Festveranstaltung zu „100 Jahre Frauenwahlrecht“

„Schluss mit den Trippelschritten“

„Schluss mit den Trippelschritten“

Alexander Saftig (5. v. li.) und Bert Flöck (8. v. li.) fühlen sich sichtlich wohl im Kreise der Frauen, die sich für Frauen in der Politik stark machen. (V. li.) Monika Esch, Hildegard Krauß, Rita Lanius-Heck, Gabriele Mickasch, Rita Süssmuth, Roswitha Verhülsdonk, Claudia Kriebs, Anna Köbberling, Katrin Wolf, Judith Haag, Lea Bales. BSB

„Schluss mit den Trippelschritten“

Rita Süssmuth forderte, sich von den Trippelschritten zur Zielerlangung zu verabschieden.

„Schluss mit den Trippelschritten“

Katrin Wolf (re.) moderierte die lebhafte Talkrunde mit (v. li.) Rita Süssmuth, Anna Köbberling, Gisela Klier, Claudia Kriebs und Judith Haag.

Koblenz. Mit einer Festveranstaltung zu „100 Jahre Frauenwahlrecht“ würdigten der Landkreis und der LandFrauenkreisverband Mayen-Koblenz gemeinsam mit der Stadt Koblenz das von Frauen für Demokratie und Gleichberechtigung Erstrittene. In der Rotunde des Bauern- und Winzerverbandes Rheinland-Nassau e.V. standen unter der Überschrift „Frauen machen Kommunen stark – 100 Jahre gelebte Demokratie“ ein Vortrag von Prof. Dr. Rita Süssmuth (Bundestagspräsidentin a.D.) und eine von der freien Journalistin Katrin Wolf moderierte Talkrunde auf dem Programm.

Nach der Begrüßung durch Lea Bales (Gleichstellungsbeauftragte des Landkreises Mayen-Koblenz), Gabriele Mickasch (Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Koblenz) und Monika Esch (Vorsitzende LandFrauenkreisverband Mayen-Koblenz) wandte sich Landrat Dr. Alexander Saftig an die teilnehmenden vielen Frauen und wenigen Männer. Frauen müsse in Anbetracht des immer noch geringen Frauenanteils in Gemeinderäten und Kommunalpolitik mehr Mut gemacht werden, in die Politik zu gehen. Zudem müsse Politik so gestaltet werden, dass sie Frauen anspreche. Immerhin - im Vorstand der Stadt Koblenz ist, anders als in Rat und Verwaltung, die Geschlechterparität schon jahrelang Istzustand, wie Bert Flöck, Beigeordneter der Stadt Koblenz, nachfolgend aufzeigte.

Nicht einmal jedes

dritte Mitglied des

Bundestages ist weiblich

Im Bundestag sieht es nicht besser aus. Nicht einmal jedes dritte Mitglied ist weiblich. Es gibt also noch viel zu tun für die und von den Frauen, trotz des in Deutschland bislang Erreichten. Flöck erinnerte an den ersten, 1898 gegründeten landwirtschaftlichen Hausfrauenverein, der die Wurzel der Geschichte der Landfrauen war. Er erinnerte an das erste Gleichberechtigungsgesetz, das 1958 in Kraft trat, wonach bis zur Reform des Ehe- und Familienrechts noch einmal fast zwanzig Jahre vergingen. Und auch in Koblenz haben die Frauen viel bewegt. So feiert in diesem Jahr das Frauenhaus sein 20-jähriges Bestehen und seit dreißig Jahren hat die Stadt eine Gleichstellungsstelle, deren erste und immer noch tätige Beauftragte Gabriele Mickasch ist. Mickasch war zugleich Gründungsmitglied der 1988 ins Leben gerufenen Landesarbeitsgemeinschaft der kommunalen Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten des Landes Rheinland-Pfalz.

Sich auszuruhen auf dem Erreichten empfiehlt Rita Süssmuth nicht.

Stattdessen sollte eine Fortführung des Wahlrechts angestrebt werden. Katrin Wolf stellte die Christdemokratin als souveränen, kämpferischen und engagierten Menschen vor, und Alexander Saftig nannte sie ein leuchtendes Beispiel dafür, dass Frauen auch Politik machen können. Süssmuth machte schon 1985 den Schritt von der Wissenschaftlerin zur Politikerin, als sie Bundesministerin für Jugend, Familie und Gesundheit (ab 1986 zusätzlich für Frauen) wurde.

In ihrem, von viel Applaus bestärkten Vortrag gab sie Rückblicke auf ihre politische Arbeit. Zudem ging sie unter Hinweis auf die Wurzeln, die engagierte Frauen bereits im 18. und 19. Jahrhundert legten, der Frage nach, was „wir Frauen“ jetzt bewegen müssen, wobei „Schluss sein müsse mit den Trippelschritten“. Die Gegenwart zeige, dass nach wie vor die Macht in den Händen von Männern liege. Exemplaren wie Trump, Erdogan oder Putin, die demokratische Werte mit Füßen treten, müsse ein „bis hierhin und nicht weiter“ entgegengesetzt werden. Zugleich mahnte sie vor militärischen Konflikten, denn mit Mitteln des Krieges sei bislang kein einziges Problem gelöst worden. Viele Männer schienen nur noch Aufrüstung und Krieg im Kopf zu haben. Die Frauen seien dazu aufgefordert, mit den Mitteln des Verhandelns und miteinander Sprechens „bis zum Exzess“ dagegen zu halten. „Wir Demokratinnen“ müssen dazu beitragen, von Konfrontation zu Kooperation zu kommen. Frauen sollten, um mehr bewegen zu können, besser werden in der Anwendung ihres Potenzials. Wie leistungsstark und kreativ sie sind, erlebe sie immer wieder bei den auf dem Lande, in kleinen Ortschaften lebenden und sich dort engagierenden Frauen. Zudem gelte es, die Jugend mit ins Boot zu holen, um die alle und jeden betreffenden Themen anzugehen. Sie rate dringend, das „Ich-kann-doch-nichts-bewirken“-Denken abzulegen. Im Zusammenschluss mit anderen sei vieles zu schaffen. „In der Gruppe kommen wir weiter!“ „Zeigt, was Frauen in ihren Kommunen bewegen. Sprecht konkret darüber. Die Männer tun das auch!“

Lebhafte Diskussion

An der nachfolgenden Talkrunde beteiligten sich neben Rita Süssmuth vier Politikerinnen aus der Region: Dr. Anna Köbberling (Landtagsabgeordnete, SPD), Claudia Kriebs (saß ab 2012 zwei Jahre lang für die FDP im Stadtrat), Gisela Klier (war zehn Jahre lang bis 2004 Bürgermeisterin der Ortsgemeinde Langenfeld) und Judith Haag (Kreissprecherin der Mayen-Koblenzer Grünen). Angelehnt an Süssmuths Ausführungen arbeitete Moderatorin Katrin Wolf mit ihren Gesprächspartnerinnen als wichtigste Themen das Geschlechtergleichgewicht in den Parlamenten und die Geschlechtergleichstellung im Beruf heraus. Aus dem sich lebhaft in die Diskussion einbringenden Publikum kam die Forderung, bessere Antworten zu finden auf die biologische Ungerechtigkeit, deretwegen Frauen bei der Arbeitsplatzvergabe nach wie vor oftmals benachteiligt werden.

Als nächst anzustrebendes frauenpolitisches Ziel wurde einvernehmlich ein Parité in den Parlamenten benannt. Ob es genügend Frauen gibt, die sich auf der Ebene politisch engagieren wollen, wird davon abhängen, wie gut die Vereinbarkeit von Beruf und Familie geregelt ist, wie Gisela Klier betonte. Voraussetzung ist eine funktionierende nachschulische und Ferien-Betreuung der Kinder. Aus eigener Erfahrung führte Claudia Kriebs aus, dass zu den derzeitigen Gegebenheiten vor allem für alleinerziehende und voll berufstätige Frauen weder ein Durchstarten noch ein langfristiges Engagement in der Politik machbar sei. Frauen, die in kommunalen Parlamenten gestaltend mitarbeiten wollen, so Judith Haag, brauchen Selbstbewusstsein und müssen lernen, Stellung zu beziehen.

Genauso brauchen sie, wie Anna Köbberling ergänzte, einen langen Atem und schließlich Mehrheiten. Dazu müssen sie in Wort und Tat überzeugend auf andere wirken. Frau könne sich selbst gar nicht genug zumuten, meinte Rita Süssmuth abschließend. Wichtig auf diesem Weg seien Menschen, die an einen glauben, „wenigstens einer!“ „Steht auf und sagt, es muss jetzt passieren! Ein Zögern und Warten ist für viele der zu treffenden Entscheidungen unverantwortlich!“