Löhndorfer Erinnerungen an die Zeit des 2. Weltkriegs

„Schneid´ die weißen Blumen, damit die Flieger uns nicht seh´n“

Von Daniel Robbel

„Schneid´ die weißen Blumen, damit die Flieger uns nicht seh´n“

„Ich wurde verwundet und hatte einen Durchschuss am Kinn und sechs Zähne verloren. Habe ein Gebiss bekommen. Außerdem habe ich heute noch Splitter im Knie. Da war ich erst 20 Jahre alt. Manch einer, der heute klagt, kann nicht ahnen was wir mitgemacht haben.“ -(l.). Josef Güttes *1926„Im Januar 1945 wurde ich verwundet. Ich hatte einen Durchschuss durch den Ellenbogen und ein Granatsplitter im Rücken. Den habe ich heute noch. Die Engländer brachten mich in ein großes Gefangenenlager nach Wesermünde. Die Engländer fragten uns, ob wir bereit wären gegen die Russen zu kämpfen, falls sie weitere Ansprüche stellen.“ - (r.) Matthias Ockenfels *1926

„Schneid´ die weißen Blumen, damit die Flieger uns nicht seh´n“

„An meinen Vater kann ich mich gar nicht erinnern. Heute denke ich oft an meine Mutter, die mit 33 Jahren ihren Mann verlor und als junge Frau ihr Leben alleine und ohne Partner meistern musste.“ Christas Vater, Christian Ockenfels, starb 1944. - Christa Frings, geb. Ockenfels *1942

„Schneid´ die weißen Blumen, damit die Flieger uns nicht seh´n“

„Im März 1946 bin ich aus der französischen Kriegsgefangenschaft heimgekommen, die Bauern waren Hafer am säen. Habe bei der Gemeinde Arbeit im Wald bekommen. Ich wäre gerne Zimmermann geworden,doch ich musste Geld verdienen um die Familie zu unterstützen. Wir haben von der Jugend nichts gehabt.“-Anton Münch, *1925

„Schneid´ die weißen Blumen, damit die Flieger uns nicht seh´n“

„„Die Russen waren überall an der litauischen Grenze. Hier erlebte ich meine Feuertaufe: Neben mir wurde ein Kamerad in Stücke gehauen. Ich erlebte wieder einmal den Tod. Mein Freund Georg ist 1944 im Lazarett nicht weit von mir gestorben. Ich wusste das nicht. Wir wurden um unsere Jugend betrogen.“-Matthäus Ockenfels *1925

„Schneid´ die weißen Blumen, damit die Flieger uns nicht seh´n“

„Mein Vater hieß Martin Ritterath. Zum ersten Mal kam er in Heimaturlaub als ich zwei Jahre alt war und ich wollte nicht zu ihm hin. Er war fremd für mich. Im März 1944 als ich vier Jahre alt war ist mein Vater gefallen.“ - Margarethe Brücker geb. Ritterath *1940

„Schneid´ die weißen Blumen, damit die Flieger uns nicht seh´n“

„Mein Vater starb am 12. März 1946 in einem Kriegsgefangenenlager im Ural. Als ich zur Kommunion ging, wusste oder ahnte meine Mutter, dass mein Vater nicht mehr zurückkommen würde. Mein Vater hatte schöne volle blonde Haare und als Kind habe ich oft gedacht: Wenn er doch nur heimkäme! Es wäre auch nicht schlimm gewesen, wenn er eine Glatze hätte.“ -Christel Schäfer, geb. Geyer *1937

„Schneid´ die weißen Blumen, damit die Flieger uns nicht seh´n“

„Mein Bruder Stephan war Gemeindediener bei Matthias Ritterath, dem Vorsteher. Als er in den Krieg zog, habe ich diese Aufgabe übernommen. Ritterath sagte: „Wir haben keine Jungen mehr, das kannst Du machen.“ Wir waren elf Geschwister zu Hause. Teilweise waren fünf meiner Brüder im Krieg.- Elisabeth Weber, geb. Schmickler *1924

„Schneid´ die weißen Blumen, damit die Flieger uns nicht seh´n“

„Ein Flieger ist in der Nähe von Westum brennend abgestürzt, dort wo jetzt der Aussiedlerhof Schneider steht, aber auf der anderen Wegesseite. Wir liefen hin um nachzusehen, was passiert ist. Im Cockpit saß der Soldat auf dem Sitz. Er war zusammengeschrumpft und verkohlt. Diesen Anblick vergesse ich nicht mehr.An zwei jüdische Familien Gottschalk und Wolff kann ich mich erinnern. Frau Gottschalk war sehr nett und Ostern backte sie Matzen, die konnten wir uns holen. 1938 sind die Familien mitten in der Nacht abgeholt worden. -Maria Wohlmuth, geb. Ockenfels *1918Alles Fotos: Friedhelm Münch

Löhndorf. Im Jahr 1945, dem letzten Jahr des Zweiten Weltkrieges, bereiteten dem damaligen Ortsvorsteher von Löhndorf die Blumenpracht im Garten der Großmutter von Christiel Schäfer geb. Brück große Sorgen. Die Lilien leuchteten nachts in strahlendem Weiß und boten ein Ziel für alliierte Bomber. Darum wies der Ortsvorsteher die junge Löhndorferin an, die Blumen abzuschneiden. Doch Christels Oma widersetzte sich. Die resolute Frau stülpte jeden Abend einen Sack über die Lilien um diesen pünktlich vor dem Frühstück wieder abzunehmen.

Die Lilien vergingen und irgendwann war auch der Krieg vorbei. Doch das Leben im Ort war danach ein anderes. 47 Männer aus Löhndorf kamen von den Schlachtfeldern nicht mehr nach Hause. Friedhelm Münch, ehemaliger Ortsvorsteher von Löhndorf, hatte es sich vor fast zehn Jahren zur Aufgabe gemacht, Zeitzeugen des Ortes nach ihren Erlebnissen zu befragen und die Erlebnisse des Weltkriegs und der unmittelbaren Nachkriegszeit zu dokumentieren. Damals, im Jahre 2010, lebten noch acht Löhndorfer Männer, die den Krieg miterlebt hatten. Mit den ehemaligen Wehrmacht-Soldaten und deren Angehörigen führte Münch intensive Gespräche. „Ich hatte das Gefühl, dass die Menschen erst im hohen Alter über ihre Geschichte sprechen konnten“, beschreibt es Münch. Dabei erfuhr er von den Zeitzeugen eine große Dankbarkeit. Als wäre es eine Erleichterung, das Erlebte endlich zu erzählen. Die niedergeschriebenen Aussagen zeigte Münch im gleichen Jahr in einer Ausstellung im Gemeindehaus anlässlich des Martinsmarktes. Nun ist es genau 80 Jahre her, als im September 1939 beim Überfall auf Polen die ersten Schüsse bei der grausamsten kriegerischen Auseinandersetzung in der Geschichte der Menschheit fielen.

Eine geraubte Jugend

Auch nach 80 Jahren sind die Erinnerungen der Löhndorfer aktueller denn je. Geschichten voller Heimweh und Angst, Vorfreude und Trauer, Hoffnung und Hoffnungslosigkeit. Die Schilderungen können unterschiedlicher nicht sein, doch ein Satz voller Bitterkeit zieht sich durch die Kriegserinnerungen: „Man hat uns unserer Kindheit und Jugend beraubt“.