Wohnschule Rheinbach - Vortrag zum Thema „Nachhaltiges Wohnen“
„Seit den 70er Jahren verschulden wir uns“
Rheinbach. Recycelbare Verpackungen, weniger Plastikprodukte und Autos, die mit Elektrizität fahren: Viele Bereiche unseres täglichen Lebens sind bereits nachhaltiger geworden. Aber wie sieht das beim Thema Wohnen aus? Vergangene Woche versammelten sich interessierte Bürger und Bürgerinnen im Ratssaal des Glasmuseums in Rheinbach. Sie waren gekommen, um sich über das Thema Wohnen vor dem Hintergrund der Klima- und Energiewende zu informieren. Die Referentin des Abends war Anja Bierwirth, Leiterin des Bereichs Energie, Verkehr und Klimapolitik am Wuppertal Institut für Klima, Umwelt und Energie. Doch wieso ist es eigentlich notwendig, sich mit der Thematik zu beschäftigen? Laut Anja Bierwirth ist es so: „Wir haben alle Ressourcen, die uns die Welt bietet, bereits in den Siebziger Jahren aufgebraucht. Seitdem verschulden wir uns“. Dies bezeichnet der sogenannte Earth Overshoot Day. Umso wichtiger sei es jetzt, nachhaltig zu handeln. „Der Bauhunger ist aktuell aber so groß, dass der Sand sogar schon knapp wird.“ 517 Millionen Tonnen Mineralstoffe und 5,5 Millionen Tonnen Baustahl werden täglich verbraucht. Die Bauindustrie produziert ein Drittel des Kohlenstoffdioxids und 40 Prozent des Energieverbrauchs. Zwar werde das Bauen an sich effizienter, der Energieverbrauch sei insgesamt aber noch immer sehr hoch. Hinzu komme, dass nach dem Bauen und Wohnen oft die Frage aufkommt: Wohin mit den Baumaterialien? Ganze 54 Prozent des gesamten Abfallaufkommens entstehen in der Bauindustrie, so Bierwirth.
Trotz vieler Neuerungen: Klimaschutzziele noch in weiter Ferne
Um Nachhaltigkeit zu gewährleisten, gab es in den letzten Jahren einige Neuerungen im Wohnsektor. Smart Homes versprechen eine Energieersparnis durch die Steuerung aller Geräte vom Smartphone aus und „Solarzellen sind längst den Kinderschuhen entwachsen“, so Bierwirth, „Häuser verbrauchen heutzutage nur noch einen Bruchteil dessen, was sie noch vor einiger Zeit verbrauchten“. Dennoch sei Deutschland von der Erfüllung seiner Klimaschutzziele noch weit entfernt. Das liege mitunter am Wohnflächenwachstum. Heute leben weniger Personen in einem Haushalt zusammen, als noch vor einigen Jahrzehnten. So komme es zu einer größeren Wohnfläche pro Kopf, zu einem stärkeren Verbrauch an Baumaterialien und einem hohen Energieverbrauch. Eine weitere Entwicklung, die in den letzten Jahren eingetreten sei, so Bierwirth, nennt sich Kohorten-Effekt. Die neuen Generationen wohnen auf mehr Wohnfläche, als die vorangegangenen. Ziehen die Kinder dann eines Tages aus, wohnen die Eltern weiterhin im großen Eigenheim.
So wohnen wir nachhaltiger
Die anwesenden Bürger und Bürgerinnen interessierten sich an diesem Abend vor allem dafür, was sie selbst tun können, um zukünftig nachhaltiger zu handeln. In Bezug auf den eben genannten Kohorten-Effekt schlägt Bierwirth folgendes vor: „Hausbesitzer können einen Teil ihres Eigentums untervermieten oder aus ihrem Einfamilienhaus nach dem Auszug der Kinder zwei Häuser machen.“ So werde Wohnfläche sinnvoll genutzt und es seien nicht so viele Neubauten nötig. Eine weitere Idee sei es, clever zu sanieren. „Hat man ohnehin vor, etwas an seinem Haus zu verändern, sollte man sich überlegen, welche energiesparenden Sanierungen man gleichzeitig durchführen kann.“ Wer der Umwelt etwas Gutes tun möchte, solle außerdem über einen Umstieg von seiner Ölheizung auf regenerative Energien nachdenken. Weitere Vorschläge Bierwirths: Entrümpeln statt Umziehen und reparieren statt neu kaufen.
Das Thema Wohnen liegt Bürgern am Herzen
Anja Bierwirth fordert nicht nur Privatpersonen zum Handeln auf, sondern auch die Politik. Sie erhoffe sich zukünftig vor allem mehr Maßnahmen zur Wiederverwertung ungenutzter Wohn- und Ladenflächen. Die Schweiz sei uns hinsichtlich umweltschonender Maßnahmen einen Schritt voraus, so Bierwirth. Dort gebe es viele Mehrfamilienhäuser, die außerdem auf jeder Etage mit Wachsalons ausgestattet sind. So müsse sich nicht jeder Haushalt eine eigene Maschine anschaffen. Außerdem komme auf eine Vielzahl von Bewohnern nur ein Bruchteil von Parkplätzen. „So überlegt man sich zwei Mal, ob man wirklich ein Auto braucht.“, sagt Bierwirth. Nachdem die Energie-Expertin ihre Vorschläge mit den Zuhörern geteilt hatte, stellte sie noch eines klar: „Nachhaltigkeit ist für mich erst umsetzbar, wenn sie auch bezahlbar ist.“ Ihre Vorschläge sparen daher nicht nur Ressourcen ein, sondern schonen auch den eigenen Geldbeutel.
Im Anschluss an den Vortrag ergab sich eine angeregte Diskussion unter den Anwesenden. „Bei allen unseren bisherigen Projekten kamen intensive Debatten auf“, berichtet Katharina Wilhelm von der Nachbarschaft Römerkanal, die den Vortrag organisiert hatte. Das Thema Wohnen sei eines, das vielen Bürgern sehr am Herzen liege. „Wir können Ihnen in diesem Rahmen zwar nicht die eine Antwort auf Ihre Fragen geben, doch freuen wir uns, wenn wir Sie zum Nachdenken anregen konnten“, so Wilhelm.
Der Vortrag war Teil der Projektreihe „Wohnschule Rheinbach - 360 Grad Wohnen“ des Quartiersbüros „Nachbarschaft Römerkanal“, die im Oktober 2018 startete. Dabei handelt es sich um ein achtmonatiges Programm, das zu einem gemeinsamen Dialog zwischen der Bürgerschaft, Politik und Immobilienwirtschaft anregen soll.