wünschenswert. Dann würden die diese Krise endlich mal ernst nehmen und nicht nur belächeln.

Aber Panik ist kein guter Ratgeber zum Handeln, oder?

Hartenfels: Die Angst sollte natürlich nie die Überhand gewinnen. Dennoch müssen wir das Ganze emotionalisieren. Das ist natürlich klar, denn sonst bewegst du in den Massen nichts. Es ist eher eine Klimakatastrophe als ein Klimawandel. Aber das ist ein anderes Thema. Die Menschen sollen sensibilisiert werden und sich Gedanken darüber machen: Brauche ich das und das überhaupt? Muss ich das und das kaufen oder gibt es dafür eine Alternative, die einfach umweltfreundlicher ist? Natürlich zielen wir dabei auf die Emotionen, aber auch auf die Empathie der Menschen.

Manche loben euch ja zu Tode...

Alexander Arenz: Natürlich gibt es das auch. Aber wir sollten den Fokus darauf richten, dass wir mit „Fridays for future“ seit über einem halben Jahr auf die Straßen gehen und sich eigentlich immer noch nichts geändert hat. Und das ist eigentlich ein Unding. Das zeigt auch, dass die Politiker uns immer noch nicht ernst genug nehmen und dass wir einfach weiter kämpfen müssen. Es gibt nicht die Option, dass wir jetzt aufgeben oder den Streik irgendwie sanfter machen, sondern im Gegenteil.

Was wäre die nächste Eskalationsstufe?

Hartenfels: Eskalationsstufe klingt natürlich sehr radikal. Ziviler Ungehorsam ist natürlich ein Thema bei „Fridays for future“ und auch bei anderen Umweltorganisationen. Wir waren jetzt im Kreistag, das war natürlich eine Aktion von zivilem Ungehorsam. Wir wurden aber nicht zur Ordnung gerufen. Das ist natürlich nicht erlaubt, in einer Kreistagssitzung aufzustehen und irgendwas zu fordern, aber es ist halt Mittel zum Zweck. Das ist eine Situation zivilen Ungehorsams, die auch wichtig ist.

Die 68-er hatten keine Scheu, Gewalt gegen Sachen anzuwenden, die Anti-Atomkraft-Bewegung war nicht zimperlich...

Arenz: Nein, das ist ganz klar nicht unser Ziel. Wir richten uns niemals gegen Personen, auch nicht gegen Gegenstände. Es geht aber auch darum, kreative Möglichkeiten zu finden, um unseren Protest auf die Straßen zu bringen.

Es gab ein Treffen in der Schweiz, bei dem die Aktivisten in Konflikt geraten sind. Wie geht ihr mit Konflikten um?

Hartenfels: Konsenstreffen sind etwas, wo es immer ein bisschen aufgeheizter zugeht. Wir kommen aus sehr vielen unterschiedlichen Parteien. Da ist alles vertreten, aber natürlich auch Parteilose. Aber wir schreien uns nicht gegenseitig an, sondern wir machen das alles sachlich. Natürlich dauert dann auch ein Konsenstreffen acht Stunden. Das ist aber auch die Arbeit, die manche Menschen nicht sehen. Wir sitzen vielleicht acht Stunden da und haben vielleicht erst zwei Punkte abgearbeitet von der Liste. Aber die Arbeit hat bis jetzt sehr gut funktioniert.

Die 68er haben Kritik geübt an ihren Vätern und Müttern, wie sie mit den Nazis umgegangen sind. In den 90er Jahren fragte eine Schülerzeitung: Sind wir die Umwelt-Nazis? Lässt sich den heute ab 40-Jährigen vorwerfen, der jüngeren Generation quasi den Weltuntergang bereitet zu haben?

Hartenfels: Also, der Vergleich mit dem Holocaust und dem Zweiten Weltkrieg geht gar nicht. Aber natürlich: Ich habe oft die Diskussion mit meinen Eltern. Da sitzen wir am Tisch, und dann reden wir auch mal 40 Minuten ein bisschen lauter über die ganze Sache. Aber das ist wichtig. Die Menschen müssen sich doch trauen, mit ihren Eltern auch über solche sensiblen Themen zu reden. Und dann kann jeder auch mal sagen: Hier, Papa, ich finde das und das nicht gut. Und dann wird er sagen: Nein, nein, das und das ist so. Und dann wird es diskutiert. Das ist die Basis von jeder demokratischen Institution, dass miteinander diskutiert wird.

Was sind eure persönlichen Schritte? Esst ihr kein Fleisch oder fliegt ihr nicht?

Arenz: Ich persönlich bin vegan, natürlich aber auch aus anderen Gründen. Aber generell denke ich, dass wir alle versuchen, beispielsweise Plastik zu reduzieren oder statt des Autos die Bahn zu nehmen. Es sind viele kleine Schritte, die jeder machen kann. Wie jeder in der Bewegung sich auch darüber Gedanken macht, wie er diese Dinge umsetzt. Es ist oftmals besonders schade, wenn ältere Menschen uns diffamieren, wenn wir in einer Sache nicht perfekt sind. Keiner von uns ist perfekt, aber wir versuchen es wenigstens.