Gemeinsame Pressekonferenz der Bürgermeister der vom Hochwasser betroffenen Gemeinden im Ahrtal

Ruf nach Mainz und Berlin:„Wir brauchen eine Perspektive für das Ahrtal!“

Ruf nach Mainz und Berlin:„Wir brauchen eine Perspektive für das Ahrtal!“

Schäden in Ahrweiler.Foto: ROB

Ruf nach Mainz und Berlin:„Wir brauchen eine Perspektive für das Ahrtal!“

Schäden in Sinzig.Foto: ROB

Ruf nach Mainz und Berlin:„Wir brauchen eine Perspektive für das Ahrtal!“

Schäden in Altenahr.Foto: Henning Glitz

Ruf nach Mainz und Berlin:„Wir brauchen eine Perspektive für das Ahrtal!“

Schäden in Schuld.Foto: BURG

Kreuzberg. Bei einer gemeinsamen Pressekonferenz in Kreuzberg zogen die Bürgermeister der vom Hochwasser betroffenen Kommunen im Ahrtal eine erste Bilanz der Katastrophe. Mit dabei waren Cornelia Weigand (VG Altenahr), Guido Orthen (Stadt Bad Neuenahr-Ahrweiler), Andreas Geron (Stadt Sinzig) und Guido Nisius (VG Adenau). Der eindringliche Appell der Bürgermeister lautet: „Wir brauchen die Hilfe aus Mainz und Berlin.“ Der offene Brief aus Altenahr sei in diesem Zusammenhang nicht als Beschwerde zu verstehen, so Cornelia Weigand. Vielmehr handele es sich um einen Hilferuf. Denn die Dimensionen der Zerstörung durch das Hochwasser seien grauenhaft. „Nach wie vor blicken wir auf die Auswirkungen einer unglaublichen Katastrophe“. Insbesondere in der Verbandsgemeinde Altenahr sind die Zerstörungen gravierend. So ist das Dorf Altenburg zu 100 Prozent überflutet, in Dernau sind insgesamt 542 von 612 Häuser betroffen und teilweise bereits abgerissen. In Altenahr sind es 401 von 655, in Rech 143 von 223. Von fünf Schulen im Gebiet der Verbandsgemeinde sind drei derart beschädigt, dass ein Unterricht nicht stattfinden kann. Es entstand ein Schaden an kommunalen Straßen in Höhe von 100.000.000 Euro.

Weigand: „Wir brauchen

Ihr Versprechen“

Angesichts der katastrophalen Ausmaße appellierte Weigand nach Berlin und Mainz. „Wir müssen diese Katastrophe auf Bundesniveau heben“, so die Bürgermeisterin. „Wir werden das Ahrtal ohne Sie nicht wieder aufbauen können.“ Deshalb fordere sie sofort einen Sonderbeauftragten für den Wiederaufbau des Ahrtals. Gleichzeitig mahnte sie, das Große und Ganze nicht aus den Augen zu verlieren. „Das was uns passiert ist, wird auch woanders passieren“. Auch für andere Regionen in Mitteleuropa brauche es nun Schutzkonzepte. Weigand forderte von Bund und Land eine Perspektive. „Wir brauchen ein Versprechen der Kontinuität, dass uns beim Wiederaufbau geholfen wird.“

Orthen: „Wir werden

Sie an Ihren Taten messen“

Sehr deutlich drückte es auch Guido Orthen in Richtung Ministerpräsidentin Malu Dreyer und Bundeskanzlerin Angela Merkel aus: „Wir raten Ihnen, unsere Briefe sehr deutlich zu lesen,“ so der Bürgermeister von Bad Neuenahr-Ahrweiler. „Sie waren hier, Sie haben die Schäden gesehen und haben Hilfe zugesagt“, erinnert er. „Wir werden Sie an Ihren Taten messen“, so Orthen deutlich. Die Schäden in Bad Neuenahr-Ahrweiler sind katastrophal. In einer ersten Schätzung beziffert er die Schäden an der zerstörten Infrastruktur in der Kreisstadt auf 1,5 bis 1,7 Milliarden Euro. In gleicher Höhe werden die Schäden auf privater Ebene vermutet. 25.000 der rund 30.000 Einwohner der Kreisstadt sind in unterschiedlichem Ausmaß von der Katastrophe betroffen. Ausdrücklich forderte er eine Förderquote für den Wiederaufbau, „und zwar von 100 Prozent.“ Und: „Jeder, der etwas anderes sagt, hat die Lage nicht verstanden.“ Es bräuchte auch keine „Prüfer mit Lederschuhen, die uns die Gesetze erklären“, so Orthen weiter. Vielmehr benötige es nun unkonventionelle Entscheidungen. Schließlich müsse man die Menschen zum Wiederaufbau ermutigen. „Wir brauchen einen Koordinator, eine bundesweite Pflichtversicherung für Elementarschäden, massive Finanzhilfen und eine Sonderwirtschaftszone „Ahrtal“ mit Steuererleichterungen für Privatleute und Unternehmer“, forderte er.

Geron: „Fristen können

wir uns nicht leisten“

Andreas Geron, Bürgermeister der Stadt Sinzig, sprach von einem Ereignis, dass „unsere Generation prägen wird.“ Angesichts der massiven Schäden schloss sich Geron den Forderungen seiner Amtskollegen an. Er wünscht sich bei den Hilfeleistungen weniger Bürokratie, keine Fristen. „In unserer Situation können wird uns Fristen nicht leisten“, so Geron. Es bedürfe nur kleiner Gesetzesänderungen, um den Wiedereinstieg ins Leben zu erleichtern. Davon sei man indes noch weit entfernt. Auch in Sinzig sind die Zerstörungen massiv. Gleichzeitig unterstrich er Guido Orthens Forderung nach einer Sonderwirtschaftszone und der Pflicht zur Elementarversicherung. Ein besonderes Ärgernis sind für Geron die „Fake News“, die sich um den Abzug der Hilfskräfte drehen. „Ich habe die Menschen aufgrund dieser Falschmeldungen schreien und weinen gehört“, so Geron. „Fake News“ seien für ihn ein „menschlicher Abgrund, der sich hier auftut.“ Sein Appell nach Mainz und Berlin lautete: „Lasst uns nicht im Stich!“

Nisius: „Ohne Hilfe

sind wir vergessen,

verraten und verkauft“

Die apokalyptischen Zustände in der VG Adenau beschrieb Bürgermeister Guido Nisius. Alle Ortschaften bis auf eine seien wieder an das Wasserversorgungsnetz angeschlossen. Jetzt kämen die Leute „wieder ans Denken“ und deren Frage lautet: „Kann ich hier wieder bauen?“ Fragen, auf die es derzeit noch keine Antwort gäbe. Nisius äußerte seine Bedenken für die unmittelbare Zukunft. „Bald berichten die Medien nicht mehr über uns, die Bundeswehr zieht in Kürze ab und dann sind wir hier vergessen, verraten und verkauft“, sagt der Bürgermeister. Immerhin bleibe das THW – aber nur vorerst, wie Nisius unterstrich. Dabei sei die Hilfe nicht nur „vorerst“ nötig, sondern längerfristig. „Wir schaffen das alleine nicht“, sagt Nisius während der Pressekonferenz. Des Weiteren benötige es ein sinnvolles, länderübergreifendes Hochwasserkonzept für die Zukunft – von der Quelle der Ahr in Blankenheim bis zur Mündung in Sinzig.

Ein weiterer Unterzeichner des offenen Briefes ist Freiherr Albrecht von Boeselager aus Kreuzberg. „Wir haben immer noch kein Wasser hier im Ort“, sagt er. Sollte es kein Wasser geben, sei das Dorf tot, vermute er. „Die Leute sind dann bald weg, und das darf nicht passieren“, so von Boeselager und fügt hinzu: „Wir brauchen Hilfe, sonst werden wir uns lange alleine fühlen.“

Neben der einstimmigen und dringlichen Bitte der Hilfe dankten die Bürgermeister ausdrücklich der Vielzahl von privaten und offiziellen Helfern.

ROB