Artikel aus dem Heimatjahrbuch 2015 des Kreises Ahrweiler

Sinziger Straßenbeleuchtungim 19. Jahrhundert

Sinziger Straßenbeleuchtung
im 19. Jahrhundert

Sinzig. Wer heute bei Dunkelheit über die Straßen innerhalb der Stadt Sinzig geht, empfindet es als selbstverständlich, dass die Straßen mit elektrischen Lampen gut ausgeleuchtet sind. Die laufende Unterhaltung der Straßenbeleuchtung ist aber keine billige Angelegenheit. So musste die Stadt im Jahre 2013 allein für den Strombezug für die in der Kernstadt vorhandenen 1.030 Lampen 102.256 Euro bezahlen. 1.)

Die großzügige Ausleuchtung der innerörtlichen Straßen war jedoch in Sinzig wie in anderen Orten nicht immer so. Eine elektrische Beleuchtung gibt es in Sinzig erst nach 1905, da mit dem Bau des Elektrizitäts- und Wasserwerkes in Sinzig erst im Juni 1903 begonnen wurde. Der erste Strom an vereinzelte Private wurde dann ab 1. Januar 1904 abgegeben, sodass in einzelnen Häusern von da ab auch elektrisches Licht vorhanden war. 2.)

Dass es in Sinzig aber bereits vor dieser Zeit eine Straßenbeleuchtung mit Petroleumlampen gegeben hat, wird in einer Statistik des Kreises Ahrweiler von 1863 3.) vermerkt, wo zu lesen ist, dass Ahrweiler, Remagen, Sinzig, Oberwinter, teilweise auch Niederbreisig und Altenahr im Winter eine Straßenbeleuchtung haben. Weiter wird erwähnt, dass die Einführung der Gasbeleuchtung „zu Ahrweiler projectirt.“ wird.

Mehr Sicherheit für die Bürger

Die primäre Notwendigkeit zur Einführung einer Straßenbeleuchtung war damals nicht der Straßenverkehr durch Motorfahrzeuge, sondern die öffentliche Sicherheit der Bürger. Die Nachtstunden boten nämlich lichtscheuen Handlungen den nötigen Hintergrund und den Tätern die Möglichkeit, unentdeckt zu entkommen. Allein durch Nachtwächter, die es in Sinzig bis Anfang des 20. Jahrhunderts gab, 4.) war dies nicht zu gewährleisten.

Zu den nächtlichen Unsicherheiten haben aber auch die allgemeinen politischen Zeitverhältnisse beigetragen. Dies gilt besonders für die 1848er Revolution, bei der es um die Freiheitsrechte der Bürger und nationale Einheit Deutschlands ging. Da sich anarchistische Tendenzen zeigten, schritt man in vielen Gemeinden zur Bildung einer Bürgergarde oder Bürgerwehr.

So berichtet unter dem 29. März 1848 der Sinziger Beigeordnete Büntgen dem Ahrweiler Landrat u.a.: „Zur Sicherung der Personen und des Eigentums wurde hier eine Bürgergarde errichtet, welche aus circa 250 Männern jeden Standes besteht. Diese Bürgergarde, welche in Rotten, jede von einem Offizier, 2 Unteroffizieren und 10 Gemeinen eingeteilt ist, übt unter Oberaufsicht des Bürgermeisters und Gemeinde-Rathes zur Nachtzeit ununterbrochen Wach- und Patrouillen-Dienst.“ 5.) Zum Glück für Sinzig und seine Bürger musste die Bürgerwehr in dieser Zeit nicht aktiv werden.

Neben dem Schutz vor Raub und Diebstahl war aber auch ein Grund für die Straßenbeleuchtung die gefahrlosere Benutzung der Straßen. Wer in dunkler Nacht die Straßen passieren wollte, war genötigt, für sich oder sein Fahrzeug den Weg selbst durch Laternen, Fackeln, Lampions und sonstige Lichtquellen zu beleuchten.

Eine besondere Situation war bei einem nächtlichen Brand gegeben. Dann war für alle Gemeinden im Kreis Ahrweiler und damit auch für Sinzig eine Beleuchtung der Straßen zwingend vorgeschrieben. Der Grund hierfür war, dass fast alle arbeitsfähigen Einwohner verpflichtet waren, zum Löschen des Feuers zur Brandstelle zu eilen. 6.) Um dies dann für die Einwohner über die sonst dunklen Straßen schnell und schadlos zu ermöglichen, musste zur Beleuchtung der Straßen während des Brandes in der Gemeinde vor jedem Hause eine Laterne oder, bei Mangel an Laternen, ein Licht am Fenster im Innern des Hauses brennen. 7.)

Brenndauer und Anzahl

der Straßenlaternen

In den meisten Gemeinden wurde die Straßenbeleuchtung nur in den Wintermonaten, d.h. in der Zeit vom 1. Oktober bis 31. März in Betrieb genommen. 8.) Dies wurde offensichtlich in Sinzig nicht immer für ausreichend erachtet, denn am 9. April 1872 beschloss der Stadtrat, die Straßenbeleuchtung bis zum 1. Mai zu verlängern. 9.)

Die Straßenbeleuchtung in Sinzig bestand damals aus Petroleumlampen. 1872 waren es insgesamt 14 Laternen, die mit ihrem Licht die Straßen erhellten. 10.) Zu dieser Zeit (1871) hatte Sinzig 1946 Einwohner, bebaut waren fast nur die Straßen der Innenstadt. 11.) Diese Zahl von 14 Straßenleuchten in Sinzig erscheint sehr gering. Es war aber zu dieser Zeit in den Gemeinden allgemein üblich, Petroleumlampen nur an wenigen wichtigen Punkten, wie z. B. an Plätzen und Straßenabbiegungen aufzustellen.

Von einer solchen Petroleumlaterne ging auch nur eine geringe Leuchtkraft aus. Angegeben wurde damals die Leuchtkraft einer Petroleumlampe in (HK), wobei die Maßeinheit HK für Haushaltskerze steht. Bei dieser Messeinheit wurde die Leuchtkraft der Flamme der Petroleumlampe mit dem Äquivalent an Haushaltskerzen (HK) verglichen. So entsprach z. B. eine Petroleumlampe mit einer Leuchtkraft von 10 HK dem gleichzeitigen Abbrennen von zehn Haushaltskerzen. Je nach Brennkonstruktion, Dochtbreite und Brennergröße hatten Petroleumlampen die Helligkeit von etwa 5 bis 30 HK. 12.) Vorstellbar ist dann auch, dass nach heutigen Maßstäben die mit den Petroleumlampen erzeugte Helligkeit in Sinzig nur als sehr spärlich bezeichnet werden kann und sicherlich nur eine Notbeleuchtung darstellte.

Bei dieser „Vielzahl von Straßenlaternen“ hat der Stadtrat noch über jeden einzelnen Standort der Laternen beschlossen. So am 19. November 1873 über das Aufstellen von zwei Laternen „am unteren Ende der Schlossgasse vis à vis dem Schloß“ sowie „an der Ecke Milch- und Kalkturmgasse“. 13.)

Mit dem Aufstellen weiterer Straßenlaternen dauerte es dann bis 1883. Am 11. Juli 1883 beschlossen die Stadtverordneten, 4 weitere Straßenlaternen aufzustellen, und zwar zwei in der Bahnhofstraße, sowie eine unten und eine oben am Schießberg. 14.) Bahnhofstraße war die damalige Bezeichnung für die heutige Barbarossastraße, die aus westlicher Richtung geradewegs auf das Bahnhofsgebäude zuläuft und neben der Lindenstraße die weitere Zufahrt zum Bahnhofsgebäude war, das 1859 fertig gestellt wurde, nachdem der planmäßige Zugverkehr auf der Bahnstrecke Köln-Koblenz bereits am 11. November 1858 begonnen hatte. 15.)

Das zur damaligen Zeit noch vorhandene ausgeprägte Bemühen des Stadtrates um sparsamen Umgang mit den städtischen Haushaltsmitteln kommt bei dieser Entscheidung vom 11. Juli 1883 besonders deutlich zum Ausdruck, denn der Bürgermeister erhielt gleichzeitig die Anweisung, mit dem Unternehmer der Straßenbeleuchtung zu vereinbaren, dass die Laternen „erst mit Eintritt der Dunkelheit angesteckt und ¼ Stunde nach Eintreffen des um 10 abends ankommenden (letzten) Zuges wieder ausgelöscht werden.“

Betreuung der Lampen

Die Petroleumlampen konnten nicht, wie heute die elektrische Beleuchtung, zentral gesteuert werden. Bei ihnen waren vielmehr bei jeder Lampe täglich Wartungsarbeiten notwendig. Zur Ausrüstung des mit diesen Arbeiten beauftragten „Lichtmachers“ gehörten ein Leiterchen, um die etwa in zwei Metern Höhe angebrachten Leuchten zu erreichen, ein Petroleum fassender Kanister, Ersatzgläser und verschiedene Lappen. Die genaue Tätigkeit wird wie folgt beschrieben: „Bei einer Laterne angekommen holte er die Lampe herunter, füllte sie mit Brennstoff nach, reinigte sie mit einem Putzlappen, ebenso das Glas und den Docht, dann wurde die Scheibe der Laterne noch einer Reinigung unterzogen. 16.) Angezündet wurde jede Laterne mittels eines Zündstockes. Am Morgen waren die Lampen mit einem Löschrohr wieder zu löschen. Dies war eine sehr zeitaufwendige Tätigkeit, die in Sinzig jedes Jahr für die Beleuchtungsperiode (Wintermonate) neu an einen Bürger vergeben wurde. 17.) So genehmigten die Stadträte am 29. August 1881 die Vergabe der Straßenbeleuchtung für 419 Mark an Peter Eckel. 18.) Für die Beleuchtungsperiode 1884/85 wurde der Anstreicher Hubert Schön mit der Betreuung der Straßenbeleuchtung beauftragt und der Auftrag für die Beleuchtungsperiode 1885/1886 erhielt für 480 Mark erneut Peter Eckel den Zuschlag. 19.)

Mit der Einführung der mit Strom betriebenen Straßenbeleuchtung erhielten dann alle Straßen innerhalb der Stadt eine Straßenbeleuchtung, die zunächst aus mit einer elektrischen Birne ausgestatteten Lampen auf Holzpfosten bestand. Sie gewährleistete jedenfalls eine auch für den aufkommenden Automobilverkehr ausreichende Ausleuchtung der Straßen, ohne schon den heutigen Standard einer Straßenbeleuchtung zu erreichen. Die Möglichkeit der Nutzung des elektrischen Stroms war aber sicherlich auch für die damaligen Einwohner von Sinzig eine willkommene Entwicklung. Durch die Lieferung des Stroms in die Häuser waren von nun an auch die Voraussetzungen für eine zeitgemäße Beleuchtung der Wohnungen geschaffen.

Literatur / Anmerkungen

Kleinpass, Hans „Sinzig von 1815 bis zur Gebietsreform 1969“ in „Sinzig und seine Stadtteile – gestern und heute“ hrsg. von Jürgen Haffke und Bernhard Koll, Sinzig, 1983, S. 157-329.

Anmerkungen: 1.) Auskunft der Stadtverwaltung Sinzig; 2.) Kleinpass S. 165; 3.) Statistik des Kreises Ahrweiler vom Juli 1863, S. 43; 4.) 1912 wird die Tätigkeit als Nachtwächter noch bei Christian Jonen (Ackerer und Nachtwächter) und bei Peter Scheuer (Nachtwächter und Totengräber) angegeben. Dabei war es in Sinzig kein Einzelfall, dass der Totengräber zugleich noch Nachtwächter war, z. B. auch 1873. Hierzu wird von Kleinpass angemerkt, dass der Nachtwächter damals nur hoffen konnte, dass nicht zu viele Menschen starben. (Kleinpass, Hans „Sinzig von 1815 bis zur Gebietsreform 1969“ in „Sinzig und seine Stadtteile – gestern und heute“ hrsg. von Jürgen Haffke und Bernhard Koll, Sinzig, 1983, S. 233); 5.) Kleinpass S. 161; 6.) § 49 der Feuerordnung für den Kreis Ahrweiler vom 06. September 1836; 7.) § 52 der Feuerordnung für den Kreis Ahrweiler vom 06. September 1836; 8.) Statistik des Kreises Ahrweiler vom Juli 1863, S. 43; 9.) Kleinpass S. 248; 10.) Kleinpass S. 248; 11.) Rheinischer Städteatlas „Sinzig“ , Herausgeber: Landschaftsverband Rheinland, 1994, S. 32; 12.) Dr. Bunk , Detlef, Essen, 2006: Lichtstärke von Flachdocht-Sturmlaternen; 13.) Kleinpass S. 248; 14.) Kleinpass S. 249; 15.) Kleinpass S. 256; 16.) Straßenbeleuchtung in Melle und dem Osnabrücker Land; 17.) Kleinpass S. 248; 18.) Kleinpass S. 250; 19.) Kleinpass S. 250.